ZitatAlles anzeigenBeim 1. FC Kaiserslautern bekommen neben dem Amerikaner Luis Robles der Kameruner Georges Mandjeck und der Brasilianer Rodnei verlängerten Weihnachtsurlaub in ihrer Heimat. Mandjeck (21) symbolisiert für viele in seiner Geburtsstadt Douala die Hoffnung auf ein besseres Leben. Wie Rodnei betet er vor jedem Spiel. Durch den eigenen Erfolg anderen helfen zu können, ist für beide eine große Motivation.
Es ist ein kurzer Ausflug in eine völlig andere Welt. Das liegt nicht nur am Temperaturunterschied von derzeit 30 Grad. Wenn Georges Mandjeck über Weihnachten in seine Heimatstadt Douala im westafrikanischen Kamerun reist, kreisen seine Gedanken nicht mehr um Zweikampfverhalten oder Steil- und Diagonalpässe in hochmodernen Bundesliga-Arenen.
Von Kaiserslautern ist der 21-Jährige zunächst mit dem Zug nach Paris gereist, von dort per Flugzeug in die kamerunische Hauptstadt Yaoundé. Einer seiner sechs Brüder holt den Mittelfeldspieler des Fußball-Zweitliga-Tabellenführers 1. FC Kaiserslautern dort mit dem Auto ab. „Für mich wäre das Autofahren in Kamerun zu gefährlich, die Autobahnen sind nicht so wie in Deutschland. Es gibt eine Spur, die auch vom Gegenverkehr benutzt wird", sagt Mandjeck. Rund zwei Stunden dauert die Fahrt nach Douala, die Heimatstadt von Mandjecks Familie.
Mit seinen sechs Brüdern, den zwei Schwestern, weiteren Verwandten und seinen Eltern feiert das „Nesthäkchen" zu Hause in Douala Weihnachten. Am Morgen des 25. Dezember geht der schon sehr reif und überlegt wirkende 21-Jährige mit seiner Familie in die Kirche. „Meine ganze Familie glaubt an Gott", sagt Mandjeck. Nach der Morgen-Messe „feiern wir zu Hause ein großes Fest, eine Party, essen, trinken und tanzen", erzählt er voller Vorfreude. Rund 30 Leute werden da sein und Hähnchen mit Salat essen. Sie werden den Fußball-Profi ausfragen über Deutschland, über Kaiserslautern und die bislang so erfolgreiche Saison.
Im Hause Mandjeck wird Französisch geredet und die Muttersprache Bassa. Der Besuch des FCK-Profis und das Weihnachtsfest lenken Familie und Freunde etwas ab vom harten Alltag im armen Kamerun. Das Geld, das der vom VfB Stuttgart an den FCK ausgeliehene Mandjeck mit dem Fußball verdient, teilt er mit der Familie, in der die wenigsten eine halbwegs gut bezahlte Arbeit haben. „Ich schicke jeden Monat Geld nach Hause", sagt der 21-Jährige. Betroffen erzählt der Jungprofi von einer für ihn sehr schwierigen Situation. Wenn es sich in seinem Heimatviertel herumgesprochen habe, dass er zu Hause ist, werde er zuweilen regelrecht belagert. „Manchmal stehen dann 50 Leute um unser Haus und wollen etwas von mir geschenkt haben", sagt Mandjeck, „ich tue, was ich kann, aber ich kann nicht jedem etwas geben." Wie fast alle seiner ausländischen Kollegen nimmt er stets FCK-Trikots und -Fanartikel mit auf Reisen. Fußball ist Volkssport in dem 19-Millionen-Einwohner-Land, mit dessen Nationalteam Mandjeck ab 10. Januar am Afrika-Cup in Angola teilnimmt.
Seit Sommer 2007 ist der 1,83 Meter große Jung-Nationalspieler in Deutschland, er hat die Sprache sehr schnell gelernt. „In Stuttgart hatte ich jeden Tag zwei Stunden Deutschunterricht. Und beim FCK bin ich gezwungen, Deutsch zu sprechen, weil aus der Mannschaft niemand Französisch spricht", sagt Mandjeck, der in Kaiserslautern allein in einer Wohnung lebt. Wann immer es geht, fährt er mit dem Zug nach Paris, um seine Freundin zu besuchen. Sie geht dort aufs Gymnasium. Bei Alltagsproblemen und Behördengängen hilft ihm ein befreundeter Kameruner, der seit neun Jahren in Kaiserslautern lebt. Eines steht für den sehr gläubigen Mandjeck fest - in allen Lebenslagen: „Gott tut etwas für uns."
Diesen Satz unterstreicht auch Rodnei, Mandjecks Mannschaftskamerad beim FCK. Wie der junge Kameruner bekreuzigt sich auch der 24 Jahre alte Brasilianer vor jedem Spiel. „Viele Dinge, die in meinem Leben passiert sind, habe ich Gott zu verdanken", sagt Rodnei, „Gott gibt mir die Kraft, meinen Lebensweg weiterzugehen, und ich habe noch viel vor!"
Während Mandjeck in Afrika weilt, verbringt der Brasilianer die Weihnachstage jenseits des Atlantiks in seiner Heimatstadt São Paulo, im Município Taboão da Serra, 40 Autominuten vom Zentrum der Millionen-Metropole gelegen. Mit seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und seiner Schwester feiert er die Geburt Christi. Der Heilige Abend beginnt für Rodnei um 22 Uhr mit der Christmesse, um Mitternacht gibt es im Haus der Familie seiner Mutter, einer pensionierten Grundschullehrerin, ein großes Essen mit rund 25 Personen aus Familien- und Freundeskreis; Truthahn, Reis, schwarze Bohnen und Salat, ein brasilianisches Traditionsgericht. Nach der Tafelrunde kommt die Bescherung. Das Flugzeug von Frankfurt nach São Paulo dürfte voll gewesen sein mit Weihnachtsgeschenken. Dazu hat Rodnei seinen Teil beigetragen: „In meinem Koffer ist fast kein Platz mehr für meine Kleider", erzählte der von Hertha BSC Berlin an den FCK ausgeliehene Klasse-Innenverteidiger vor seiner Abreise lächelnd. Gut, dass er bei 30 Grad in São Paolo nur leichte Kleidung braucht ... Vor allem, wenn es am 25. oder 26. Dezember traditionell von São Paulo mit dem Auto den Berg hinunter an den Strand Richtung Santos geht, wie auch São-Paulo- und Brasilien-Kenner Markus Habich erzählt.
Habich arbeitet beim FCK im Marketing, ist Rodneis Kumpel und Dolmetscher. Zusammen waren sie im FCK-Fanshop auf großer Geschenke-Einkaufstour für Rodneis Freunde und Familie. Der Renner: FCK-Trikots und -Baseballkappen. „Ohne meine Familie wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin", betont der über den FC Vilnius/Litauen, Jagiellonia Bialystok/Polen und Hertha BSC zum FCK gekommene Profi, „deshalb erfüllt es mich mit großer Freude und Befriedigung, ihnen etwas zurückgeben zu können." Sein Vater ist pensionierter städtischer Außendienst-Angestellter, sein ältester Bruder (36) Sport- und Fitnesslehrer, sein anderer Bruder (34) arbeitet in der Werbebranche, seine Schwester (30) ist Telefon-Serviceberaterin.
Für Rodnei sind die Tage bis zum Jahreswechsel in der diesmal so kurzen Fußballpause mit seiner Familie „eine Zeit zum Genießen, die Zeit, über das Leben nachzudenken und wieder Kraft zu tanken". Entscheidend ist dabei für den höflichen und wohlerzogenen jungen Mann der Gedanke an Christi Geburt. „So wie sich die Menschen bei der Geburt Jesu Christi versammelt haben, so versammeln sich an Weihnachten überall auf der Welt die Familien", sagt er.
Rodnei und Mandjeck, beide in jungen Jahren Tausende Kilometer von der Heimat entfernt beschäftigt, verbindet der Glaube, der Fußball und ein ausgeprägter Familiensinn. So träumen beide nicht nur des persönlichen Ehrgeizes wegen von einer großen Karriere. Mandjeck will sich beim Afrika-Cup für Kameruns WM-Kader empfehlen und mit den „Löwen" nach Südafrika. Wie der drei Jahre ältere Rodnei denkt er sehr verantwortungsbewusst und uneigennützig. Ruhm und Geld, das weiß er, würden ihn dabei unterstützen, möglichst vielen Leuten in seiner Heimat zu helfen. Ein mächtiger Antrieb.
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Verlag: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau