Chaoslautern kann immer noch aufsteigen
- Raimund
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Nur drei Wochen nach dem spektakulären Derbysieg gegen Saarbrücken ist der alte Chaosclub vom Betzenberg zurück. Der Stimmung in den (sozialen) Medien nach zu urteilen, scheint der FCK dem Abstieg entgegenzutrudeln. Dabei kann der Verein - trotz der aktuellen sportlichen Misere und des öffentlichen Rückfalls in alte Zeiten - den Aufstieg in die 2. Liga noch immer eintüten. Einfluss darauf nehmen wird das Trainergespann Antwerpen/Döpperdann jedoch nicht mehr.
Fanliebling, Retter, Derbysieger
In den letzten zehn Jahren gab es keinen Trainer, der am Betzenberg ähnlich beliebt und geschätzt war wie Marco Antwerpen. Für seine offene und mitunter impulsive Art liebte ihn der Pfälzer Anhang, der ja bekanntlich mit feingeistigen Typen und detailfokussierten Taktiknerds grundsätzlich fremdelt. Das lauf- und kampfbetonte Spiel, welches „Ante“ seiner Mannschaft einimpfte, war genau das, was in der Pfalz als „Betze-Fußball“ bezeichnet wird. In der letzten Saison rettete er den Verein aus schier aussichtsloser Position und schenkte dem Anhang seitdem eine makellose Derbybilanz. Immer wieder musste und konnte das Trainerteam Ausfälle erfolgreich kompensieren – stets ohne zu jammern. Die Spieler schienen in der Lage, Spielsysteme auch im laufenden Spielgeschehen umzustellen. Überhaupt wurden die meisten Akteure in der 'Ära Antwerpen' zu besseren Spielern.
Nun wäre Antwerpen in dieser Spielzeit beinahe auch noch mit dem Verein aufgestiegen. Klingt eigentlich zu schön um wahr zu sein? Das war es dann wohl auch. Sympathisch, offen und geradeaus präsentierte sich der Trainer in den Pressekonferenzen vor den Spielen. Aber es gab auch den anderen Marco Antwerpen, der regelmäßig während eines Spiels mit gegnerischen Trainerbänken in den Clinch geriet und seinen Trainerkollegen nach den Partien den Handschlag verwehrte. Auch vereinsintern war der 'Junge aus dem Ruhrgebiet' nie unumstritten und sollte - nach Informationen unserer Redaktion - bereits nach dem Hinspiel gegen den SV Waldhof entlassen werden. Das sensationelle torlose Remis von neun Lautrern gegen elf Mannheimer und die anschließende Erfolgsserie sicherten dem Trainer nicht nur die Herzen der Fans, sondern zunächst auch den Job. Die Skepsis im FCK-Beirat blieb. Eine vom Trainer und seinem Berater selbst vorgeschlagene vorzeitige Vertragsverlängerung wurde von Vereinsseite abgelehnt. Es ist anzunehmen, dass Antwerpen unabhängig des Saisonausgangs den Verein hätte verlassen müssen.
Überraschend an der Demission des Trainers ist letztlich der Zeitpunkt, nicht aber die Tatsache selbst. Schließlich klang die Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel in Köln bereits wie eine persönliche Abschiedsrede. Dort resümierte Antwerpen in einem Monolog ungefragt sämtliche Verdienste seines Trainerteams aus den letzten 15 Monaten und dankte noch einmal ausführlich den Fans für ihre Unterstützung.
Sportlicher Abwärtstrend unübersehbar
So beeindruckend die Saison der Roten Teufel zeitweise auch war, betrachtet man die letzten zehn FCK-Spiele, dann kommt der sportliche Einbruch nicht von ungefähr. Auf der Habenseite stehen lediglich zwei klare Siege gegen die schwachen Abstiegskandidaten Duisburg und Havelse sowie der spektakuläre Derbysieg gegen Saarbrücken. Auch der am Ende glückliche 2:1 Auwärtssieg in Würzburg ging noch in Ordnung. Bei der Niederlage im Grünwalder Stadion und dem glücklichen Unentschieden in Freiburg präsentierten sich die Lautrer wiederum erschreckend blutleer. Der Auswärtssieg in Osnabrück lässt sich auch heute noch getrost als 'unverdient' bezeichnen. Das war zum jeweiligen Zeitpunkt soweit noch akzeptabel - schließlich gilt die 3. Liga als unberechenbar. Und auch für schmutzige Siege gibt es drei Punkte. Allerdings fallen die letzten drei Partien in die Kategorie 'unerklärlich schwach': In allen drei Spielen fehlte schlichtweg die richtige Einstellung. Im Heimspiel gegen die Borussia Dortmund II wurden doe Roten Teufel zudem regelrecht vorgeführt.
Hinzu kommt, dass es immer wieder Klagen über die Umgangsweisen Antwerpens gegenüber seinen Spielern gab. Solange sich der Erfolg einstellte, dürfte darüber hinweg gesehen worden sein. Zuletzt wurden dann auch Spieler wie Felix Götze und vor allem Maximilian Hippe aus dem Kader gestrichen - der kampfstarke Kapitän Jean Zimmer wurde trotz seiner Rückkehr in den Kader meist ignoriert. Eigentliche Leistungsträger wie Boris Tomiak, Philipp Hercher und Mike Wunderlich mutierten dagegen unerklärlicherweise zu Totalausfällen. Die letzten drei Spiele haben nicht erkennen lassen, was auf einen positiven Ausgang der Relegation schließen könnte. So gesehen ist die Entscheidung, das Trainergespann kurz vor den beiden Entscheidungsspielen zu wechseln, durchaus nachvollziehbar, wenn nicht sogar überfällig. Am Ende geht es vor allem um das harte 'Fußball-Business' - ein Aufstieg in Liga zwei würde dem FCK neue finanzielle Möglichkeiten eröffnen.
Kann Aufstieg, kann Relegation: Dirk Schuster
In Situationen wie diesen werden in der Regel Trainer gehandelt, die zunächst einmal verfügbar sind, da sie erst kürzlich in einer der ersten drei Ligen ihren Job verloren haben. Entschieden haben sich die FCK-Verantwortlichen letztlich überraschend für Dirk Schuster, der bereits seit rund einem Jahr vereinslos ist.
Als Trainer des SV Darmstadt 98 schrieb der gebürtige Chemnitzer in den Jahren 2012 bis 2016 eine sagenhafte Erfolgsgeschichte. Mit seinem Team schaffte er nicht nur den Durchmarsch von der 3. Liga in die Bundesliga, sondern dort auch noch den sensationellen Klassenerhalt. In Erinnerung bleiben dabei das wohl dramatischste Relegationsduell der Drittligageschichte sowie der Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 2015, als die Lilien den 1. FC Kaiserslautern quasi auf der Zielgeraden noch überholten. Bei seiner anschließenden Station, dem FC Augsburg, hatte Schuster keinen Erfolg und auch die Rückkehr ans Böllenfalltor war eher als durchwachsen zu bewerten. Zuletzt trainerte er den FC Erzgebirge Aue in der 2. Liga. Dort gelang es ihm zwei Jahre lang, den Verein fern jedweder Abstiegssorgen auf einen sicheren siebten und elf Tabellenplatz zu bringen. Das war für Auer Verhältnisse sicherlich nah am Optimum.
Licht am Fahrrad bzw. am Ende des Tunnels
Nun stehen die Relegationsduelle mit Dynamo Dresden an, dem einzigen deutschen Proficlub, der im Jahr 2022 noch sieglos ist. Die Sachsen werden sich nach dem Lautrer Trainerwechsel fragen, was genau und welche spielerische Idee sie nun vom FCK erwarten dürfen. Entscheidend für einen Erfolg der Roten Teufel dürfte die Mentalität sein. Zunächst muss Schuster das Vertrauen der Spieler gewinnen und ihnen im zweiten Schritt die Leidenschaft und das Selbstvertrauen zurückgeben, welches sie bis vor kurzem noch auszeichnete. Er muss Antwerpens Vertraute wie Mike Wunderlich und René Klingenburg auf seine Seite bekommen oder aussortieren. Gleichzeitig werden Spieler wie Jean Zimmer, Max Hippe, Nicolas Sessa oder Dominik Schad garantiert heiß darauf sein, wieder eine Chance erhalten zu dürfen.
Aller medialen Endzeitstimmung zum Trotz: Der FCK kann noch immer aufsteigen. Auch nach drei Niederlagen in Folge kann der Verein das perfekte Saisonergebnis erzielen. Dafür braucht er allerdings die volle Unterstützung des Publikums.
Quelle: Treffpunkt Betze
Quelle: Treffpunkt Betze