ZitatAlles anzeigenSPORT: Horst Eckel und Stefan Kuntz besuchen Spiel der Zweibrücker Gefängnis-Liga - FCK-Vorstandschef erwägt Auftrag an JVA-Werkstatt zu vergeben
VON THOMAS FÜSSLER
ZWEIBRÜCKEN. Sichtlich bewegt zeigt sich der Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, Stefan Kuntz, gestern beim Besuch eines Knastligaspiels in der Zweibrücker Justizvollzugsanstalt. Gemeinsam mit der Lautrer 54er-Weltmeister-Legende Horst Eckel ist er auf Einladung der „Sepp Herberger Stiftung" in die Strafanstalt gekommen. Sein Besuch könnte für die fußballbegeisterten Inhaftierten Folgen haben. Denn Kuntz möchte ihnen auch in Zukunft helfen.
Acht Mannschaften mit jeweils zehn Inhaftierten spielen in der Zweibrücker Justizvollzugsanstalt (JVA) mehrmals im Jahr ihren Knastmeister aus. Die „Sepp Herberger Stiftung" ist davon überzeugt, das dass Fußballspiel hinter Gefängnismauern dazu beiträgt, dass jugendliche Inhaftierte nach der Verbüßung ihrer Strafe den Weg zurück in die Gesellschaft finden. Deshalb engagiert sich die DFB-Stiftung schon seit Jahrzehnten in der Resozialisierung von Strafgefangenen und stellt bundesweit Paten für diese Mannschaften.
Albert Stürmer, Anstaltsleiter in Zweibrücken, kann die Bedeutung des Fußballspiels gerade hinter Gefängnismauern nur bekräftigen. Denn die Knastliga wird von den Strafgefangenen eigenverantwortlich und unabhängig, ohne Überwachung einer übergeordneten Instanz, organisiert und durchgeführt. Sogar der Schiedsrichter kommt aus ihren Reihen. „Das ist dann eine besondere Erfahrung für den Betroffenen, dass er mal nicht Partei ist, sondern zwischen den Parteien vermittelt", erklärt Stürmer.
Seit 25 Jahren wird in der Zweibrücker JVA Fußball gespielt. „Trotzdem hat es in meiner ganzen Zeit als Anstaltsleiter dabei nur einen einzigen Vorfall gegeben. Und das war gleich in meinem ersten Jahr, 1985", berichtet Stümer weiter. Kuntz folgt seinen Ausführungen sichtlich nachdenklich. Während eines Gruppenfotos mit Eckel und den Spielern flachst der 96er-Europameister noch rum: „Horst, stell Dich zu dem Rodnei" und meint damit einen hühnenhaften farbigen Inhaftierten, der an den brasilianischen FCK-Verteidiger erinnert.
Doch der Flachs ist vorbei, als Kuntz die Schuhe des ihm unbekannten Knastspielers sieht. Die sind so abgewetzt, dass der rechte große Zeh des Farbigen im gestern gleißenden Sonnenlicht steht. „Ich denke, ihr könnt auch ein paar neue Schuhe gebrauchen", stellt Kuntz fest und verspricht erst im kleinen Kreis, dass sein Besuch Folgen haben wird. In einer Gesprächsrunde mit etwa 100 Häftlingen, in der Anstaltssporthalle, erneuert er dieses Versprechen. „Ich komme noch einmal, dann ohne Kameras. Dann könnt ihr mir sagen, was ihr wirklich von mir braucht", bekräftigt er und überzieht seinen Termin in Zweibrücken um mehr als eine halbe Stunde, um sich den sportlichen Fragen der Gefangenen zu stellen.
Die Zusammenarbeit, die Kuntz zwischen dem FCK und der JVA anstrebt, geht möglicherweise über den Fußball hinaus. Denn auf einem Rundgang lernt er auch einen Teil der JVA-Lehrwerkstätten kennen, womit sich ihm ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. „Vielleicht ergibt sich da auch etwas, was man tun könnte. Beispielsweise im Rahmen der Trikotbeflockung, die in dieser Saison wegen des Wechsels des Hauptsponsors sehr umfangreich war", sinniert Kuntz, der zum letzten Mal als Berufspolizist Gefängnismauern von innen gesehen hatte.
Anders ist das bei Horst Eckel, der bereits zum dritten Mal die Zweibrücker JVA besucht und dort sogar einmal Fußball gespielt hat. „Durch den Fußball haben es viele Gefangene wieder geschafft. Und ich habe hier schon einige Talente gesehen", sagt der 78-Jährige.
Fußball gehört zu den beliebtesten JVA-Freizeitbeschäftigungen, während des Hofgangs zwischen 13 und 14 Uhr wird gekickt. „Danach kommt lange nichts", weiß Stürmer. 80 Häftlinge beteiligen sich an der Knastliga, deren Spiele in zwei Halbzeiten innerhalb einer Stunde ausgetragen werden. Die Mannschaften organisieren sich selbst, dürfen sich nicht nach Ländernationalitäten vereinen und keine diskriminierende Namen tragen. Wer zweimal unentschuldigt fehlt, fliegt aus der Mannschaft raus. Besonders beliebte Spieler erhalten ein Abschiedsspiel.
Nicht selten befinden sich unter den Inhaftierten ehemalige Fußballspieler, die wieder Freude an ihrer alten Leidenschaft finden. Und die Schiedsrichter, die in Zweibrücken im Rahmen eines Pilotprojekts der Herberger-Stiftung ausgebildet werden, können nach ihrer Entlassung sogar Spiele der unteren Ligen pfeifen. Unter Umständen wird einer dieser Schiedsrichter mal ein Spiel einer Knastauswahl gegen die Alten Herren des FCK pfeifen dürfen. Ein solches Spiel hält Stefan Kuntz nach seinem Besuch gestern für durchaus realisierbar.
Quelle: Die Rheinpfalz