Enis Hajri: "Kaderverplaner" oder Sündenbock?

Foto: Imago / Eibner

Unmittelbar nach dem letzten Hinrundenspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1. FC Köln folgte der Paukenschlag: Der Technische Direktor Enis Hajri wird den FCK auf eigenen Wunsch vorzeitig zum Jahresende verlassen. Damit muss die ohnehin sensible Winter-Transferperiode ohne die wohl umstrittenste Personalie der vergangenen Monate auskommen. Von der aktiven Fanszene wurde der 41-Jährige zum „Kaderverplaner“ erklärt. Doch was ist dran an dieser These?


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Ex-Spieler und Bobic-Protegé


Von 2012 bis 2014 stand Enis Hajri als Innenverteidiger beim FCK unter Vertrag, bevor er nach seinem Karriereende 2019 als Scout bei Eintracht Frankfurt unter Fredi Bobic anheuerte. Hier hat Hajri auch seine beruflichen Wurzeln: Talente entdecken, kleine Märkte bespielen und in Nischen agieren. Eine weitere Parallele zu Fredi Bobic bestand in Kaiserslautern auch darin, dass Hajri ähnlich wie in Frankfurt und Berlin mit wenig Kapital gute bis sehr gute Transfers tätigen konnte - aber sobald mehr Budget zur Verfügung stand, aber auch Fehlentscheidungen traf. Bobic spielte aber nicht nur in dieser Zeit eine wichtige Rolle im Leben des gebürtigen Marokkaners, der Ex-Stuttgarter empfahl dem jungen Hajri bereits 2009 den Wechsel in den Profifußball nach Bulgarien. Seinem Mentor folgte der ehemalige Lautrer von Frankfurt nach Berlin, wo er nur einen Monat nach dessen Rauswurf ebenfalls seinen Hut nahm. Nächste Station: Technischer Direktor an der Seite von Thomas Hengen.

Undurchsichtige Rollenverteilung


Es ist ein leidiges Symptom des modernen Fußballs: Jobbezeichnungen aus der Hölle. Sportdirektor, Sportchef, Manager, Direktor Fußball, Sportlicher Leiter, Technischer Direktor und so weiter. All diese Begriffe geistern durch die Vereine der Republik, ohne dass jemand so recht weiß, welche Aufgaben damit verbunden sind. Hajris konkreter Titel lautete Technischer Direktor Sport. Der Ex-Profi war vor allem für den Kader und dessen Planung zuständig, wobei die konkreten Zuständigkeiten eher intransparent kommuniziert wurden. Natürlich sind Transfers in Zeiten gigantischer Scoutingabteilungen immer das Produkt mehrerer Personen, aber auch deshalb ist die Beteiligung an konkreten Verpflichtungen schwer nachzuweisen. Und natürlich steht bei einem Transfer die gesamte Abteilung hinter der Entscheidung. Doch wie groß war der Einfluss von Enis Hajri tatsächlich? Darüber kann letztlich nur spekuliert werden.

Scouting à la Ben Manga


Was sich seit Hajris Amtsantritt auf jeden Fall verändert hat, ist die Ausweitung und Internationalisierung des Scouting-Netzwerks. Transfergerüchte und Verpflichtungen belegen diese Entwicklung insofern, als internationale Transfers wie die von Filip Kaloc und Daisuke Yokota - abgesehen von der finanziellen Seite - vor einigen Jahren noch undenkbar waren. Solche Verpflichtungen tragen die Handschrift von Ben Manga, die sich Enis Hajri in seiner Zeit bei Starscout zweifellos abgeschaut hat. Sie beschreiben auch die Marschroute der Transferabteilung: auf kleinen Märkten zuschlagen, Spieler, die bisher unter dem Radar geflogen sind, günstig verpflichten und mit Gewinn weiterverkaufen. Gewinne hat der FCK unter Hajri (noch) nicht gemacht. Nach zwei Transferperioden steht ein Minus von 2,84 Millionen Euro unter dem Strich. Aber erstens: Gut Ding will Weile haben, schließlich hätten die Pfälzer mit einem Transfer von Ragnar Ache bereits rund fünf Millionen eingenommen, und zweitens haben die Roten Teufel mit Filip Kaloc, Jannis Heuer oder Florian Kleinhansl genügend „Aktien“, bei denen die Aussicht auf einen gewinnbringenden Weiterverkauf groß ist. Und drittens wurden beispielsweise mit dem Beitritt der Plattform TransferRoom Strukturen geschaffen und Kontakte geknüpft, von denen die Lautrer langfristig profitieren können.


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Transferflops und Trainerärger


Wie bei jedem Funktionär gab es auch beim 1. FC Kaiserslautern unter Enis Hajri einige Flops, die dem 41-Jährigen zusammen mit der sportlichen Talfahrt einen provokanten Gruß aus der Westkurve einbrachten. Zwar reagierte der heftig kritisierte Hajri gelassen, als vor dem letzten Saisonspiel ein Spruchband mit der Aufschrift „Saison aufarbeiten, Konsequenzen ziehen, Kaderverplaner Hajri raus!“ entrollt wurde, doch FCK-Chef Hengen empfand die Äußerung als „too much“ und stellte sich demonstrativ hinter seinen Mitarbeiter. Konkret ging es um die Transfers Ba-Muaka Simakala, Dickson Abiama und Filip Stojilkovic, die zusammen auf weniger als 500 Einsatzminuten kamen und die Talfahrt der Roten Teufel nicht stoppen konnten.


Auch der Umgang mit verdienten Spielern wie Terrene Boyd oder Andreas Luthe stieß vielen sauer auf. Ebenso der zwischenmenschliche Umgang mit Hajri selbst: Aufstiegstrainer Schuster bezeichnete das Verhältnis zum Kaderplaner als „problematisch“, unter dem erfahrenen Friedhelm Funkel fand sich der 41-Jährige auf der Tribüne statt auf der Bank wieder. Auch wenn die Verantwortlichen den Machtkampf herunterzuspielen versuchten (Funkel sagte, Hajri sei „sehr emotional“ und der Platz auf der Tribüne diene dem Selbstschutz), verlor der Technische Direktor ihn. In der laufenden Saison dominiert die Frage nach einem echten Sechser die Diskussion, zudem kann nach der abgeschlossenen Hinrunde eine erste Bilanz der getätigten Transfers gezogen werden. Zwar sind den Verantwortlichen mit Luca Sirch und Daisuke Yokota echte Top-Transfers gelungen, doch investierte der FCK rund 850.000 Euro in Erik Wekesser und Jannik Mause, die dieser Summe bisher nicht gerecht wurden.

Bruch zum Jahresende


Zum Bruch kam es am vergangenen Sonntag, als Hajri überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende ankündigte. Über die Gründe lässt sich freilich nur spekulieren. Vielleicht der Wunsch nach mehr Anerkennung, vielleicht ein Zerwürfnis mit anderen Verantwortlichen bei den Vertragsverhandlungen, vielleicht sogar der Versuch, aus einem Vertrag herauszukommen, weil ein anderer Job in Sicht ist. In den sozialen Medien kursieren bereits Gerüchte über einen Wechsel zu Besiktas Istanbul. All das wäre denkbar.


Unabhängig davon lässt sich attestieren, dass Hajris Arbeit von den meisten eher unterschätzt wurde, denn rein fachlich dürfte sich der Ex-Profi einiges an Kredit erarbeitet haben. Verträge werden in der Regel nicht ohne Grund verlängert. Die Schwierigkeiten bei den Vertragsverhandlungen und die mangelnde Wertschätzung seitens der Fans stehen aber auch symbolisch für einen nun Ex-Funktionär, der immer wieder aneckte und auch deshalb kontrovers diskutiert wurde. Letztlich wird die Zukunft zeigen, ob beim FCK ein echter "Kaderplaner" von Bord gegangen ist.


Quelle: Treffpunkt Betze


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