Titel: Kolumne rund um die Ereigniss des Spiels 1. FC Kaiserslautern - TSV 1860 München
In den vergangenen Wochen und Monaten ist rund um unseren Verein viel geschehen. Der FCK kämpft nach wie vor um seine sportliche und wirtschaftliche Existenz. Noch vierzehn Spiele sind zu absolvieren. Es werden vierzehn Endspiele werden. Unser Verein geht jetzt in die wohl wichtigste Phase seiner langen und ruhmreichen Geschichte. Also Grund genug, um sich einmal die Zeit zu nehmen, den Scheinwerfer zu drehen und den Verein unter einigen wesentlichen Gesichtspunkten zu beleuchten.
Was macht unseren FCK, neben der großen Tradition und den vielen sportlichen Erfolgen der Vergangenheit eigentlich noch aus? Wer oder was verleiht ihm die Struktur, gibt ihm Halt und prägt sein Gesicht. Diese Fragen habe ich mir gestellt und möchte die Antworten dazu nutzen, die augenblickliche Situation etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Auf jeden Fall müssen folgende Organisationsbereiche genannt werden:
a.) Die Mitgliederversammlung. Unser höchstes Vereinsorgan, Souverän und Prinzipal. Der Geist und die Seele des Vereins.
b.) Die Leitungsebene, bestehend aus Aufsichtsrat ( AR ) und Vorstand. Die ausführenden Organe, die Agenten also.
c.) Der sportliche Kernbereich, bestehend aus sportlichem Leiter, Trainer und Mannschaft.
Wie ist es nun um die Verfassung der drei Teilbereiche des Vereins bestellt? Ich beginne meine Überlegungen - den Üblichkeiten gehorchend - mit dem Gliederungspunkt:
ZitatAlles anzeigena.) Die Mitgliederversammlung.
Was ist bloß aus ihr geworden? Am 14.12.2007 hat der Souverän endgültig das Heft aus der Hand gegeben. Vorgeführt, erpresst und belogen von einer handvoll von ebenso dreisten wie inkompetenten Provinzfürsten, Blendern und Buchhaltern, hat er an diesem denkwürdigen Tag jämmerlich versagt. Der Prinzipal ist vor seinen eigenen Agenten eingeknickt, hat sich kläglich aus der Verantwortung gestohlen.
Formal besteht die Prinzipal - Agent - Beziehung zwar immer noch, also die rechtliche Tatsache, dass der Prinzipal ( Auftraggeber ) einen Vertreter ( Agenten ) zur Ausführung einer oder mehrerer Leistungen beauftragt und zur Erleichterung dieser Tätigkeit einen gewissen Entscheidungsspielraum überträgt, in Wahrheit wurde diese Beziehung längst auf den Kopf gestellt. Der Souverän ist nicht mehr Herr im eigenen Hause, sondern demütiger Diener der neuen Machthaber, der eigentlichen Dienerschaft, die nun selbst nach alter Manier und Gutsherrenart das Zepter schwingt, den Mitgliedern auf der Nase herumtanzt und sich am Verein schadlos hält.
Wie konnte das geschehen? Wie konnte man angesichts der drohenden Insolvenz und des drohenden Abstiegs in die absolute Bedeutungslosigkeit des deutschen Fußballs, diese Gremien entlasten? Die Mitgliederversammlung verkörpert Geist und Seele des Vereins, habe ich zu Beginn meiner Ausführungen geschrieben; ohne Mitglieder kein Verein. An jenem denkwürdigen Tag hat sie sich selbst entmündigt und ihre Seele den Teufeln überschrieben.
Angst vor der eigenen Courage? Die Lust am Einknicken? Gutgläubigkeit oder gar schon Gleichgültigkeit, gepaart mit einem Schuss Resignation? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was immer auch den Ausschlag für diese unheilvolle Entscheidung gab, in welchem Mischungsverhältnis das Motiv letztendlich zum Tragen kam, die Mitgliederversammlung hat viel von ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt, hat viel von ihrer ursprünglichen Stärke und Machtfülle verloren.
Woraus soll aber ein Mitgliederverein seine Kraft schöpfen, wenn nicht aus seiner eigenen Substanz, Vitalität und seinem Selbstbewusstsein? Schwinden jene konstitutiven Elemente und Momente zusehends, dann bleibt nur noch der riskante Gang zum Investor, der begierig und kaltblütig die toten Seelen reihenweise zum Spottpreis aufkauft und sie schließlich irgendwann, wenn er keine Verwendung mehr für sie hat, wenn der Karren endgültig verfahren ist, irgendwo und ohne Skrupel entsorgen wird.
ZitatAlles anzeigenb.) Die Führungsebene.
Ich nehme den roten Faden sofort wieder auf und verfolge weiter kritisch das vorhin beschriebene Verhältnis zwischen Prinzipal und Agent. Doch diesmal mit dem geschärften Blick für die Arbeit des Agenten. Gehen wir mal hypothetisch vom günstigsten Fall aus und unterstellen, dass es genügend engagierte und hellsichtige Mitglieder in den Reihen des FCK gibt, denen das Wohlergehen ihres geliebten Vereins noch sehr am Herzen liegt und die tatsächlich so etwas wie Wut und Enttäuschung verspüren, wenn sie mit ansehen müssen, wie der FCK seit Jahren mit rasender Geschwindigkeit auf den Abgrund zusteuert. Wovor hat der Souverän dann eigentliche eine solche Angst, daß er wie paralysiert in seiner Ecke hockt und lediglich die berüchtigte gute Miene zum bösen Spiel macht?
Einige Mitglieder und User berichteten davon, wie sie schon vor Jahren von geschulten Rhetorikern wie Jaggy und Ruda verbal in die Mangel genommen wurden. Rhetorisch vor versammelten Publikum gedemütigt und in die Enge getrieben, gaben sie schließlich vorzeitig kleinlaut auf und verschwanden alsbald wieder in der Versenkung. Nun gut. Wer sich einst gezwungen sah mit den Wölfen zu heulen, mochte sich in reinster Notwehr befinden. Aber ist das ein Grund hinterher mit den Schafen zu blöken?
Göbel vielleicht ein Wolf im Schafspelz? Wohl kaum. Göbel ist genau das, wonach er auch ausschaut. Und trotz des augenscheinlichen Handicaps, hat er es zum bestbezahltesten Buchhalter der Welt gebracht. Chapeau! Göbel möglicherweise ein begnadeter Rhetoriker? Allein die Frage löst bei manchem bereits Lachkrämpfe aus. Bei seinen spärlichen Fernsehauftritten stoiberte er meist hilflos im verbalen Vakuum umher, bis er eher zufällig als gewollt auf irgendeine abgedroschene Phrase stieß, auf der er wieder halbwegs unbeschadet in den sicheren Hafen der Wortlosigkeit heimkehren durfte.
Und sein Kollege Jaworski? Er schwieg am 14.12. 2007 beharrlich bis zum bitteren Ende. Nun imponieren die Wortkargen für gewöhnlich immer. Man glaubt schwer, dass jemand kein anderes Geheimnis zu bewahren hat, als das seiner Unbedeutendheit. Oder war das schon das Schweigen der Lämmer? Mittlerweile wissen wir es besser. Jaworski war vermutlich bereits damals als Opferlamm auserkoren. Ein Opfer der eigenen Erfolglosigkeit? Sicherlich auch. Aber noch vielmehr ein Opfer des Intrigantenstadels FCK, wo die immer knapper werdenden Ressourcen dafür sorgen, dass sich selbst anundfürsich zartbesaitete Schäfchen, analog zum Hobbeschen Naturzustand, gegenseitig an die Gurgel springen. Das bedeutet nun eine Schnauze weniger im immer lichter werdenden Futtertrog. Darwins These vom struggle of life wird gerade in unserem Management empirisch getestet und darf bereits vorzeitig als verifiziert gelten. Von dem auf der Jahreshauptversammlung (JHV) vielfach beschworenen Zusammenhalt und dem pathetisch angekündigten Gemeinschaftshandeln, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Jeder kämpft für sich allein und versucht möglichst mit heiler Haut davon zu kommen.
Buchholz ist mir von der JHV als ein von Panikattacken geschütteltes HB - Männchen noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Grundlos griff er alt gediente FCK-Akteure in einer ungehörigen Art und Weise an. Die Arroganz, Selbstüberschätzung und Maßlosigkeit war phasenweise unerträglich. Wäre er von Beginn an auf der Welt gewesen, Herr Buchholz hätte Gott bei der Schöpfung sicherlich unaufgefordert Rat erteilt. Aber was löste die übermäßige Ausschüttung von Adrenalin und Testosteron eigentlich aus? Die Liebe zum FCK? Vielleicht. Oder doch mehr die Sorge um sein Hab und Gut? Will er seinen Kredit noch rechtzeitig vor der drohenden Insolvenz in Sicherheit bringen? Auch das wäre eine Möglichkeit. Aber wir kennen seine wahren Motive leider nicht.
Und Bauckhage? Ein aalglatter Politprofi, der seine einzige und damit letzte verbale Patrone auf der JHV offenbar bereits verschossen hat, wie die vielen unsäglichen Medienauftritte seither aufschlussreich unter Beweis stellten. Aber immerhin hat er uns einen Kredit über 1 Million Euro vermittelt, der uns auf dem Transfermarkt ein klein wenig Spielraum verschaffte. Dafür ein herzliches Danke. Ehre, wem Ehre gebührt.
Ich bin kein Bilanzbuchhalter, aber ich gehe gerne ins Theater und was momentan beim FCK auf der Führungsebene abläuft, erinnert mich sehr stark an das Genre des absurden Theaters. Herr Buchholz rechtfertigt in einem Interview seine gute Arbeit mit dem Hinweis darauf, bisher noch keine goldenen Löffel geklaut zu haben. Wie auch. Das Tafelsilber ist doch längst weg. Bei uns gibt es doch schon lange nichts mehr zu holen. Herr Göbel leiste seriöse Arbeit und ein verantwortungsvolles Risikomanagement. Dabei hat sich erst kürzlich ein neues Finanzloch in der Höhe von 2,5 Millionen Euro aufgetan, das unseren Buchhalter zu einem bilanztechnischen Tanz auf der Rasierklinge zwingt und uns einen fortdauernden Ehrenplatz auf der Schwelle zur Insolvenz garantiert. Denn die großspurig angekündigten neuen Sponsoren entpuppten sich ganz schnell als die altbekannten Geldgeber, die dem Verein lediglich einen Vorschuss zur Verfügung stellen. Gelder, die dann in der kommenden Saison im Etat wieder fehlen werden. Es fänden Gespräche mit Sponsoren statt, oder waren es Investoren oder doch Gönner? Wer weiß das schon? Und im Sommer soll sogar ein Konzept erarbeitet werden. Dann hatten wir wohl jahrelang keines. Und warum erst im Sommer? Was machen vier Vorstände bis dahin? Fragen über Fragen. Aber ich breche hier jetzt ab und verweise auf Samuel Beckett und sein Stück: Warten auf Godot. Es enthält fast alle Antworten.
ZitatAlles anzeigenc.) Die sportliche Situation.
Die sportliche Krise fand nun ihm Trainerwechsel ihren vorläufigen Höhepunkt. Gleichzeitig nährt sie zum wiederholten Male die Hoffnung, dass die Talsohle damit endlich und endgültig durchschritten sei. Wir nehmen sie dankbar an. Es ist unser letzter Strohalm. Milan Sasic hat jetzt Kjetil Rekdal abgelöst. Realismus folgt nun auf den Idealismus, so meine knapp formulierte These.
Aber was kann Sasic anders und vor allen Dingen besser machen, als sein gleichermaßen erfolgloser wie beliebter Vorgänger? Über wie viel Patronen verfügt unsere letzte Patrone selbst? Über gar keine! Wie das Spiel gegen Fürth gezeigt hat, muss er ohne Feuerwaffen ins Gefecht ziehen und dort den bedingungslosen Nahkampf suchen. Aber das ist gerade unser großer Vorteil! Wie der Sieg am Sonntag in Fürth ebenso eindrucksvoll bewies, weiß Sasic die Mannschaft offenbar richtig einzuschätzen und folgerichtig einzustellen. Systemwechsel heißt das Zauberwort und er hat bereits Früchte getragen.
Schoss unser nordischer Idealist und Pantoffelstratege in der Hinrunde ein halbes Jahr lang blindwütig mit Platzpatronen um sich, ohne es selbst zu bemerken, scheint Sasic ein ebenso gewiefter wie bodenständiger Realist zu sein, der den ehrlichen Faustkampf bevorzugt. Räume eng machen, Zweikämpfe suchen, annehmen und gewinnen. Mit einfachen Mitteln wie den Standards zum Erfolg kommen, das wird Sasic in den nächsten Wochen seinen Spielern predigen und mit ihnen einüben. Wenn nötig, den Gegner auf das eigene Niveau herunterzerren und dann am Boden liegend besiegen.
Rekdal dagegen wollte den vielerorts gepriesenen modernen Offensivfußball zelebrieren lassen, fuhr schwere und komplizierte taktische Geschütze auf, versah sein Team mit den neusten fußballerischen Schnellfeuerwaffen und bestellte in einer fast schon bemitleidenswerten Naivität beim Vorstand und Sportdirektor, das dafür dringend benötigte Schießpulver. Geliefert wurden, wie konnte es auch anders sein, Rohrkrepierer, Platzpatronen und ein paar Chinakracher. Damit kann man zwar ordentlich Lärm erzeugen, aber es blieb logischerweise beim berühmten und oft zitierten Lärm um Nichts, der schnell wieder verhallte und im danach aufsteigenden Nebel des eigenen Wortqualms sah unser charmanter Dampfplauderer meistens nicht, dass die optischen und akustischen Effekte in der Regel sofort verpufften und beim Gegner keine Wirkungstreffer hinterließen.
Doch Rekdal fühlte sich stark und von edlen Motiven angetrieben, aber ohne Munition in den Gewehrläufen musste er schließlich scheitern. Tragisch für uns und die Mannschaft war nicht nur die Tatsache, dass er auf Grund vieler taktischer Fehler die Spiele verlor, sondern dass bei ihm zum Schluss auch jeglicher Sinn für die Realität auf der Strecke blieb. Gestartet als Marquis de Posa, als glühender Idealist und Modernisierer, dem man gerne zuhörte und Glauben schenkte, kämpfte er am Ende, beratungsresistent und isoliert, als Ritter in der traurigen Gestalt, als moderner Don Quixote nur noch vergeblich mit untauglichen Mitteln gegen Windmühlen.
Die Reißleine musste gezogen werden. Spät wurde sie gezogen, aber hoffentlich noch nicht zu spät.
ZitatAlles anzeigen
Mein Fazit:
Ich differenziere mittlerweile sehr präzise zwischen der Mannschaft und dem Trainer auf der einen Seite, die unseren Verein unter dem sportlichen Aspekt repräsentieren und unsere volle Unterstützung benötigen, um den Klub vor der größten Katastrophe seiner Vereinsgeschichte zu bewahren und dem AR und Vorstand auf der anderen Seite, die ich am liebsten jetzt schon auf den Mond schießen würde, weil sie auf der ganzen Linie versagt haben und auch unter einem moralischen Gesichtspunkt mehr als fragwürdig erscheinen.
Unter diesen Prämissen bleibt uns im Moment ( also in den nächsten vier Monaten ) keine andere Wahl als zweigleisig zu denken und zu handeln, was konkret umgesetzt in dieser Reihenfolge nur bedeuten kann: 1. Bedingungslose Unterstützung der Mannschaft und anschließend 2. Außerordentliche Mitgliederversammlung und Abwahl des AR. Bis dahin sollte sich dann auch eine glaubwürdige und kompetente Oppositionsgruppe gebildet haben.
Kampf, Einsatz und bedingungslose Unterstützung der Mannschaft, viel mehr können wir in den nächsten vier Monaten, welche die wichtigsten und schwierigsten der Vereinsgeschichte sein werden, vermutlich nicht in die Waagschale werfen. Und dennoch: Kraft dieser Tugenden ist der FCK schon so oft in entscheidenden Momenten über sich hinausgewachsen, hat in den 90er Jahren trotz fußballerisch unterlegenem Spielermaterial zweimal die Meisterschaft errungen. Einen großen Anteil an diesen Erfolgen hatten die Fans mit ihrer sensationellen Unterstützung, die den Betze zur uneinnehmbaren Festung machten.
Daran sollten wir uns erinnern. Unser Motto für die nächsten vier Monate kann nur lauten: Back to the roots. Ein letztes Mal die Kraft aus unserer ruhmreichen Vergangenheit, aus unserem einzigartigen Mythos schöpfen. Ein in Vergessenheit geratener Schatz, ein Reservoir, über das sonst kaum ein zweiter Verein in Deutschland verfügt.
Milan Sasic hat es uns vorgemacht, hat die Weichen neu gestellt und die Mannschaft auf den bedingungslosen Kampf eingestimmt. Folgen wir also unserem kroatischen Trainer, er führt uns zurück zu den Pfälzer Wurzeln.
Und dann am Ende der Saison muss es einen extremen Schnitt, einen radikalen Kurswechsel in unserem Verein geben, bevor die oben genannte Quelle endgültig versiegt.
Autor: kadlec
Datum: 28.02.2008