Thomas Hengen: "Natürlich hat man gern diesen target man" (2/2)
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Im gestrigen ersten Teil unseres Interviews mit dem Geschäftsführer Sport Thomas Hengen sprachen wir vor allem über den bisherigen Saisonverlauf der Roten Teufel. Im heutigen zweiten Teil blicken wir schwerpunktmäßig auf die Kaderplanung und die bevorstehende Transferperiode in der Winterpause.
Besonders zu Saisonbeginn wurde vielfach darüber diskutiert, dass zumindest personell der Abgang von Marvin Pourié nicht kompensiert wurde. Das Fehlen eines solchen “torgefährlichen Wandspielers” machte sich auch in den ersten Spielen bemerkbar. Die Stürmerrolle teilen sich derzeit Daniel Hanslik und Rene Klingenburg. Muhammed Kiprit bekommt maximal Kurzeinsätze - und Elias Huth scheint überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Ist in der Winterpause möglicherweiser ein neuer Stürmer zu erwarten?
Thomas Hengen: Ich bin lieber nicht ausrechenbar, wenn ich vier bis fünf verschiedene Torschützen habe. Und genau das haben wir in der vergangenen Rückrunde unter Beweis gestellt. Wir haben verschiedene Optionen und einen breiten Kader, mit dem wir verschiedene Systeme spielen können. Ob Doppelspitze, 3er-Sturm oder aus der Tiefe kommend mit einem Stürmer und einer Raute dahinter. Wir haben diese verschiedenen Stürmertypen: Redondo als Konterstürmer, Stehle als doppelte Spitze, Hanslik als Mittelstürmer, der sowohl alleine auch als Doppelspitze spielen kann, Kiprit als Boxstürmer. Und Klingenburg agierte zuvor durchaus als Halbstürmer. Natürlich hat man auch gerne diesen sogenannten 'target man', der zehn bis fünfzehn Saisontore macht. Es ist in der dritten Liga jedoch nicht einfach einen solchen Stürmertypus zu bekommen. Und man muss sehen, dass wenn diese Art von Stürmertyp immer älter wird, dann bedeutet das, dass von unten wenig nachkommt. Und letztlich muss ein solcher Stürmer nicht nur bezahlbar sein, sondern auch wechseln wollen.
Hengen über bevorstehende Transferplanungen: "Acht Wochen sind im Fußball eine Ewigkeit"
An welchen Stellen und auf welchen Positionen sehen Sie darüber hinaus und aus Ihrer Analyse heraus für die Winterpause den größten Veränderungsbedarf?
Thomas Hengen: Wie waren wie schon dargestellt sehr spät in der Transferphase drin. Deswegen sind auch viele Spieler erst in der laufenden Vorbereitung oder kurz vor Ende der Vorbereitung zu uns gestoßen. Da braucht es dann schon vier bis fünf Wochen in der laufenden Saison, bis eine Mannschaft zusammengewachsen ist. Jetzt haben wir noch acht Wochen bis zur Winterpause, und das ist im Fußball eine Ewigkeit. Wir sind grundsätzlich sehr zufrieden mit unseren Spielern und unserem Kader. Wir haben jede Position mindestens doppelt besetzt, entweder mit erfahrenen oder jungen Spielern. Und gerade die jungen Spieler haben in der heutigen Zeit fast keine Zeit sich zu entwickeln, sie müssen in einem neuen Umfeld sofort funktionieren - das ist brutal schwer. Wir haben diese Geduld, aber da muss das Umfeld auch mitmachen. Wir hatten erst einmal die Luxus-Situation, dass Spieler, die nicht verletzt waren, zu Hause geblieben sind. Und aufgrund von Verletzungen oder Sperren ändert sich das auch von Spieltag zu Spieltag. Deswegen haben wir auf diese Tiefe und Breite im Kader gesetzt. Aktuell sind wir zufrieden so wie es ist. Aber klar ist auch, dass wir jede Dynamik sehr genau beobachten müssen. Spieler, die bereits länger nicht mehr im Einsatz waren, werden sicherlich das Gespräch suchen - da gilt es, für beide Seiten gute Lösungen zu finden. Optimierungsbedarf gibt es natürlich immer.
Wenn nun aber auch noch langzeitverletzte Spieler wie Bakhat, Gözütok oder Röser zurückkehren, wäre der Kader dann nicht eigentlich zu groß? Und müsste man dann nicht sogar über Abgänge diskutieren?
Thomas Hengen: Ich wäre gerne in der Situation, dass wirklich alle Spieler zur Verfügung stehen. Ich hatte diesen Fall noch nie - und es wäre ein Novum, stünden uns alle zur Verfügung. Bei allen genannten Spielern wird sich die Ausfallzeit noch bis ins neue Jahr ziehen, und selbst dann braucht es Zeit, um wieder auf ein normales Niveau zu kommen. Dann kommen neue Verletzungen oder Sperren hinzu. Wir brauchen deswegen jeden Spieler.
Zahlreiche Spieler könnten den Verein verlassen: "Auslaufende Verträge bieten auch neue Chancen"
Gleichzeitig laufen die Verträge von mehr als einem Dutzend Spieler, darunter auch mehrere Stammkräfte und Leistungsträger, im kommenden Sommer aus. Droht die Gefahr, dass die Mannschaft im Falle eines Nicht-Aufstiegs auseinanderfällt?
Thomas Hengen: Grundsätzlich gibt es verschiedene Vertragskonstellationen und deswegen kann ich eine solche Zahl erstmal nicht bestätigen. Natürlich läuft der ein oder andere Vertrag aus, aber das schließt nicht aus, dass man weiterhin zusammenarbeitet. Umgekehrt ist es im Fußball auch immer so, dass Veränderungen manchmal gut tun und so können auch bei uns Überlegungen reifen, den Kader anders zusammenzustellen. Auslaufende Verträge bieten also auch neue Chancen. Jetzt kommt erstmal das Transferfenster im Winter, dort rechnen wir eigentlich nicht mit großen Bewegungen. In den kommenden acht Wochen kann aber auch viel passieren. Wir sind zudem daran interessiert, eine homogene Mannschaft auf den Platz zu bringen und nicht ständig neue Veränderungen herbeizuführen. Im Winter werden wir schauen wo wir stehen, wie sich die Genesungsfortschritte mit den Langzeitverletzten entwickelt haben - und dann schauen wir weiter. Wir sind derzeit um den Konkurrenzkampf froh und wir wissen, dass viel Reibung auch Leistung erzeugt.
Sie bezeichneten Simon Stehle bei seiner Verpflichtung als explosiven Stürmer, der den nächsten Entwicklungsschritt machen will. In der bisherigen Spielzeit kommt er lediglich auf 37 Spielminuten. Auch in seinen Einsätzen bei den Amateuren ist von seiner Explosivität wenig spürbar, zuletzt kassierte er gar eine rote Karte wegen einer Tätlichkeit. Woran hat es bisher gelegen?
Thomas Hengen: Wir haben einen polyvalenten Spieler gesucht, der sowohl als Mittelstürmer spielen als auch über die Außen kommen kann. Und natürlich ist klar, dass man nicht nur Startelf-Spieler verpflichtet, sondern auch Kaderspieler braucht, die den Druck von außen erhöhen und Spielzeit einfordern. Und das war sein Ziel. Auch er ist zu einer Zeit zu uns gestoßen, in der die Vorbereitung beinahe beendet war und andere demnach einen Vorsprung hatten. Das hat er allerdings bewusst in Kauf genommen. Beim Spiel in Zwickau wollte der Trainer den Spieler schützen. Seine Spielpraxis hat er sich zuletzt bei den Amateuren geholt, bei denen er auch gute Leistungen gebracht hat. Seine rote Karte darf ihm natürlich nicht passieren. Im Amateursport gibt es aber diese Nicklichkeiten und Provokationen und dann lässt man sich als junger Spieler zu einer solchen Dummheit hinreißen. Er hat seinen Fehler eingestanden und spendiert der Mannschaft ein gemeinsames Frühstück. Wir haben ihn aber noch lange nicht abgeschrieben. Jeder Spieler kann sich anbieten und auch er ist gefordert, wieder ranzukommen. Das trauen wir ihm auf jeden Fall zu.
Vertragsgespräche mit Matheo Raab: "Beide Seiten wissen, was sie voneinander haben"
Einer, der bisher besonders hervorsticht ist Matheo Raab. Er trägt einen beachtlichen Anteil daran, dass der FCK derzeit die ligabeste Abwehr darstellt. Kürzlich bestätigte Raab laufende Vertragsgespräche. Hätte man seine sportliche "Beförderung" zur neuen Nummer 1 im Vorfeld nicht mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung begleiten können?
Thomas Hengen: Wir haben bereits in der vergangenen Rückrunde und im Sommer Gespräche über Modalitäten und Spielzeiten geführt. Unsere Aufgabe ist es, einem Spieler einen Weg aufzuzeigen. Und die Spieler selbst wünschen sich eine gewisse Sicherheit, die man im Fußball nicht immer geben kann. Letztlich hat sich der Trainer für Matheo Raab entschieden. Man darf aber einen jungen Spieler auch nicht mit Vertragsgesprächen oder Modalitäten überladen - das wichtigste für ihn ist, dass er jetzt spielen und seine Leistungen bringen kann.
Raabs Leistungen werden höherklassigen Vereinen ja nicht verborgen bleiben. Hat sich die Situation inzwischen nicht grundlegend verändert? Was hätte dagegen gesprochen, die Überlegungen des Trainers, ihn zur neuen Nummer 1 zu ernennen, an einen neuen Vertrag zu koppeln?
Thomas Hengen: Beide Parteien waren und sind im Austausch. Beide Seiten wollten die Entwicklung abwarten und beide Seiten wissen, was Sie voneinander haben. Wir sind sehr froh, auf dieser Position so gut besetzt zu sein, denn auch Avdo Spahic macht weiter Druck, genauso wie Lorenz Otto, der gerade Spielpraxis bei den Amateuren sammelt.
Hengen über ein mögliches Saisonziel: "Gehen weiterhin sehr demütig an die Sache ran"
Inwieweit ist denn ein Trainer in die Kaderplanung eingebunden, besonders vor dem Hintergrund der doch sehr zahlreichen Trainerwechsel in den vergangenen Jahren?
Thomas Hengen: Hier greift das 6-Augen-Prinzip. Wir haben die Scoutingabteilung, das Trainerteam und den Geschäftsführer Sport. Da wird natürlich kontrovers diskutiert, aber in der Summe geht es immer um die Sache und die Frage, welcher Spieler am besten zu unserem Kader, unserem System und zu welcher Position passt. Manchmal bekommt man einen Spieler, weil er eben bereits mit dem Trainer gearbeitet hat und das einen großen Vorteil darstellt. Gleichzeitig muss es kein Nachteil sein, wenn wie beispielsweise bei Boris Tomiak ein neuer Spieler kommt. Wichtig ist, auf der gleichen Wellenlänge zu liegen. Und wenn eine der drei Parteien partout nicht mit einem Transfer einverstanden ist, dann wird Plan B aus der Schublade genommen und eine andere Option gezogen. Selbstverständlich ist ein Trainer nicht alleine für den Kader verantwortlich, aber keinesfalls darf man ihn außen vorlassen, denn er soll ja auch mit diesem Kader arbeiten.
Das Ausscheiden im Verbandspokal ist mit der Gefahr verbunden, erstmalig nicht am DFB-Pokal teilnehmen zu können. Bisher äußerten Sie sich in Sachen Saisonziel verständlicherweise zurückhaltend. Muss jetzt Tabellenplatz vier als Minimalziel ausgegeben werden?
Thomas Hengen: Wenn wir dann Vierter werden sagt jeder, oh dieser undankbare vierte Platz. Natürlich haben wir intern Ziele und Ambitionen und natürlich tut das Ausscheiden nach wie vor weh. Da hat die Mannschaft auch gesehen, dass es mit ein paar Prozent weniger einfach nicht reicht. Unser Ziel ist es, jedes Wochenende um die drei Punkte zu kämpfen, zu Hause weiterhin heimstark zu bleiben und die Fans dadurch auch vermehrt wieder ins Stadion zu bringen. Das ist uns mit dem verhaltenen Saisonstart nicht gut gelungen, aber inzwischen sind wir auf einem guten Weg. Es ist ein Floskel, aber tatsächlich musst du in der dritten Liga von Spiel zu Spiel denken. Da gibt es fast kein Mittelfeld, nach zwei gewonnenen Spielen bist du oben dran und nach zwei Niederlagen steckst du wieder unten drin. Deswegen gehen wir weiterhin sehr demütig an die Sache ran.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde bereits vor dem Heimspiel gegen Würzburg geführt.
Quelle: Treffpunkt Betze
Interview: Michael, Armin
Quelle: Treffpunkt Betze