"Habt keine Angst vor den Spaniern": FCK schlägt Madrid mit 5:0

Foto: Imago / Sven Simon

Es war der 17. März 1982, als der 1. FC Kaiserslautern im Europapokal vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe stand. Nach einem 3:1-Heimsieg im Hinspiel reiste Real Madrid in die beschauliche Pfalz, um gegen den FCK den Einzug ins Halbfinale des UEFA-Pokals perfekt zu machen. Und die Königlichen waren sich ihrer Sache sehr sicher. Kein Wunder, schließlich hatte die spanische Übermannschaft den FCK 14 Tage zuvor im Estadio Santiago Bernabéu phasenweise an die Wand gespielt und schien nach Toren von Cunningham, Hernandez und Juanito bereits im ersten Aufeinandertreffen den sprichwörtlichen Deckel drauf zu machen. Einziger Lichtblick für die Lautrer war ein Elfmetertor von Norbert Eilenfeldt, das erst kurz vor Schluss nach einem der vielen Fouls der äußerst rustikal spielenden Madrilenen fiel.


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Bringt das Publikum hinter euch!


Selbst Trainer Vujadin Boskov nahm die Aufgabe in Kaiserslautern nicht sonderlich ernst und ordnete im Abschlusstraining zum Aufwärmen ein Schattenboxen an, was vom Südwestfunk hinreichend dokumentiert wurde und nach den Vorkommnissen im Hinspiel als ungeheuerliche Provokation in Richtung der Heimmannschaft empfunden wurde. Dem nicht immer königlichen Verhalten der damaligen Real-Elf war es zu verdanken, dass die Einsätze von Friedhelm Funkel und Hans-Peter Briegel nach Verletzungen im Hinspiel am seidenen Faden hingen. FCK-Trainer Kalli Feldkamp konnte aber glücklicherweise auf seine beiden Leistungsträger zurückgreifen und eine schlagkräftige Truppe aufbieten. "Habt keine Angst vor den Spaniern, geht selbst bis an die Grenze des Erlaubten, bringt das Publikum hinter euch", gab der Trainer seiner Mannschaft mit auf den Weg, nicht ahnend, dass einige seiner Spieler vor dem Spiel ihres Lebens standen.


Der Betzenberg war an diesem Abend mit 34.500 Zuschauern natürlich bis auf den letzten Platz ausverkauft und die Stimmung baute sich schon vor Spielbeginn immer weiter auf. "Zieht den Spaniern die Badehosen aus" war der mit Abstand netteste Fangesang, den sich die rund 500 Schlachtenbummler von der iberischen Halbinsel anhören mussten. Zu sehr hatte die überharte und unfaire Spielweise von Real Madrid im Hinspiel an der Ehre aller "Pälzer Krischer" genagt und so war von vornherein klar, dass Spanien-Legionär Stielike und Co. an diesem Abend so richtig eingeheizt werden sollte. Ein unvergesslicher Abend für die Geschichtsbücher der deutschen Europapokal-Geschichte nahm seinen Lauf.

Die Revanche des Friedhelm F.


Die Roten Teufel machten ihrem Namen alle Ehre und entfachten mit Spielbeginn ein wahres Höllenfeuer. Bereits nach sieben Minuten verwandelte ausgerechnet der zwei Wochen zuvor übel attackierte Friedhelm Funkel den Betzenberg zum ersten Mal an diesem Abend in ein Tollhaus. Nach einem Steckpass von Hannes Bongartz schloss der Lautrer Stürmer aus der Drehung ab, und der eigentlich ungefährliche Ball kullerte durch die Beine von Torhüter Agustin ins Tor. Das Stadion tobte. Durch Eilenfeldts spätes Tor in Madrid war man aufgrund der damals im Europapokal noch geltenden Auswärtstorregel plötzlich nur noch ein Tor von der Sensation entfernt. Und die ließ nicht lange auf sich warten.


Denn nur sieben Minuten später war es erneut Funkel, der seine persönliche Revanche gegen die Königlichen zu nehmen schien. Wolfgang Wolf setzte sich auf der rechten Außenbahn durch, flankte von der Torauslinie mustergültig vor das Tor, wo Andy Brehme die Hereingabe annahm, den Ball an die Latte lupfte und Funkel das zurückspringende Leder über die Linie drückte. Jetzt gab es auf dem Betzenberg kein Halten mehr. Nach einer knappen Viertelstunde waren die Männer in Rot plötzlich im Vorteil und die spanischen Nerven lagen blank. Aus Schattenboxern wurden schlagartig ganz schlechte Verlierer, was sie nur wenige Minuten nach dem 0:2 unter Beweis stellten.


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Der Betze bebt


Isodoro San José, vom ungarischen Schiedsrichter Karoly Palotai bereits unmittelbar nach dem Gegentreffer verwarnt, grätschte Beppo Hofeditz nach einer halben Stunde an der Außenlinie von hinten in die Beine. Die logische Konsequenz war der Platzverweis für den Rechtsverteidiger, der allerdings nicht der einzige bleiben sollte. Als Friedhelm Funkel kurz darauf Laurie Cunningham unsanft stoppte, brannten auch dem Engländer die Sicherungen durch. Völlig frustriert trat er dem Lautrer von hinten in die Beine und hatte nach dieser Tätlichkeit folgerichtig ebenfalls vorzeitig Feierabend. Das Stadion stand nun kurz vor der Explosion. Elf Lautrer lagen gegen neun Madrilenen mit zwei Toren vorn. Die Chancen vor Beginn der zweiten Halbzeit hätten schlechter stehen können.


Die Folgen der ungleichen Kräfteverhältnisse ließen nicht lange auf sich warten. Nur fünf Minuten nach Wiederanpfiff setzte Hannes Bongartz zu einem Solo über links an und krönte seine persönlich wohl beste Leistung im FCK-Trikot mit einem feinen Abschluss ins lange Eck. 3:0 und Real Madrid steuerte unaufhaltsam auf eine der bittersten Europapokalnächte der Vereinsgeschichte zu. Weitere sechs Minuten später setzte sich Geye auf der rechten Seite durch, passte flach in die Mitte, wo Norbert Eilenfeldt den Ball zum 4:0 einschob. Spätestens jetzt war die Vorentscheidung gefallen, doch das Spiel war noch lange nicht zu Ende. Ronnie Hellström parierte noch einen Handelfmeter von García Cortés, Francisco Pineda kassierte den dritten Platzverweis des Spiels und Reiner Geye vollendete nach 74 Minuten eine Hereingabe von Beppo Hofeditz zum 5:0. Die Madrilenen erlebten ihr blaues Wunder und der Betze bebte.

Ein Fußballabend für die Ewigkeit


"Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal eine solch stimmgewaltige Kulisse erlebt zu haben“, gab der völlig konsternierte Real-Trainer Vujadin Boskov nach Spielende zu Protokoll. Die Niederlage auf dem Betzenberg ist bis heute die höchste Europapokal-Pleite von Real Madrid. Sie war das Produkt einer bärenstarken Mannschaftsleistung, völlig entfesselter Fans, die den Spaniern von Beginn an zeigten, wer Herr im Hause ist, und komplett überforderter Gästespieler, die mit der aufgeheizten Stimmung in Kaiserslautern nicht umzugehen wussten. Ein magischer Abend und ein weiteres Wunder vom Betzenberg ging in deutsche Fußballgeschichte ein.


17. März 1982: UEFA-Cup, Rückspiel im Viertelfinale


1. FC Kaiserslautern - Real Madrid 5:0 (2:0)

Zuschauer: 34.500 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Karoly Palotai (Ungarn)


Aufstellung FCK (4-3-3): Hellström - Wolf, Brehme, Dusek, Melzer - Briegel, Bongartz, Geye - Hofeditz, Eilenfeldt (85. Brummer), Funkel (72. Eigendorf) (Trainer: Karl-Heinz Feldkamp)


Aufstellung Real Madrid (4-4-2): Agustin - Camacho, Sabido (70. Carcelén), Gallego, San José - Stielike, García Cortés, García Hernández (57. Díaz), del Bosque - Pineda, Cunningham (Trainer: Vujadin Boskov)


Tore: 1:0 Funkel (7.), 2:0 Funkel (14.), 3:0 Bongartz (50.), 4:0 Eilenfeldt (56.), 5:0 Geye (73.)

Gelbe Karten: Brehme (37.) - San José (15.), García Cortés (17.), Pineda (64.)

Rote Karten: San José (31.), Cunningham (39.), Pineda (65.)


Besondere Vorkommnisse: Hellström hält Handelfmeter von García Cortés (60.)


Quelle: Treffpunkt Betze


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Antworten 3

  • da war ich anwesend und ich denke,diese kulisse hat solch ein spektakel veranstaltet

    wie ich es nur selten erlebt habe.


    war ne üble treterei von den spaniern und stielike hat munter mitgemischt.

    aber sie haben auch die verdiente quittung erhalten.

    zum glück hatte mit palotai,der damals wohl beste schiedrichter der welt

    die leitung des spiels.

  • Ich konnte das Spiel im Fernsehen anschauen und war als 13.jähriger irre begeistert.

  • Ich will ja (mangels Alter) nicht klugscheißen, aber „Zieht den Spaniern die Badehosen aus“, verorte ich zeitlich eher in den Herbst 1991 gegen Barcelona.


    Ich weiß gar nicht genau, ob „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ im Jahr 1982 schon so aktuell war. (Im Netz steht dazu nur, dass Udo „Anfang der 80er“ die Idee zu diesem Lied hatte.)


    Vujadin Boskov war ja 1990 nochmal als Trainer von Sampdoria Genua auf dem Betze. Lief dort auch nicht viel besser (0:1), aber damals kam er ja im skandalösen Rückspiel weiter.

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