Stark angefangen, noch stärker nachgelassen
- Dominik
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Nach einem starken neunten Platz im ersten Jahr nach dem Aufstieg in die zweite Liga waren die Erwartungen im Umfeld des 1. FC Kaiserslautern für die Saison 2023/24 nicht minder hoch. Ein gesicherter Mittelfeldplatz und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Mannschaft waren das ausgesprochene Ziel. Doch die Realität nach der Hinrunde sieht anders aus: Tabellenplatz 15, 18 Punkte und nur ein hauchdünner Vorsprung auf den Relegationsplatz. Dabei war die Hinrunde der Pfälzer von einem Wechselspiel aus Höhen und Tiefen geprägt. Langweilig wurde es jedenfalls nicht. Spektakuläre Spiele und bittere Niederlagen sowie ein ungewöhnlicher Trainerwechsel rundeten eine turbulente Hinrunde voller Emotionen im zweiten Zweitligajahr ab. Auch wenn im Moment vieles schlecht aussieht, gibt es doch einige Dinge, die Hoffnung machen.
Spieltage 1 und 2: Ein holpriger Auftakt gegen zwei namhafte Gegnern
Zum Auftakt vor heimischem Publikum gegen den FC St. Pauli stand der FCK gegen einen spielerisch starken Gegner vor allem in der Defensive sehr sicher und ließ nur wenige Chancen zu. Dabei gelang es den Lautrern sogar, nach einem Rückstand zusätzliche Qualität von der Bank zu bringen und gegen einen Spitzengegner den Ausgleich zu erzielen. Mit den Neuverpflichtungen schien die Qualität sowohl in der Spitze als auch in der Breite deutlich gestiegen zu sein. Vor allem der Transfer von Ragnar Ache zahlte sich schnell aus, denn der Neuzugang aus Frankfurt traf gleich nach seiner Einwechslung. Nur der individuellen Klasse des Gegners und zwei eigenen Fehlern war es zu verdanken, dass der FCK am Ende ohne Punkte dastand.
Dass die Roten Teufel nach zwei Spielen gegen zwei namhafte Gegner ohne Punkte und mit einem Torverhältnis von 1:5 dastehen würden, war nicht abwegig und sicherlich zu verkraften. Nach dem Spielverlauf im ersten Auswärtsspiel gegen Schalke 04 war die Enttäuschung dennoch groß. Der FCK machte ein sehr gutes Auswärtsspiel und nutzte die Unsicherheit der Schalker aus, um sie zu Fehlern zu zwingen. Auch nach dem unerwarteten Rückstand ließ sich das Team nicht aus der Ruhe bringen und war die bessere Mannschaft. Doch selten war die Aussage "Der FCK hat sich selbst geschlagen" zutreffender. Durch kollektives Totalversagen waren die Gäste nach einer roten Karte und einer weiteren Ampelkarte nur noch zu neunt. Weitere individuelle Fehler besiegelten schließlich die 0:3-Niederlage. Auch wenn die Ergebnisse nach den ersten beiden Spielen alles andere als zufriedenstellend waren, stimmte über weite Strecken die Einstellung und die Leistung der Mannschaft.
Spieltage 3 bis 5: Der Lautrer Höhenflug beginnt
Entsprechend groß war der Druck und ein Sieg gegen Aufsteiger Elversberg fast schon Pflicht, um den endgültigen Fehlstart und eine Trainerdiskussion zu vermeiden. Dementsprechend nervös agierte der FCK aus einer tief stehenden Defensive heraus. Die Roten Teufel wurden für ihre Bemühungen belohnt und gingen erstmals in dieser Saison in Führung. Doch plötzlich lagen die Pfälzer mit 1:2 zurück. Am Ende entdeckte der FCK seine verloren geglaubten Nehmer- und Comeback-Qualitäten und drehte das Spiel noch zu seinen Gunsten.
Was ein Sieg und das damit gewonnene Selbstvertrauen bewirken können, bekamen die Roten Teufel in den folgenden Wochen zu spüren. Mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit trat Kaiserslautern auf. Bemerkenswert war vor allem die gnadenlose Effizienz in der Offensive um Ragnar Ache, der scheinbar nach Belieben traf. In Paderborn wurden die Lautrer von Beginn an unter Druck gesetzt und taten sich in der ersten Halbzeit schwer. Erst ein Doppelschlag von Ragnar Ache brachte den FCK mit 2:0 in Führung. Auch im folgenden Heimspiel gegen Nürnberg war man nicht die aktivere Mannschaft, führte aber nach knapp 30 Minuten mit 3:0. Ein großer Faktor für den Lauf war die eingespielte Startelf. Vor allem die Neuzugänge Ragnar Ache, Tobias Raschl, Tymoteusz Puchacz und Richmond Tachie schienen von Spiel zu Spiel besser anzukommen und verdrängten die Stammkräfte der letzten Saison. Auch Julian Krahl verdrängte Andreas Luthe nach dessen roter Karte gegen Schalke aus dem Tor und trug maßgeblich zum Aufschwung bei.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das Spiel gegen Nürnberg war deutlich enger als es das Endergebnis vermuten ließ. Der FCK hatte, wie schon in der gesamten Saison, Phasen, in denen er extrem passiv agierte und den Gegner immer wieder ins Spiel kommen ließ - vor allem nach Führungen zogen sich die Roten Teufel immer wieder zurück.
Spieltage 6 bis 9: Nicht alles läuft rund
Ein zwischenzeitliches Unentschieden gegen starke Karlsruher im Derby konnte den Lauf der Roten Teufel nicht stoppen. Während der FCK zu Beginn der Saison noch relativ tief stand, änderte Schuster zunehmend die Ausrichtung und ließ seine Mannschaft deutlich aktiver agieren. Immer wieder wurde der gleichen Elf das Vertrauen geschenkt, die es mit guten Leistungen zurückzahlte. Im Heimspiel gegen Hansa Rostock spielte die Mannschaft abgeklärt und gewann im Stile einer Spitzenmannschaft verdient mit 3:1.
Auch im anschließenden Auswärtsspiel in Osnabrück spielte der FCK wie entfesselt und erarbeitete sich zahlreiche Torchancen, doch plötzlich lag der Tabellenletzte mit zwei Toren in Führung - die Gäste aus der Pfalz verschossen ihrerseits zwei Elfmeter. Im Nachhinein war der Ärger über die verlorenen Punkte größer als der über den Last-Minute-Ausgleich, so groß war mittlerweile das Selbstvertrauen der Roten Teufel.
Höhepunkt des Höhenflugs war zweifelsohne das Verfolgerduell gegen Hannover 96, in dem sich die Lautrer selbst von einem 0:1-Rückstand gegen eine Spitzenmannschaft wie Hannover nicht beeindrucken ließen. Wie schon in den Wochen zuvor lag das Momentum auf Seiten des FCK: Knappe Entscheidungen und Situationen fielen oft zu Gunsten der Lautrer aus, die ihr Glück regelrecht erzwangen. Auch gegen Hannover drehte Kaiserslautern das Spiel. Mit diesem Sieg sprang die Mannschaft über Nacht sogar auf den ersten Platz und baute ihre Serie auf sieben Spiele ohne Niederlage (5 Siege und 2 Unentschieden) aus. Die Kehrseite der Medaille: In keinem dieser Spiele blieb der FCK ohne Gegentor.
Spieltag 10: Düsseldorf als Wendepunkt
Jede Serie reißt einmal, so viel ist sicher. Doch die Art und Weise, wie die Serie der Roten Teufel riss, war ungewöhnlich und typisch Betze: spektakulär, aber nicht minder überraschend. Flutlicht, Primetime, ein absolutes Spitzenspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Die Fortuna begann druckvoll und drängte die Roten Teufel früh in die eigene Hälfte. Aus dem Nichts ging der FCK durch einen abgefälschten Schuss mit 1:0 in Führung. Nur wenige Minuten später der nächste Treffer, der bei Arnd Zeigler wohl in die Kategorie Kacktor fallen dürfte. Das 3:0 ließ nicht lange auf sich warten. Nach 30 Minuten wusste niemand so recht, wie es zu dieser Führung kommen konnte. Düsseldorf war zugegebenermaßen die bessere Mannschaft, aber das Momentum lag wieder einmal auf Seiten des FCK.
Was dann passierte, wurde vielfach diskutiert und ist bis heute nur schwer zu erklären. Ein Flaschenwurf, der Stürmer Ragnar Ache am Kopf traf, sorgte für eine minutenlange Spielunterbrechung und nahm dem Spiel jedweden Fluss. Als nach Fortführung der Partie der schnelle Anschlusstreffer fiel und sich Ragnar Ache zudem noch verletzte, kippte das Spiel in eine völlig andere Richtung. Denn Düsseldorf war im Spiel und keineswegs chancenlos. Die Mannschaft wirkte angeknockt, verspielte eine 3:1-Führung und verlor am Ende mit 3:4. Dass dieses Ergebnis einen so großen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Hinrunde haben würde, war nicht zu erwarten. Vor allem mental war die Wirkung groß, wie sich in den folgenden Wochen zeigen sollte.
Spieltage 11 bis 17: Ein unerklärlicher Leistungsabfall
Für Selbstmitleid blieb dem 1. FC Kaiserslautern keine Zeit, denn nur eine Woche später stand das nächste Spitzenspiel an. Auch gegen den HSV tat sich der FCK zunächst schwer, fing sich aber nach einer Weile und drehte, wie so oft in dieser Saison, einen Rückstand in eine verdiente 3:1-Führung. Das Düsseldorf-Spiel schien für einige Minuten vergessen. Doch wieder leisteten sich die Roten Teufel individuelle Fehler und gaben den sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand. Die Verunsicherung war perfekt: Statt sechs Punkten holten die Lautrer nur einen Zähler. Auch im anschließenden Pokalspiel gegen den 1. FC Köln verspielten die Roten Teufel beinahe eine 3:0-Führung. Am Ende zogen die Pfälzer dennoch mit einem blauen Auge in die nächste Pokalrunde ein.
Der FCK kassierte zu diesem Zeitpunkt einfach zu viele Gegentore, was auf Dauer nur schwer zu kompensieren ist. Hinzu kamen immer wieder Verletzungen, Sperren oder Leistungseinbrüche von Spielern. Die so starke und eingespielte Startelf brach nach und nach auseinander. In den folgenden Spielen gegen Fürth (0:2-Niederlage), Wiesbaden (1:2-Niederlage) und Kiel (0:3-Niederlage) ließ der FCK all seine Stärken und Fähigkeiten vermissen. Kein Einsatz, keine Laufbereitschaft, die Betzetugenden fehlten völlig. In der Defensive präsentierten sich die Männer in Rot viel zu anfällig und luden die Gegner förmlich zum Toreschießen ein. Falsche Entscheidungen, schwache Zweikampfquoten - und auch die Laufleistung der Mannschaft war im Vergleich zur Konkurrenz teilweise erschreckend.
So folgte schließlich die Trainerentlassung von Dirk Schuster, die angesichts der damaligen Tabellenkonstellation mit Platz 11 von außen betrachtet etwas überraschend kam. Angesichts der Tendenz des gesamten Jahres 2023 (34 Punkte von möglichen 93 Punkten) durchaus nachvollziehbar, wenn auch etwas kurzfristig zwei Tage vor einem richtungsweisenden Spiel in Magdeburg, das mit einer 1:4-Klatsche endete. Auch hier war der FCK nicht chancenlos, kassierte aber viel zu einfache Gegentore.
Grammozis rückt an
Eine stabilere Defensive dürfte auch der erste Ansatz des neuen Cheftrainers Dimitrios Grammozis sein. Immerhin gelang es dem ehemaligen Lautrer Spieler bei seinem Einstand im Pokalspiel gegen Nürnberg nicht nur der Sieg, sondern er blieb auch ohne Gegentor. Von großer Bedeutung war zudem die Rückkehr von Ragnar Ache, der nach seiner Einwechslung den Pokalsieg einleitete und den Roten Teufeln insgesamt eine ganz andere Dynamik verlieh.
Gegen Hertha BSC Berlin war der FCK in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft, verpasste es aber, den Sack zuzumachen und wurde am Ende wieder einmal durch individuelle Fehler bestraft. Noch dramatischer war der Punktverlust in Braunschweig, einem direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt. Nach der glücklichen Führung stellten die Lautrer das Fußballspielen völlig ein und verfielen in alte und längst vergessene Muster aus der dritten Liga. Die Folge: Nach der sechsten Liga-Niederlage in Serie ließ die kritische Berichterstattung nicht lange auf sich warten. Der Betzenberg, der in den vergangenen zwei Jahren in sich ruhte, drohte wieder auszubrechen.
Was erwartet uns 2024?
Nach dem zwischenzeitlichen Höhenflug ist der FCK ebenso hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Spielwitz, Einsatzbereitschaft und auch einfache taktische Fähigkeiten, die zu Beginn noch von alleine funktionierten, gingen zuletzt völlig verloren. Die Roten Teufel scheinen in ihrer Entwicklung eher einen Schritt zurück als nach vorne gemacht zu haben. Denn auch die Tabelle lügt mit Platz 15 nicht. Die größte Baustelle dürfte dabei zweifellos die Defensive sein, mit 36 Gegentreffern kassierte der FCK die zweitmeisten der Liga. Immerhin scheint die Offensive zu funktionieren, vor allem Ragnar Ache sollte in der Rückrunde verletzungsfrei bleiben. Der FCK hat fast doppelt so viele Tore erzielt wie die Mannschaften, die derzeit hinter ihm stehen.
Wahrscheinlich kommt die Winterpause gerade recht, um einige Defizite aufzuarbeiten und Dimitrios Grammozis die Möglichkeit zu geben, die Mannschaft noch besser kennenzulernen. Gerade im konditionellen Bereich schien die Mannschaft gegen Ende nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Rückrunde ist, dass der Kern der Mannschaft fit bleibt und Thomas Hengen den FCK punktuell weiter verstärken kann. Dann können die Roten Teufel den Abwärtstrend stoppen, schließlich haben sie bereits bewiesen, dass sie es besser können, und wie Jan Elvedi es ausdrückte, nicht da stehen, wo sie ihren Fähigkeiten entsprechend einzuordnen sind. Aber jedem Spieler sollte klar sein, dass es im Moment nur um den Klassenerhalt geht. Das wird sicherlich kein leichtes Unterfangen, zumal mit dem FC St. Pauli und Schalke 04 gleich im neuen Jahr zwei schwere Aufgaben warten.
Quelle: Treffpunkt Betze
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King Kalli
Und ich kann mich einfach nicht entscheiden, was erschreckender ist - dass wir die gleiche Punktzahl haben wie Heidenheim (bei der doppelten Anzahl von Spielen), oder dass wir von denen, die (immerhin) das komplette Jahr 2023 in der 2. Liga verbringen durften, vorletzter sind. Oder, und damit bin ich im Boot, dass es mir irgendwie gar nicht so aufgefallen ist.
Gummi
und dass wir die zweitmeisten Gegentore 2023 gefangen haben