ZitatAlles anzeigenToller Samstags-Krimi im Fritz-Walter-Stadion. Der 1. FC Kaiserslautern beweist nach einem 0:3-Rückstand Herz und Charakter und wird mit dem 3:3 gegen den VfB Stuttgart belohnt. Der Auftritt von Ilian Micanski ist ein Plädoyer für das Spiel mit zwei Spitzen. Bei den drei Gegentoren stellt sich die Elf von Trainer Marco Kurz tolpatschig und bedenklich anfängerhaft an.
Von Oliver Sperk und Horst Konzok
Kaiserslautern. Vor dem Krimi sorgten die Fans des 1. FC Kaiserslautern in der Westkurve mit einer wunderbaren Choreografie zu Ehren Fritz Walters für Erstaunen. Dann trieb der Anhang die Lauterer Elf nach scheinbar hoffnungslosem 0:3-Rückstand noch zum 3:3 (0:2). Nach der fantastischen Aufholjagd wurden Amedick und Kollegen mit einem klaren Arbeitsauftrag aus dem Westen Richtung Nürnberg verabschiedet: „Auswärtssieg, Auswärtssieg ...!"
„So wie in der zweiten Halbzeit müssen wir zu Hause auftreten", forderte Srdjan Lakic nach dem Nervenspiel. „Schade, dass wir bei den ersten beiden Gegentoren so naiv waren", bedauerte der Torjäger. Da durfte Arthur Boka am vorher guten und später herausragenden Oliver Kirch vorbeimarschieren, Martin Amedick und Mathias Abel schauten mit den anderen 46.904 im Stadion zu, Torwart Sippel kam raus, aber nicht ran - 0:1 (19. Minute). Nach Christian Tifferts tollem Alleingang vorbei an vier schwäbischen Statisten und dem ausbleibenden Freistoßpfiff des Sportkameraden Babak Rafati waren die Männer in Rot noch mit Reklamieren beschäftigt, da nutzte Cacau den cleveren Befreiungsschlag Delpierres zum 0:2 (33.). Amedick wurde ausgetanzt und war dann auch mit unbeholfenem Foul an Marica Urheber des Elfmeters, den Christian Gentner zum 0:3 nutzte (50.).
52 lange Minuten war der enorm fleißige Lakic als Ein-Mann-Sturm unterwegs. Bei der Umstellung auf 4-4-2 - unmittelbar nach dem 0:3 - erhielt er in Ilian Micanski einen Sturmpartner. Der Joker brannte auf seine Chance, er belebte die Offensive. Der Auftritt - ein Empfehlungsschreiben für weitere Einsätze.
„Wir wussten: Ein Tor kann alles ändern', versicherte Lakic. Und der 27-Jährige machte nach Christian Tifferts Rechtsflanke durch seine Präsenz im Strafraum den Weg frei für Micanskis ersten Bundesliga-Treffer - eben dieses 1:3 (58.). Mit dem ersten Lauterer Tor kam der „Betze"-Faktor ins Spiel und machte diesen Fußball-Nachmittag zu einem denkwürdigen und besonders aufregenden. „Nach dem 1:3 haben uns die Zuschauer toll nach vorne gepeitscht", sagte der energische Linksverteidiger Alexander Bugera Dank, der in der Nachspielzeit mit seinem Freistoß und dem Nachschuss fast noch den Siegtreffer erzielt hätte. „Ein spektakuläres Unentschieden", wertete Marco Kurz, verneigte sich nach dem „Wahnsinnsspiel " vor den Fans und seiner Mannschaft. Aber er sagte auch: „Ich bin nicht zufrieden. Wenn du drei Tore schießt, musst du auch drei Punkte machen ..."
Glück hatte der FCK zwischenzeitlich allerdings in der 69. Minute, als VfB-Stürmer Ciprian Marica die Hereingabe Timo Gebharts und somit das 1:4 haarscharf verpasste.
Eine Nervenprobe für die Zuschauer - unter ihnen die Eltern des FCK-Coachs, Edgar und Sylvia Kurz, mit den beiden Töchtern des Trainers. „Die Zuschauer waren einen halben Punkt wert", meinte Vater Kurz, der Präsident der Stuttgarter Kickers ist.
Und ausgerechnet einem „Kind der Westkurve" war es dann auch vorbehalten, das Remis mit seinem tollen Treffer mit dem Hinterkopf zum 3:3 zu sichern: Mathias Abel. Der im Sommer 2008 zum FCK zurückgekehrte gebürtige Lauterer bekam nach langer Leidenszeit nach dem Ausfall Rodneis und Jan Simuneks vor knapp drei Wochen im Pokal gegen Bielefeld seine Chance und nutzte sie. Sein Tor ist die vorläufige Krönung dieses kleinen, ganz persönlichen Fußball-Märchens - nach drei Kreuzbandrissen ist für viele Profis die Karriere zu Ende. „Ich merke, dass es von Spiel zu Spiel auch körperlich und von der Schnelligkeit her immer besser läuft", meinte der 29-Jährige. „Wir wussten, dass wir in der zweiten Halbzeit Richtung Westkurve spielen würden und dass uns das helfen würde", schwärmte Abel. „Ich habe solche herumgebogenen Spiele schon als Kind und Jugendlicher dort in der Westkurve erlebt."
Dieses besondere Flair kennt auch VfB-Trainer Jens Keller, früher Profi in Stuttgart, beim VfL Wolfsburg, 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt. „Mit dem 3:1 kam dieses Betzenberg-Gefühl. Das habe ich hier schon oft genug erlebt. Das ließ die FCK-Spieler ein paar Schritte mehr machen. Und wir haben dann die entscheidenden paar Schritte zu wenig gemacht", bilanzierte der 39-Jährige.
„Wir müssen brutal um jeden Punkt kämpfen", beschwor Mathias Abel nach dem Remis den Überlebensmut seiner Mannschaft. Christian Tiffert, die Seele des Spiels, mahnte, endlich auch ertragreich Fußball zu spielen. Tiffert genießt jede Minute auf dem Berg, den er mit zum Beben brachte. Micanskis Tor bereitete er mit einer klasse Flanke vor, den Ball, den Ivo Ilicevic mit links in den rechten Torwinkel hämmerte, legte Tiffert vor, der auch den Freistoß zu Abels Treffer absetzte. Klasse!
„Ich bin froh, dass wir das 3:3 noch gemacht haben. Aber es war mehr drin", befand Ilicevic nach seinem Traumtor. Er ist wieder fit und wie die Kollegen Lakic und Hoffer auf Länderspiel-Reisen. Jan Moravek ist angeschlagen und sagte seinen Einsatz für Tschechien ab.
Quelle: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau