Terrence Boyd: „Müssen unsere Fanpower weiter ausnutzen“ (2/2)

Foto: Imago Images / Zink

Im ersten Teil unseres ausführlichen Interviews mit Lauterns Stürmer Terrence Boyd sprachen wir mit dem 32-Jährigen über besondere Spiele und Betze-Highlights, die Besonderheit der FCK-Fans, persönliche Rückschläge und Drucksituationen. Im zweiten Teil spricht der gebürtige Bremer über seine Entscheidung zum FCK zu wechseln, sein eigenes Wirken auf dem Betzenberg, den Mythos vom schwierigen zweiten Jahr nach dem Aufstieg und den gesellschaftlichen Umgang mit Rassismus.

„Den Aufstieg kann uns keiner mehr wegnehmen“


Treffpunkt Betze: Du bist jetzt seit rund anderthalb Jahren ein Roter Teufel. Eine Zeit, in der es für den Verein fast ständig bergauf ging und du es in rekordverdächtiger Geschwindigkeit geschafft hast, zu einer Identifikationsfigur zu werden. Wie bewertest du dein bisheriges Wirken am Betzenberg?


Terrence Boyd: Ich empfinde meine bisherige Zeit in Kaiserslautern einfach als schön. Ich bin glücklich, dass es so gekommen ist, wie es nun ist. Bevor ich hierhergekommen bin, hatte ich meine Bedenken, ob ich das alles noch schaffe. Ich bin ja schon irgendwo eine faule Socke. Jetzt hatten wir wieder Läufe in der Vorbereitung, ich fühlte mich auf gut deutsch gesagt irgendwie zu fett und zu alt für den Kram (lacht). Dann habe ich mich aufgerappelt und die Herausforderung angenommen. Die erste Bürde war damals, den Aufstieg zu realisieren. Heute kann ich sagen, ich habe meinen Teil dazu beitragen können, was aber beispielsweise im Relegationsrückspiel auch anders hätte enden können. Da habe ich völlig freistehend die Entscheidung versemmelt und im Gegenzug hätte Dynamo ausgleichen können. Heute kann man darüber lachen, aber das wäre dann vielleicht ganz anders gelaufen. Es ist einfach immer ein wenig die Fügung. Es sollte so kommen, wie es gekommen ist.


Treffpunkt Betze: Man könnte meinen, diese Fügung hätte zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden können.


Terrence Boyd: Zwei Jahre zuvor war der FCK auch schon an mir dran und ich wäre damals auch gerne gewechselt. Aber der HFC (Anm. der Redaktion: Hallescher FC) hat mich nicht ziehen lassen, weil ich dort einen Vertrag hatte. Wäre ich damals schon gekommen, wäre das vielleicht auch nicht alles so gelaufen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich dann letztlich wechseln konnte, hat einfach alles gepasst und es sollte wohl so sein. Die Dinge haben sich so entwickelt, dass ich, wenn ich in zehn oder 20 Jahren mal aufgehört habe und den FCK in der Bundesliga spielen sehe, weiß, dass ich einer dieser Bauarbeiter war, der den Weg mitgeebnet hat. Den Aufstieg und die Rückkehr in die zweite Liga kann uns als Mannschaft und Verein keiner mehr wegnehmen, darauf können wir alle stolz sein. Das ist ein sehr schönes Gefühl und nun gilt es in Ruhe zu schauen, was die Zukunft so bringt.


Treffpunkt Betze: Nach drei Jahren in Halle wollten du und deine Familie in der Heimat deiner Frau, die aus Heidelberg stammt, ansässig werden. Was gab letztlich den Ausschlag, dass es Kaiserslautern wurde und nicht etwa Mannheim, was ja noch näher an Heidelberg liegt?


Terrence Boyd: Der Kontakt zum FCK kam ja schon unter Boris Schommers und Boris Notzon zu Stande. Damals musste ich respektieren, dass Halle mich nicht hat gehen lassen, was völlig ok war. Ab dem Zeitpunkt war ich aber schon so ein bisschen darauf geprägt, wenn ich noch mal etwas Anderes machen würde, dass es hier in Kaiserslautern sein sollte. Es passte nicht nur mit dem FCK, es passt auch familiär. Ich habe zwei Kinder, die Große kommt jetzt im Sommer in die Schule. Und ich wollte meiner Familie einfach nicht mehr zumuten, ständig irgendwo anders hinzuziehen, was nun Mal das Ergebnis ist, wenn Du so einen Zirkusjob hast wie ich. Ich bin unter der Saison schon genügend unterwegs und so sitzen meine Frau und meine Kinder dann wenigstens nicht die ganze Zeit allein da, sondern sind im Kreis unserer Familie und Freunde. Es passt jetzt einfach, die Kinder müssen nicht mehr aus ihrem Umfeld herausgerissen werden und deswegen war es einfach perfekt. Seit dem ersten Kontakt zum FCK hat man sich auch nicht mehr aus den Augen verloren und dann war ich entsprechend froh, dass es zwei Jahre später doch noch geklappt hat.

„Nach einem Transfer vermisst man jeden einzelnen auf seine besondere Art“


Treffpunkt Betze: Wie in eigentlich jeder Transferperiode verändert sich auch dieses Mal das Gesicht der Mannschaft. Neue Spieler kommen und andere Spieler gehen. Euch eilt der Ruf einer sehr eingeschworenen Gemeinschaft voraus. Wie nimmst du solche Veränderungen innerhalb des Kaders wahr?


Terrence Boyd: Ja, das stimmt. Wir sind tatsächlich eine sehr eingeschworene Truppe. Irgendwie hat sich jeder hier so ein bisschen verewigt, jeder halt aber auch anders. Der eine ist einfach der lustige Typ, der andere treibt die Mannschaft an, auf den Nächsten kannst Du zählen, wenn wir spielen, der Nächste wiederum ist eine feste Größe, wenn gefeiert wird. Es sind schon sehr viele tolle Charaktere und Typen hier, was eine Mannschaft ja auch ausmacht. Es gibt immer solche und solche, du willst keine 25 gleichgepolten Leute haben. Nach einem Transfer vermisst man jeden Einzelnen auf seine besondere Art, aber so ist nun mal das Geschäft. Wir schauen einfach, dass jeder, der neu dazukommt, schnellstmöglich integriert wird. Wir schauen, wie er uns am besten helfen kann und was wir für ihn tun können.


Treffpunkt Betze: Und das gelingt euch ausnahmslos?


Terrence Boyd: In der Zeit, in der ich hier bin, habe ich noch niemanden erlebt, der irgendwie abgehoben wäre oder nicht bereit war, sich zu integrieren. Wir haben mit Erik Durm beispielsweise einen Weltmeister oder mit Andy Luthe einen der deutschen Spitzentorhüter hier, aber keiner hat sich als etwas Besseres gesehen oder sich mal im Training rausgenommen. Wir ziehen alle an einem Strang und so wie es aussieht, wird das genauso weitergeführt. In dem Zusammenhang muss man den Kaderplanern auch mal Hochachtung aussprechen. Es geht ja nicht nur darum, einfach nur die besten Spieler zu holen, es muss auch menschlich passen. Das muss man erstmal scouten können, dazu gehört jede Menge Menschenkenntnis.


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Treffpunkt Betze: In wenigen Tagen startet ihr in die neue Spielzeit. Es gibt diesen Mythos vom schwierigen zweiten Jahr. Was macht dich zuversichtlich, dass der FCK auch in der kommenden Saison nichts mit dem Abstieg zu tun haben wird?


Terrence Boyd: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu beantworten, weil der Kader noch nicht komplett ist. Das Wichtigste ist aber schon einmal, dass der Kern der Mannschaft zusammengeblieben ist, die Stützen sind nach wie vor da. Du weißt, was Du von den Spielern, die da sind, erwarten kannst und was nicht. Fakt ist aber, dass wir auch im kommenden Jahr die Liga nicht zusammenballern werden. Wir haben jetzt schon Spieler dazubekommen, über die wir uns sehr freuen und die uns besser machen. Jetzt schauen wir mal, wer noch so zu uns stößt. Ich selbst bin ja aber auch nur ein Puzzleteil in diesem Gesamtkonstrukt, deswegen fällt es mir jetzt auch schwer, mehr dazu zu sagen. Mit dem Abstieg wollen wir auf jeden Fall nichts zu tun haben, worum es ja auch im kommenden Jahr in erster Linie gehen wird. Wir wollen so oft und so schnell wie möglich punkten, so wie wir es letzte Saison auch getan haben. Die Liga ist nicht einfach.


Treffpunkt Betze: Und was braucht es in erster Linie, um bestehen zu können?


Terrence Boyd: Vor allem anderen steht immer harte Arbeit, dann gehört auch ein bisschen Glück dazu, dann werden wir vielleicht auch Serien erleben, wo ein paar Spiele lang nichts geht – wichtig ist und wird es sein, die Ruhe zu bewahren. Von den Fans aus, von uns aus. Wir müssen unsere Fanpower weiter ausnutzen. Wenn es schlecht läuft und wir werden ausgebuht, kann ich das voll verstehen, aber das zieht die eigene Mannschaft eher runter. Ich denke mir dann jedes Mal: "Nutzt doch lieber diese Power und pfeift den Gegner aus und zieht den runter". Es haben nicht viele Leute Bock hier hoch zu kommen und sich von 50.000 Zuschauern auspfeifen zu lassen, damit hilfst du als FCK-Fan Deiner Mannschaft eher weiter. Wir können diese Power alle zusammen nutzen, um Spiele in die richtige Richtung zu drehen. Wobei ich jetzt nur davon rede, wie es ist, wenn es nicht läuft. Dazu kommt es ja hoffentlich gar nicht erst. Als Mannschaft müssen wir einfach weiter wachsen, fußballerisch besser werden, vorne und hinten effektiver sein und den Zuschauern zeigen, dass da ein Team steht, das füreinander kämpft.

„Keiner von uns ist rassistisch veranlagt zur Welt gekommen“


Treffpunkt Betze: Während des Trainingslagers in den USA hast du in deiner Instagram-Story Streetart-Motive veröffentlicht, die sich mit George Floyd beschäftigen. Im Konkreten steckt dahinter eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung. Wie nimmst du die gesellschaftliche Auseinandersetzung einerseits und den Umgang mit Rassismus andererseits wahr?


Terrence Boyd: Hier in Deutschland ist es ja immer noch relativ entspannt. Ein gutes Gegenbeispiel sind vielleicht meine Tante oder mein Cousin in New York. Denen wurde beigebracht, wenn eine Polizeikontrolle stattfindet, die Hände immer auf zehn und zwei Uhr am Lenkrad zu halten, die Papiere parat liegen zu haben und keine ruckartigen Bewegungen zu machen. In Deutschland bringt Dir so etwas keiner bei, weil es nicht notwendig ist. Ich wurde hier in Deutschland auch schon des Öfteren rassistisch beleidigt. Es gab eine Zeit, da konnte ich selbst nicht so richtig greifen, wie schlimm das eigentlich ist. Es war aber nie so, dass ich mich in meinem Leben wirklich ernsthaft in Gefahr befunden hätte. In den USA ist das schon anders gelagert. Da wirst Du nicht nur von irgendwelchen Leuten auf der Straße bedroht, wenn die gerade Bock darauf haben, da können auch Polizisten durchaus eine Gefahr darstellen, wie die jüngere Historie und Fälle wie der von George Floyd leider gezeigt haben.


Treffpunkt Betze: Und wie erlebst du die Debatten hierzulande?


Terrence Boyd: In Europa erleben wir aber auch Veränderungen in der politischen Landschaft. Ich bin aber kein Politiker und auch nicht sonderlich tief in der Thematik, ich möchte mir zu den Gründen dafür kein Urteil anmaßen. Ich persönlich versuche einfach in meinem Alltag nach gesundem Menschenverstand zu handeln. Ich glaube, keiner von uns ist rassistisch veranlagt zur Welt gekommen. Ich selbst bin auch relativ entspannt, aber es ist schon krass, welche Ausmaße das mittlerweile alles annimmt. Gerade beim Beispiel von Kriegsflüchtlingen fehlt mir manchmal jegliches Verständnis für manche Standpunkte. Wenn heute in Deutschland ein Krieg ausbrechen würde, wäre es doch völlig klar, dass wir mit unseren Kindern und Familien nach Schweden, Norwegen oder sonst wohin flüchten würden, wo es ruhig ist. Grundsätzlich sollte jeder Mensch das Recht haben, in Sicherheit und in Freiheit zu leben.


Treffpunkt Betze: Du selbst hast für dich nach dem Vorfall in Rostock einen sehr reflektierten Umgang gefunden. Hast du eine Idee, wie wir uns hier als Gesellschaft im Kampf gegen Rassismus noch besser positionieren können? Und wie kann auch der Fußball dazu beitragen?


Terrence Boyd: Es ist nicht nur der Fußball, der dazu beitragen kann, es sind Mannschaftssportarten generell. Nichts ist besser geeignet, einen Einzelnen zu integrieren als ein Team, das ein gemeinsames Ziel verfolgt. Es ist völlig egal, ob das Handball oder Fußball ist, Sport verbindet immer. Ich bin unter anderem in Berlin aufgewachsen, da habe ich mit anderen Jugendlichen verschiedener Nationen Fußball gespielt. Meinst Du, wir hätten jedes Wort von dem verstanden, was da teilweise gesagt wurde? Wir haben uns über das Spiel verständigt, das war unsere gemeinsame Sprache. Und darüber hinaus findet man dann auch zusammen.

„Möchte mich davon freimachen, nur als Fußballer gesehen zu werden“


Treffpunkt Betze: Wagen wir abschließend noch einen Blick in die Zukunft: Mit inzwischen 32 Jahren muss man sich als Berufsfußballer natürlich auch allmählich auf die Zeit nach der aktiven Karriere vorbereiten. Unter anderem betreibst du gemeinsam mit Luis Schwabe seit Anfang Juni einen Podcast - ist das ein Bereich, in dem du deine persönliche Zukunft siehst?


Terrence Boyd: (lacht) Jetzt kommen die guten Fragen. „Weiter geht der Lachs“ heißt der Podcast und ihr solltet unbedingt alle mal reinhören. Aber im Ernst, meine persönliche Zukunft halte ich mir aktuell noch offen. Der Podcast hat sich so ein wenig ergeben und im Zuge dessen habe ich dann auch gemerkt, dass ich darin aufkeime und solche Dinge grundsätzlich gerne mache. Ich möchte mich generell ein bisschen davon freimachen, nur als der Fußballer gesehen zu werden. Ich rede auch gerne über andere Sachen. Das ist aber nur ein Hobby, Geld verdienen wir damit überhaupt nicht. Was ich aber später auf jeden Fall werden möchte, ist Jugendtrainer. Ich würde jungen Talenten auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben gern helfen, weil ich da auf meiner persönlichen Reise auch einiges erlebt habe und weiß, wie steinig der Weg manchmal sein kann. Alles Weitere, was kommen wird, muss man abwarten.


Treffpunkt Betze: Terrence, vielen Dank für das kurzweilige Gespräch. Wir wünschen dir und der Mannschaft eine erfolgreiche und vor allem verletzungsfreie Saison.


Quelle: Treffpunkt Betze


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Quelle: Treffpunkt Betze


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