Kein Rückstand kann uns stoppen

Foto: Imago Images / Jan Hübner

Über den deutschen Nationalspieler Günter Netzer schrieb einst der Literaturkritiker Karl-Heinz Bohrer, dass dessen Pässe den Geist der Utopie atmen würden. Die Pässe des 1. FC Kaiserslautern im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig erstickten hingegen in Dystopie. Denn mit dem Aufsteiger aus Niedersachsen war zum ersten Mal in dieser Zweitligasaison eine Mannschaft zu Gast, die den Roten Teufeln den Ball überließ. Und da der FCK damit nicht umgehen kann, gab es in feinster Netzer-Manier viele Pässe aus den Tiefen des Raumes, die leider jedoch meistens im Nichts des Raumes versandeten. Wenn bei einer solchen Regenpartie überhaupt noch von Sand gesprochen werden kann.

Vom Regen in die Traufe


Fünf Mal punkteten die Lautrer in dieser Saison bereits nach einem Rückstand. Ist es daher nicht ärgerlich, immer in Rückstand zu geraten? Geschäftsführer Thomas Hengen erklärte dazu im Sky-Interview schmunzelnd seinen Standpunkt: „Ja, aber dann wären wir ja eine Spitzenmannschaft.“ An diesem 10. Spieltag hat der FCK gezeigt, dass er definitiv keine Spitzenmannschaft ist, sich jedoch ernste Hoffnungen machen kann, eine Saison ohne das spürbare Abstiegsgespenst im Rücken zu spielen. Denn wenn eine Mannschaft nach sechs Rückständen noch mit Punkt(en) vom Platz gehen kann, gehört sie nicht in die Niederungen einer Zweitliga-Tabelle. Aber nun Spiel. Auf geht's.


Auf dem Betzenberg, im Fritz-Walter-Stadion und bei Fritz-Walter-Wetter trafen sich im Aufsteigerduell zwei Mannschaften, die wenig Wert auf ballbesitzorientierten Fußball legen, zu einem romantischen Rendezvous. In der ersten Hälfte wusste niemand auf dem Platz recht genau, wie er den Ball am besten in die Füße des Gegners zu spielen hat - seien es lange Bälle auf Terrence Boyd, die von Jean Zimmer, Phillip Klement oder Marlon Ritter geschlagen wurden, oder Kurzpässe von Kenny Prince Redondo auf Hendrick Zuck und umgekehrt. Der FCK wie auch Eintracht Braunschweig waren bemüht, in Umschaltsituationen und Konter zu kommen. Um solche Szenen jedoch ausnutzen zu können, sollte wenn möglichst die gegnerische Mannschaft den Ball haben. Ein Trauerspiel für fußballerische Feingeister - und ein gewohnter Anblick, wenn man mit den Roten Teufeln durch vier Jahre Magenta Sport gegangen ist. Besonders Kapitän Jean Zimmer wirkte in Halbzeit eins was Ballannahmen und Pässe angeht, sehr unglücklich. Sein Einsatz in der Defensive gleicht das zwar über weite Strecken aus, doch besonders in der ersten Halbzeit spielten die Pfälzer fast ausschließlich über die linke Seite, die von Zuck und Redondo beackert wurde. Weltmeister Erik Durm und sein Frontmann Zimmer wurden dahingehend ignoriert.

Fußballerischer Leckerbissen: Fehlanzeige


Es folgten 45 Minuten Abwehrschlacht ohne Angriff. Wie sowas geht? Durch lange Bälle auf Terrence Boyd und Anthony Ujah, in der Hoffnung, dass einer der beiden einen Ball halten oder direkt weiterleiten kann. Selbst wenn sich eine der beiden Mannschaften in die Nähe des gegnerischen Sechzehners spielte, endete der Angriff meist in einem hohen Ball oder einer einer Ecke. Der bereits angesprochene Braunschweiger Stürmer Ujah köpfte in der ersten Hälfte übrigens einen sehenswerten Kopfball in den Winkel. Glücklicherweise wurde das Tor zurecht aberkannt. Wer so lange in der Luft stehen kann, muss eben einen Boris Tomiak als Leiter benutzt haben - und das ist Teufel sei Dank nicht zulässig.


Nach der Halbzeit dann wieder der neu FCK 'Marke 22/23'. Zunächst ein Rückstand nach einer Standardsituation. In diesem Falle sorgte allerdings kein Eckball oder reingezirkelter Freistoß für das Gegentor. Ein Flachpass von der Mittellinie in den leeren Raum, der mit zwei leichten Ballkontakten zwischen Kevin Kraus und Boris Tomiak landete und letztendlich auch im Tor. Doch echte Lautrer Fans wissen: Rückstände auf dem Betzenberg sind in diesem Jahr nur temporär. Und so stellte Tomiak das Spiel eine Minute später wieder auf null, beziehungsweise auf 1:1 Unentschieden. Dass das Spiel dann auch 1:1 endete, lag an einem unglücklichen Terrence Boyd, einem glänzend parierenden Jasmin Fejzic und einem Gegner, der dem FCK in der letzten halben Stunde den Ball vollständig überließ.


Ein Spiel ohne Rückstand wäre doch ganz schön


Was also mitnehmen aus diesem fünften Unentschieden in Folge? Die Roten Teufel schaffen es zwar, besseren Teams zwei Punkte vorzuenthalten, kommen gegen schlechtere Mannschaften jedoch nicht in die Position, ein Spiel zu dominieren und ruhig nach Hause zu bringen. Zum ersten Mal in dieser Saison gelang es der Mannschaft von Cheftrainer Dirk Schuster, eine gegnerische Mannschaft im eigenen Sechzehner einzuschnüren. Doch ohne Erfolg. Spieler wie Redondo oder Hercher brauchen Platz, um ihre Stärken ausspielen zu können. Im besten Fall spielen sie dabei keine Bälle aus der 'Tiefe des Raumes', sondern starten ihre Sprints aus eben jener Tiefe. Wo Netzers Pässe Utopie atmeten, ist es beim FCK derzeit das Spektakel, die Konter, die wahnsinnigen Fans, die diesen Verein und seine Spielweise ausmachen. Nur zwei andere Zweitligisten in Europa haben einen höheren Zuschauerschnitt als die frisch aus Liga drei angereisten Lautrer.


Und die haben seit fünf Spielen zwar nicht mehr gewonnen, aber auch seit sechs Spielen nicht mehr verloren. Von daher mag man zwar von zwei verlorenen Punkte gegen Braunschweig sprechen, doch insgesamt spielt der 1. FC Kaiserslautern eine fantastische Aufstiegssaison. Diese könnte nur noch besser laufen, wenn gegnerische Mannschaften aufhören würden, den Pfälzern den Ball zuzuspielen. Dank diesem ballbesitzfernen Fußball werden die Feingeister und Rasen-Philosophen mit dem FCK wahrscheinlich nicht mehr warm. Doch wenn man ehrlich ist, waren sie das noch nie. Wobei schon Jean-Paul Satre, der größte aller fußballerischen Feingeister, das heutige Spiel in seiner Kritik der dialektischen Vernunft überraschend gut beschrieb: "Beim Fußball kompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft." Wie wahr. Wie wahr.

Betze Inside: Datenanalyse zu #FCKEBS


Statistisch betrachtet haben die Roten Teufel im Heimspiel gegen Braunschweig eher zwei Punkte verloren als einen gewonnen. Der FCK dominierte die Gäste aus Niedersachsen weitgehend und ließ bis auf das Gegentor kaum Chancen zu. Hinzu kamen eigene hochkarätige Großchancen (v.a. durch Boyd) und zwei Abschlüsse, die auf der Linie geklärt wurden. Der xG-Plot (Abb. 2, 3) zeigt, dass die Lautrer über die gesamte Spieldauer hinweg deutlich mehr Chancen zu verzeichnen hatten und bereits zur Pause hätten führen müssen. Allerdings blieb eine große Schlussoffensive aus, sodass der Sieg nicht erzwungen werden konnte.



Grafiken: Darstellung von Betze Inside (Instagram / Twitter)


Quelle: Treffpunkt Betze


Quelle: Treffpunkt Betze


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Antworten 25

  • Das schlechteste an diesem Spiel sind die unterirdischen Kommentare hier im Forum.

    Wir waren heute, bei schwierigen Bedingungen, die bessere Mannschaft, hatten 2x Pech das noch einer auf der Linie klären konnte.

    Der Sieg wäre mehr als verdient gewesen doch es hat nicht sollen sein. Mit nur einer Niederlage nach 10 Spieltagen (darunter 5 Mannschaften die vor uns stehen) haben wir mehr als einen guten Start hingelegt.

    Gefällt mir 2 Danke 2
  • Ich schließe mich deiner Meinung vorbehaltlos an.


    Dennoch musst du solche Spiele Zuhause einfach gewinnen...egal wie. Gegen direkte Mitkonkurrenten um den Abstieg müssen die Punkte zwingend auf dem Berg bleiben


    Nächste Woche rechne ich mir zB überhaupt nichts aus...und das ist auch vollkommen ok, da bin und bleibe ich Realist. Wir müssen uns nicht an den HSV's der Liga messen. Wenn dort was zu holen ist, ist das toll. Wenn nicht, dann ist dies auch ok.


    Der Anspruch muss aber dennoch sein, gegen Mannschaften auf Augenhöhe dreifach zu punkten, v.a Dingen Zuhause.


    Dennoch muss man mit dem Punkt heute zufrieden sein und weiter hamstern. Wir haben erst ein Spiel verloren, das muss auch mal mehr als betont werden! Ergo ist die Mannschaft intakt und in der Lage in der Liga mitzuhalten .


    Dennoch: Die Punkte gegen den Abstieg müssen primär Zuhause geholt werden. Und deshalb wiegt ein heutiger bitterer Beigeschmack mal wieder mit.

    Gefällt mir 2
  • Alles richtig!!….. und doch erinnere ich mich an Abstiegsjahre in denen wir zwar kaum verloren aber auch nur ständig Unentschieden spielten. Es reicht einfach nicht denn es bedeutet bei drei Spielen soviel wie zweimal verloren und einmal gewonnen! ….. immer in Rückstand ist auf Dauer auch kraftzehrend . In der Abwehr muss schleunigst was passieren. …. Kein Spiel ohne Gegentor ist wirklich schlecht und birgt einfach hohes Risiko

  • Nach dem heutigen X gegen Braunschweig steht für mich fest, dass wir zu Hause einfach zuviele Punkte liegen lassen. Die Saison ist jetzt 10 Spieltage alt und dieses gebetmühlenartige erinnern wie demütig wir als Aufsteiger nicht sein sollen wird mir langsam zu viel. Lieber gewinne ich aus den letzten 5 Spielen die 2 Heimspiele gegen Magdeburg und Braunschweig und verliere dafür meinetwegen die anderen 3 Spiele.


    Was ich damit sagen will: Mit diesen ständigen Punkteteilungen wiegt sich die Mannschaft in einer gefährlichen Sicherheit. Die Selbstzufriedenheit geht mir einfach zu weit. Die Tabelle rückt nach unten immer enger zusammen und der gute Saisonstart wird durch wöchentliche Unkonzentriertheiten geopfert.


    Neben dem Einsatzwillen der zweifelsohne da ist, brauchen wir spätestens im nächsten Heimspiel dringend einen Dreier.


    Das Spiel in Hamburg sehr ich dagegen als Bonusspiel mit geringen Erwartungen!

  • Wer demütig agiert empfindet die bisher erzielten Punkte nicht als selbstverständlich; Selbstzufriedenheit sieht für mich anders aus und habe ich auch auf dem Platz bisher nicht gesehen. Beim Gegentor pennen wir komplett, als der Freistoß gespielt wurde waren wir bereits nur noch in der Zuschauerrolle und da sehe ich den Fehler hauptsächlich im Mittelfeld und nicht in der Abwehr. Ansonsten haben wir das (von mir) erwartete Spiel gesehen mit zwei Teams, die ähnlich agieren. Ärgerlich heute waren die Szene zum Gegentor und die völlige Ineffektivität bei den Abschlüssen. Ich freue mich nicht über den Punkt, denn es war mehr drin. Aber ich freue mich, dass wir einen direkten Konkurrenten auf Abstand gehalten haben.

    Gefällt mir 4 Danke 1
  • Sebastian

    Dem kann ich voll zustimmen.


    Ich bin immer noch sehr froh, über das bis jetzt erreichte - für ein Team das es „nur“ via Relegation geschafft hat, nicht selbstverständlich

    Und dennoch meine ich wie du, es war mehr drinnen.

    Das Pennen bei Gegentoren ist leider aktuell beim FCK eine arte Roter Faden geworden.



    Noch sind es 25 Pkt zu gehen.

    Meine Hoffnung war es, dass wir am 17 ST 22-24 Punkte haben! Das ist noch drinnen.

    Gefällt mir 1
  • Noch sind es 25 Pkt zu gehen.

    Meine Hoffnung war es, dass wir am 17 ST 22-24 Punkte haben! Das ist noch drinnen.

    Sogar mit nur noch Remis... :P

  • Ich muss zugeben das ich gestern fest mit einem Dreier gerechnet habe, wäre auch verdient gewesen aber davon kann man sich nix kaufen.

    Ich bin zwar glücklich über die Punkteausbeute aber über das Spiel gestern nicht.

    Da hätte man etwas energischer zur Sache gehen müssen dann wären drei Punkte eingetütet worden.

    Es besteht immer die Gefahr das auch mal eine Negativserie kommt und ruck zuck hängst du unten drin.

    Ich glaube zwar nicht das uns dies passiert aber die Runde ist noch verdammt lang.

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  • es interessiert primär der Abstand zu Rang 16, nichts anderes...und der schmilzt..ich hätte auch keine 15 Punkte erwartet, gebe ich gerne zu , wenn wir mit 22 Plus in die Winterpause gehen sind wir im Soll---


    es muss aber genauso erlaubt sein, Dinge zu kritisieren , die nicht funktionieren anstatt sich Platz 7 vor Augen zu halten :


    * durch Unkonzentriertheiten wurden die Aufholjagden wieder zu Nichte gemacht....,

    * gegen Gegner auf Augenhöhe wird meiner Meinung nach zu defensiv aufgestellt

    * es wird der Name der Leistung vorgezogen, Zimmer gehört derzeit einfach nicht in diese Mannschaft..


    es hätten locker 6 Punkte mehr sein können bis dato, und wir wissen nicht welche Mannschaft in der Winterpause noch nachlegen kann..


    wir haben keinen zweitligatauglichen zweiten Stürmer, und es fehlt einer mit Geschwindigkeit für die Abwehr..


    ich hoffe das Opoku einschlägt und Zolinski fit wird und bleibt, dann sähe es besser aus ...nur Boyd wird nicht reichen..

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  • Ob man am Ende überhaupt 40 Punkte benötigt wird man sehen. Vielleicht reichen sogar 35.


    Jetzt zählt erstmal Hamburg... Und da kann man von mir aus das 6. Remis in Folge einfahren.


    Danach kommt Regensburg... Da sollte man wieder mal einen Heimsieg einfahren können.

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