Häämspiel: Danke für Nichts!

Der Fall Türkgücü: Der DFB lässt die dritte Liga einfach im Regen stehen
Foto: Getty Images / Thomas F. Starke

Nachdem Türkgücü München Ende Januar den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hatte, wurde nun endgültig der Spielbetrieb in der dritten Liga eingestellt. Als Anhänger der Roten Teufel sollte man natürlich sehr vorsichtig sein, wenn man sich zum Finanzgebaren anderer Vereine äußert. Aber die jüngsten Pleiten des KFC Uerdingen und nun eben der Münchner stimmen nachdenklich. Trotz aller Begleitumstände hatte der Rückzug der Krefelder wenigstens noch den Charme, dass er keine massiven Auswirkungen auf die Konkurrenz hatte. Lediglich den sportlich abgestiegenen Meppenern blieb der Gang in die Regionalliga erspart - an der Ems feierte man schließlich einen Klassenerhalt der etwas anderen Art. Das Aus des Möchtegernmitfavoriten aus München steht jedoch in einem ganz anderen Licht da.

Chantal, heul leise!

Durch die vorzeitige Zahlungsunfähigkeit und dem damit verbundenen Ende im Punktspielbetrieb wurden alle Spiele der Multi-Kulti-Truppe annulliert. Bis auf die Zweitvertretung von Borussia Dortmund verlieren damit alle Vereine wichtige Punkte. Während 1860 München lediglich um einen Zähler schlechter gestellt wird, muss der 1. FC Saarbrücken beispielsweise auf derer sechs verzichten. Das führte im Saarland natürlich zum großen Aufschrei und in einem Anfall von Selbstmitleid sah man sich als der große Verlierer. Bei genauerer Betrachtung des Sachverhaltes lässt sich jedoch feststellen, dass dem so nicht ist. Sowohl Eintracht Braunschweig als auch der FCK hätten noch eine Begegnung mit Türkgücü vor der Brust gehabt. An den jeweiligen Spieltagen sind nun beide zum Zuschauen verdammt. Der FCS und natürlich auch alle anderen Konkurrenten können dann die Gunst der Stunde nutzen und punktemäßig wieder aufschließen. Was sie daraus machen, wird man sehen.


Ich sehe den 1. FC Kaiserslautern im Vergleich zu allen anderen Vereinen durch den Türkgücü-GAU sogar deutlich mehr benachteiligt. Die Mannschaft von Trainer Andreas Heraf wäre am letzten Spieltag auf dem Betzenberg zu Gast gewesen und hätte vermutlich ein volles Haus vorgefunden. Nicht etwa, weil der klangvolle Name der Gastmannschaft die Massen ins Fritz-Walter-Stadion gezogen hätte, sondern aufgrund der Tabellenkonstellation und der durchaus berechtigten Hoffnung des FCK-Anhangs, an diesem 38. Spieltag den Aufstieg in die zweite Liga feiern zu dürfen. Nicht nur, dass Spielern und Fans dieses Erlebnis nun möglicherweise verloren geht, dem Club entgehen nebenbei auch Einnahmen im mittleren sechsstelligen Bereich. Ein Faktor, der im „Eurograb“ dritte Liga nicht zu verachten ist.

Zwei mal drei macht vier, widdewiddewitt und drei macht Neune

Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen? Hätte das Desaster verhindert werden können? Ich sage ganz klar: JA! Im Vergleich zum finanziellen Absturz des FCK, der sich über Jahre angedeutet hatte, aber immer wieder aufgrund äußerst kreativer Geldbeschaffungsmaßnahmen hinausgezögert werden konnte, – (der ein oder andere Fananleihen- oder Kapilendo-Investor wird wissen, was ich meine) - waren die schnellen Pleiten von Uerdingen und Türkgücü absehbar. Beide Clubs hingen spätestens seit ihrem Aufstieg in die dritte Liga vom Wohlwollen eines einzigen Investors ab. Eigenes Stadion, eigenes Trainingsgelände oder zukunftsorientierte Nachwuchsarbeit? Fehlanzeige! Persönliche Eitelkeiten, Selbstdarstellungsdrang und Größenwahn? Volltreffer! Natürlich sollte die dritte Liga nur eine kurze Zwischenstation auf dem Weg ins Rampenlicht des deutschen Fußballs sein. Grund genug, um mit den dicken Geldbündeln zu wedeln und eine ganze Reihe namhafter Profis anzulocken.


Manuel Hartmann, Geschäftsführer DFB-Spielbetrieb, schob natürlich alle Schuld weit von sich. Aus seiner Sicht war es absolut nicht vorhersehbar, dass Türkgücü in finanzielle Not geraten könnte. Immerhin habe der Verein vor Saisonbeginn drei Millionen Euro als Personalaufwand angegeben, diesen nun aber um zwei Millionen überzogen. Aus Sicht des DFB war dieses Fehlverhalten nicht überprüfbar. Betrachtet man den Kader der Münchner, muss man sich jedoch zwangsläufig fragen, was der DFB beim Lizenzierungsverfahren denn eigentlich geprüft hat und wie blauäugig so mancher Funktionär seiner Arbeit nachgeht? Dass der Personalaufwand für 28 Spieler, die insgesamt über 900 Zweit- und knapp 300 Erstligaspiele auf dem Buckel haben, gnadenlos an der Realität vorbei kalkuliert wurde, hätte meines Erachtens direkt auffallen müssen. Im Schnitt würde jeder Kicker damit nämlich weniger als 9.000 Euro pro Monat verdienen – und das brutto und inklusive aller Prämien. Andere Mitarbeiter wie Trainer, von denen es ja reichlich gab, oder Betreuer, wären bei diesem einfachen Rechenmodell sogar noch ehrenamtlich am Werk gewesen. Wer das ernsthaft glaubt und abnickt, sitzt definitiv auf dem falschen Posten.

Wer in einem Steinhaus wohnt, sollte keinen Glasbläser heiraten

Nachdem Mäzen Hasan Kivran den Spaß an seinem Spielzeug endgültig verloren und den Geldhahn von heute auf morgen zudrehte, begann der freie Fall. Max Kothny, der 25-jährige Geschäftsführer der Münchner, fletschte zwar noch seine Milchzähne in Richtung DFB und drohte gegen den Punktabzug von elf Zählern zu klagen, aber mehr als letzte Zuckungen waren diese Ankündigung auch nicht. Türkgücü wird vorerst von der Fußballlandkarte in Deutschland verschwinden. Wie ich finde, völlig zu Recht und hoffentlich für lange Zeit. Mein Mitleid gilt einzig den Angestellten, die nun die Zeche ihrer Bosse zu begleichen haben. Bevor nun aber Mahnwachen abgehalten und Lichterketten organisiert werden: Rechtes Gedankengut ist mir völlig fremd! Meine persönliche Beurteilung der Situation beruht lediglich auf den Beobachtungen und Eindrücken, die ich in den letzten Jahren rund um das ehrgeizige, letztlich aber gnadenlos gescheiterte Projekt Türkgücü München gewinnen konnte. Die vielgeschwungene Rassismuskeule, die die Herren Kivran und Kothny so gern auspacken, wenn sie sich in ihre Opferrolle begeben wollen, ist somit völlig fehl am Platz.


Wie könnte nun für ein einigermaßen geordnetes Saisonende gesorgt werden? Nun, der DFB wies kürzlich einen Einspruch des VfL Bochum gegen das „Becherwurf-Urteil“ zu Gunsten von Borussia Mönchengladbach mit der Begründung ab, der Verein sei für seine Zuschauer verantwortlich und das Verschulden der Zuschauer sei dem Verein zuzurechnen. Eine Rechtsauslegung, der man durchaus folgen kann. Ist im Umkehrschluss der DFB dann aber nicht auch für seine Vereine verantwortlich und hat für das Verschulden der Clubs gerade zu stehen? Ich finde schon und muss einmal mehr den Deutschen Fußball-Bund bewundern, der es wie kein anderer Verband schafft, sich regelmäßig seiner Verantwortung zu entziehen. Die Leidtragenden sind die Vereine, die aus Sicht der hohen Herren in Frankfurt offenbar nicht mehr als Spielbälle sind, über die man sich die Taschen schön vollstopfen kann. Wirkliche Gewinner gibt es im Fall „Türkgücü“ keine.


Quelle: Treffpunkt Betze


Quelle: Treffpunkt Betze


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