Als Boris Schommers in den ersten Wochen seiner Tätigkeit auf dem Betzenberg sagte, er wolle den Gegner dominieren, habe ich ehrlich gesagt das Allerschlimmste befürchtet. Vor meinem geistigen Auge sah ich bereits jeden FCK-Gegner die unbeholfenen Angriffe der Roten Teufel abfangen und Kontertor auf Kontertor erzielen. Die letzten Spiele lassen vermuten, dass der Lauterer Coach diese Dominanz zum Glück nicht als Ballbesitzfußball definierte, sondern als Konterfußball aus einer kompakten Defensive heraus. So wie zuletzt drei Mal in Folge eindrucksvoll geschehen. Es scheint als habe der Trainer nicht nur seine Stammformation gefunden, sondern auch eine Defensive, die mittlerweile sehr ordentlich harmoniert und den Gegner permanent zu Fehlern zwingt.
Ein relativ sauberer Sieg
Die 6.437 Zuschauer im Sportpark Höhenberg bedeuteten am Samstag einen neuen Vereinsrekord für die Kölner Viktoria. Oder wie man als Lauterer sagen würde: Gern geschehen! Als "dreckigen Sieg" bezeichnete Boris Schommers das Match im Nachgang. Wobei es so dreckig gar nicht war. Es wurde lediglich nach gut einer Stunde aus der Pfälzer Dominanz ein eher ausgeglichenes Spiel, mit einer unnötig dramatischen Schlußphase. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen war der Lauterer Coach gezwungen, den starken Carlo Sickinger verletzt vom Feld zu nehmen. Dieser konnte durch den hoch-bis übermotiviert agierenden Gino Fechner dieses Mal nicht gleichwertig ersetzt werden. Die Auswechslung von Kühlwetter war da schon längst überfällig, aber hierzu später mehr.
Richtig eng wurde es kurzfristig dann nochmal durch eine Elfmeter: Bei einem harmlosen Kopfballduell mit Hainault wird der Kölner Kreyer von der Hand des Kanadiers leicht am Hinterkopf berührt. Er fällt daraufhin, als hätte er einen Wirkungstreffer kassiert. Hätte Florian Pick bei jedem echten Foul an ihm solch ein Theater gemacht, er hätte wohl die Hälfte des Spiels im Liegen verbracht. Alles in allem war der Auswärtssieg im Rheinland kämpferisch und taktisch eine Topleistung. Was das spielerische Element und vor allem die Cleverness angeht, ist allerdings noch Luft nach oben. Denn eigentlich muss der FCK, wie schon in der Vorwoche gegen Rostock, das Spiel schon wesentlich früher und deutlich höher für sich entscheiden. Solange es am Ende drei Punkte gibt, ist das verzeihlich. Die Tendenz stimmt auf jeden Fall.
Zwei Sechser stabilisieren die komplette Defensive
Was die Pfälzer auf dem Rasen gut eine Stunde lang bieten, ist wirklich bärenstark und letztlich genauso, wie man in der 3. Liga erfolgreich spielt: Bombensicher in der Defensive erzwingt die Mannschaft immer wieder gegnerische Ballverluste im Mittelfeld und leitet anschließend Konter durch das Offensivquartett Pick, Zuck, Thiele und Kühlwetter ein. Dass die Kölner Viktoria die meiste Zeit in der Lauterer Hälfte überhaupt kein Bein auf den Boden bekommt, liegt in erster Linie an den beiden Sechsern, die nun endlich eingespielt wirken: Janik Bachmann mit knallharter, konsequenter Zweikampfführung und Carlo Sickinger, der spielstarke Ballverteiler, machen die Zentrale komplett dicht, erobern Bälle und leiten Gegenangriffe ein. Die Kölner Angriffe erreichen die Lauterer Viererkette meist gar nicht erst. Dort hat sich Schommers derzeit auf das Innenverteidigerduo André Hainault und Kevin Kraus festgelegt, was dem Team die Kopfballhoheit in der Defensive sichert. Zusätzlich sind auch hohe Standards in den gegnerischen Sechzehner nun keine Alibiveranstaltung mehr. Da die Mannschaft tief steht und konsequent nach hinten arbeitet, kommen die Schnelligkeitsdefizite der beiden Abwehrrecken zuletzt fast gar nicht mehr zum Tragen.
Zuck reborn
Die vier Angreifer spielen vorne sehr variabel: Kühlwetter spielt eher rechts, Pick eher links, Thiele gibt zumeist den vordersten Stürmer und Zuck ist so etwas wie ein Zehner. Meistens, denn letztlich rotieren die vier während eines Spiels recht häufig, was dem Gegner die Zuordnung erschwert. Geradezu sensationell ist in diesem neu formierten Quartett die Auferstehung von Hendrik Zuck. Unter den Trainern Frontzeck und Hildmann agierte der Saarländer noch wahlweise völlig lethargisch auf der linken bzw. komplett wirkungslos auf der rechten Mittelfeldseite. Unter Schommers lässt er aktuell völlig ungeahnte Qualitäten als glänzender Vorbereiter und Ballverteiler mit überragender Übersicht erkennen. Sollte er in Zukunft auch noch anfangen Defensivzweikämpfe zu gewinnen, ist er aus dem Team wohl überhaupt nicht mehr wegzudenken.
Florian Pick eine herausragende Leistung zu attestieren langweilt mittlerweile schon fast. Der Wittlicher macht momentan ganz klar den Unterschied und entscheidet das Spiel auch dann, wenn er einmal selber nicht trifft. Die ersten drei Treffer bei Viktoria gehen allesamt auf sein Konto (Assist beim 0:1, sowie zwei Balleroberungen mit anschließendem vorletzten Pass vor dem 0:2 und 0:3 ). Es fällt momentan schwer sich vorzustellen, wie die Lauterer ohne ihren Linksaußen überhaupt ein Tor erzielen sollen. Aus dem Spiel heraus wird es jedenfalls schwierig. Einziger Spieler, der außer ihm ebenfalls Qualität im eins-gegen-eins hat, ist Traumtorschütze Simon Skarlatidis. Er könnte durchaus am Samstag gegen Halle, bedingt durch Kühlwetters Gelbsperre, in die Startelf rücken.
FCK: Fehlt Cleverness komplett?
Kühlwetter dreht 5 Minuten frei
Bei aller Euphorie über drei verdiente Siege in Folge: Man kann dem Team in dieser Saison sehr viel vorwerfen, überragende Cleverness gehört nicht dazu. In der 27. Minute erhält Christian Kühlwetter die gelbe Karte, was ihn nicht davon abhält, in den darauffolgenden Minuten regelrecht um einen Platzverweis zu betteln. Keine 120 Sekunden nach dem gelben Karton grätscht er seinen Gegenspieler auf Höhe der Mittellinie ab, um nur wenig später mit ausgestreckten Bein in Kniehöhe auf seinen Gegner zuzufliegen. Hätte nur einer der beiden Kölner die Theatralik von Kreyer (im Luftkampf mit Hainault vor dem Elfmeter) an den Tag gelegt, hätte dieser Schiedsrichter den Lauterer definitiv vorzeitig zum Duschen geschickt. Wenig später hatte sich der ehemalige Effzeh-Spieler dann wieder im Griff und erzielte das 2:0. „Et hätt noch immer joot jejange“ sagt man in Kühlwetters Heimat.
Wie in der C-Jugend
Die unfassbarste Szene ereignet sich beim Stand von 3:1 in der 79. Minute: Florian Pick und Hendrik Zuck stehen auf der linken Seite zum Freistoß in den Kölner Strafraum bereit. In diesen haben sich bereits, zwecks möglicher Kopfballabnahmen, Janik Bachmann, André Hainault und Kevin Kraus begeben. Timmy Thiele ist ebenfalls im Sechzehner, Simon Skarlatidis kurz davor, während Gino Fechner und Philipp Hercher noch auf dem Weg dorthin sind. Hat jemand mitgezählt? Es sind tatsächlich neun Spieler, die bei diesem Spielstand kurz vor Spielende, wie in der C-Jugend, unbedingt auch noch ihr Tor erzielen wollen und dafür blind nach vorne rennen! „Blind“, weil Viktoria nicht weniger als drei Angreifer an der Mittellinie postiert hat, für die sich außer Dominik Schad leider niemand interessiert. Erst nach energischem Brüllen aus Richtung der Lauterer Trainerbank („Skarla, was machst Du da vorne?“) legen die Sportkameraden Hercher, Skarlatidis und Fechner den Rückwärtsgang ein, um kulanterweise einen Gegenspieler zu begleiten. Ein komplettes Kreisligaverhalten einer Mannschaft, in der zu viele Spieler immer wieder jegliche Eigenverantwortung vermissen lassen oder schlichtweg mit dem Kopf nicht bei der Sache sind. Und das beileibe nicht zum ersten Mal.
Beim Spiel in Münster fing sich der FCK nach eigenem Elfmeter ein Kontertor, weil die komplette Defensive am gegnerischen Strafraum postiert war und nur ein Spieler absicherte, der zudem bereits gelbverwarnt war und keinen Platzverweis riskieren wollte. Oder der Fauxpas von Lennart Grill im Pokal gegen Nürnberg, wo ihn keiner seiner Mitspieler auf den hinter ihm lauernden Nürnberger Stürmer Michael Frey aufmerksam machte. Wer „den Ball ansieht“, wie man es in der Jugend beigebracht bekommt, hätte auch Frey rechtzeitig bemerkt und den eigenen Torhüter warnen können. Die Tatsache, dass keine richtigen Führungsspieler im Kader sind, lässt sich kurzfristig leider nicht mehr ändern. Profis, die mitdenken, wach sind und ein Mindestmaß an Verantwortung übernehmen, darf man in der 3. Liga trotzdem erwarten.
Defense go!
Blicken wir nach vorne: Waren Uerdingen, Rostock und Köln noch relativ angeschlagene Gegner, so kommt am Samstag mit dem Halleschen FC ein völlig anderes Kaliber auf den Betzenberg. Der HFC hat eine eingespielte Truppe mit einer absoluten Top-Defensive. Bisher kassierte Halle lediglich 15 Gegentore - das sind schlappe 19 Gegentreffer weniger als der FCK! Spätestens nach dem 1:0 gegen Tabellenführer MSV Duisburg am letzten Samstag dürfte das Team vor Selbstvertrauen nur so strotzen.
Jede Wette: Bei einem Sieg gegen die Sachsen-Anhaltiner wird in der Pfalz wieder vom Aufstieg geträumt. Reif für die vorderen Plätze sind die Lauterer jedoch erst, wenn das Trainerteam es hinbekommt, dass auch vorne ohne Beteiligung von Florian Pick Tore fallen und jeder einzelne Spieler Verantwortung für das Team übernimmt. Der Weg ist noch lang.
Quelle: Treffpunkt Betze
Quelle: Treffpunkt Betze
Antworten 1
Rénebetze
Ein sehr treffender Kommentar.