Ganz Fußballdeutschland freute sich auf dieses traditionsreiche Duell. Nachdem der Hamburger SV vor heimischer Kulisse im Relegations-Rückspiel Hertha BSC unterlag, stand nur einen Tag später das letzte Spiel der Saison 2021/22 an. Nach einem packenden, aber ereignislosen 0:0 Unentschieden im Hinspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und der SG Dynamo Dresden mussten die Männer in Rot im Rückspiel unter Beweis stellen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind.
Ein irres Jahr mit einem traurigen Abgang
Doch das der FCK überhaupt ein Wörtchen im Aufstiegsrennen mitzureden hatte, war nach dem Saisonstart alles andere als selbstverständlich. Nach dem Last-Minute Klassenerhalt im Jahr zuvor durften Marco Antwerpen und Frank Döpper die Mannschaft in die neue Spielzeit 2021/2022 führen. Doch bereits nach sieben Spieltagen befand sich das Team wieder im Tabellenkeller – mit der Konsequenz, dass die ersten bereits am Trainerstuhl sägten. Erst der gefühlte 0:0 Sieg in doppelter Unterzahl gegen den SV Waldhof Mannheim leitete die Kehrtwende und die unvorstellbare Aufholjagd ein. Doch die Fassade der scheinbar heilen FCK-Welt begann kurz vor Saisonende zu bröckeln. Die Pfälzer verloren die letzten drei Partien, verspielten Rang zwei und Ante musste seine Koffer packen. Den Aufstieg über die Relegation sollte nun Trainer-Routinier Dirk Schuster schaffen, doch ihm und seinem Team blieb nicht viel Zeit.
Showdown in Dresden – Erinnerungen an 2013
Dabei war den Lautrern der umstrittene Relegationsmodus bestens bekannt. Im Jahr 2013 unterlagen die Roten Teufel als Zweitligist in beiden Spielen gegen die schon damals prominent besetzte TSG Hoffenheim und verpassten somit den Aufstieg in die Bundesliga.
Nach dem unspektakulären 0:0 Unentschieden im Hinspiel hieß es nur vier Tage später: Do or die. Aufstieg oder ein weiteres Jahr dritte Liga. FCK-Pressesprecher Stefan Roßkopf sprach von einer unzumutbaren körperlichen Anspannung im Vorfeld des wohl wichtigsten Spiels seit vielen Jahren. Jedem war klar, was für den Verein und die ganze Region auf dem Spiel stand. Würde man den Aufstieg verspielen, wäre vor allem der von Geschäftsführer Sport Thomas Hengen eingeleitete Trainerwechsel in die Kritik geraten – und auch Dirk Schuster hätte nach nur zwei Spielen seinen Kredit verloren. Apropos Dirk Schuster: Eines hatte der Trainerfuchs seinem Kollegen Guerino Capretti voraus, nämlich Erfahrung im Aufstiegskampf.
Um die Geschlossenheit innerhalb der Mannschaft zu stärken, bekam jeder Spieler ein Armbändchen, versehen mit einem Inuit und den Initialen eines Teamkollegen. Ein Trick, den Schuster bereits erfolgreich beim SV Darmstadt anwandte.
Schlechtes Omen: Drei ehemalige Lautrer auf Seiten der Hausherren
Im ausverkauften Rudolf-Harbig-Stadion pushten die rund 3000 mitgereisten FCK-Fans mit einer wunderschönen Choreographie ihre Mannschaft ans Limit, im heimischen Fritz-Walter-Stadion fieberten rund 8000 Fans vor zwei großen Videowänden auf der Nordtribüne mit. Die Roten Teufel starteten in einem 4-2-3-1 mit Mike Wunderlich als kreativen Spielmacher und Terrence Boyd als Sturmtank in der Spitze. Die Dresdner agierten mit Chris Löwe, Brandon Borrello und nach einer halben Stunde auch mit Oliver Batista Meier. Drei Spieler, die ihrem ehemaligen Arbeitgeber nur zu gerne in die Suppe spucken wollten. Schnell übertrug sich die großartige Stimmung von den Rängen auf beide Teams, von einem vorsichtigen Abtasten war von Beginn an nichts zu erkennen. Beide Mannschaften marschierten mutig nach vorne, am Ende von Halbzeit eins hatte Dynamo ein leichtes Chancenplus.
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Hanslik trifft und plötzlich lebt der Traum vom Aufstieg
Die zweite Hälfte begann vergleichsweise harmlos und es dauerte rund zwanzig Minuten bis zur ersten Chance. Nach einem Eckball von der rechten Seite setzte sich Hüne Terrence Boyd im Duell gegen Sollbauer durch und köpfte aufs rechte Eck, doch SGD-Keeper Kevin Broll verhinderte mit einer Glanztat den Einschlag. Doch nur wenige Augenblicke später rollte der FCK-Express erneut in Richtung des gegnerischen Tores. Marlon Ritter schlug einen gekonnten Außenrisspass auf Mike Wunderlich, der mit all seiner Erfahrung Gegenspieler Sollbauer mit einem Kurzpass auf Daniel Hanslik täuschte. Hanslik konnte sich den Ball dadurch unbedrängt zurechtlegen und abziehen. Kevin Broll touchierte den Ball zwar noch mit seiner rechten Hand, konnte den Führungstreffer aber nicht mehr verhindern. Im Gästeblock und in der kompletten Pfalz gab es kein Halten mehr. Dynamo Dresden wurde plötzlich Gast im eigenen Stadion. Aus Sicht des FCK sollte sich die verbleibende Spielzeit jedoch wie eine Ewigkeit anfühlen.
Dresden haut nochmal alles rein
Mit der Unterstützung ihrer schwarz-gelben Wand legten die Hausherren nochmal mehrere Gänge zu und kamen dem Ausgleich verdächtig nahe. Doch dem Druck der Dresdner zum Trotz brachten die Roten Teufel irgendwo einen Fuß dazwischen oder Matheo Raab, der stark parierende Schlussmann war zur Stelle. Freistöße und Eckbälle segelten kreuz und quer durch den Lautrer Strafraum - jedoch ohne Erfolg, der durchaus verdient gewesen wäre. Die schwächste Offensive der zweiten Bundesliga biss sich die Zähne an der besten Defensive der dritten Liga aus. In der 80. Minute versiebte erst der freistehende Boyd die Vorentscheidung auf klägliche Art und Weise, ehe Matheo Raab mit der wohl bisher wichtigsten und besten Parade seiner Karriere einen Schuss von Dresdens Vlachodimos abwehrte.
Die Entscheidung
„Stehle auf Hercheeeeeeeeer. 2:0. Die Entscheidung“, tönte es Minuten später aus dem TV-Gerät. Ein genial ausgespielter Angriff gegen inzwischen müde Hausherren sorgte für die Entscheidung kurz vor Abpfiff der Partie. Da war allen klar: DER FCK IST WIEDER DA!
Doch während die Roten Teufel noch jubelten, flogen Raketen und Bengalos aus dem gelben Fanblock auf den Rasen. Schiedsrichter Daniel Siebert blieb nichts anderes übrig, als die längst entschiedene Partie zu unterbrechen. Währenddessen stürmten in Kaiserslautern euphorisierte Fans den Platz des Fritz-Walter-Stadions, teilweise sogar nur in Unterwäsche.
Als dann Minuten später doch noch der Schlusspfiff ertönte, war die Rückkehr des 1. FC Kaiserslautern in die zweite Bundesliga perfekt. Spieler und Verantwortliche lagen sich in den Armen, Kapitän Jean Zimmer schwenkte eine riesige Fahne mit dem Schriftzug Hasemann unvergessen - in Erinnerung an den verstorbenen Vorsänger der Westkurve. Die über Jahre vorherrschende Lücke zwischen Mannschaft und Fans war mit diesem historischen Tag endgültig geschlossen worden.
Quelle: Treffpunkt Betze
SG Dynamo Dresden – 1. FC Kaiserslautern (0:2)
Dresden: Broll – Becker ('80 Drchal) – Sollbauer – Knipping – Löwe – Stark ('30 Batista Meier) – Kade – Diawusie ('46 Vlachodimos) – Weihrauch ('68 Borrello) – Königsdörffer – Daferner
Trainer: Guerino Capretti
Kaiserslautern: Raab – Zimmer – Kraus – Tomiak – Zuck ('69 Schad) – Ciftci ('72 Niehues) – Ritter – Hercher – Wunderlich ('69 Redondo) – Hanslik ('88 Stehle) - Boyd
Trainer: Dirk Schuster
Tore: 0:1 Hanslik ('59), 0:2 Hercher ('92)
Zuschauer: 30.530 (ausverkauft)
Quelle: Treffpunkt Betze