ZitatAlles anzeigenViele Fußballfans sind stolz, dem Verein ihrer Region treu zu sein - auch wenn"s mal weh tut. In der Südpfalz bekennt man sich gerne zum 1. FC Kaiserslautern. Mancher sucht sich seinen Klub aber lieber in der Ferne. In „Marktplatz regional" erzählen Fans, wo sie ihren Verein gefunden haben und wie sie ihr Fan-Sein leben. Zwei von ihnen haben wir ins Stadion begleitet.
Es ist eine illustre Fangruppe, die am Samstagnachmittag am Landauer Hauptbahnhof zusammenkommt. Ihr Anführer Michael Ellermann ist 58 Jahre alt, schmächtig und rothaarig. Er blickt in die fünfköpfige Männerrunde: „Alle da? Dann kann es ja losgehen." Der Zug in die Hölle ist pünktlich. Die Hölle, damit ist heute nicht die Behausung des Leibhaftigen gemeint, sondern es geht in die Höhe. Der Betzenberg in Kaiserslautern ist das Ziel: „ FCK-Land, Feindesland". Ellermann ist Vorsitzender des pfälzischen Borussia-Dortmund-Fanclubs „Borussen Bulldogs". Insgesamt 45 BVB-Abhängige sind Mitglieder. Sie kommen aus verscheidenen Ecken der Pfalz.
Zur gleichen Zeit machen sich die Mitglieder des FCK-Fanclubs „Pfälzer Löwen" Hagenbach auf den Weg auf den Betze. „Wenn am Samstag dann die Massen, in die Fußballstadien ziehen", beginnt Ulrich Meyer zu singen und klatscht über dem Kopf. Nach Sekunden stimmt fast jeder im voll besetzten Fan-Bus beim „Betze-Lied" mit ein. „Hippelig", so beschreibt Meyer seinen Gemütszustand am Heimspiel-Tag. Auf das Ergebnis tippt er nie - „da bin ich abergläubisch". Rituale sollen am Spieltag dem Fußballgott auf die Sprünge helfen. So muss das FCK-Handtuch an der Dusche exakt ausgerichtet sein.
Und wenn der rot-weiße Wetterhahn auf seinem Gartenhaus in Kandel Richtung Betzenberg zeigt, dann kann fast nichts schiefgehen. Im Gartenhaus werden Auswärtsspiele geschaut, Heimspiele in der Westkurve. Zum Betze fährt der 53-Jährige seit Jugendjahren. 1991 trat Meyer in den 1990 gegründeten Fanclub ein. Zwei Jahre später wurde er Vorsitzender. Auf der Fahrt erzählt er Anekdoten und treibt die Stimmung an. Am Aschbacherhof wieder der Aberglaube: Wenn auf der Koppel die weißen Pferde weiter vorne stehen, dann siegt der FCK - meistens. An dem Tag ist die Koppel unter Wasser.
Im Zug und auf Bahnsteigen sind die fünf BVB-Fans in der Unterzahl. Aber das sind sie in der Pfalz gewohnt. Der Vorsitzende trägt eine schwarz-gelbe Strickmütze. Das Dortmund-Trikot hat er unter einer schwarzen Jacke verborgen. Es ist kalt. Einer der Fans ist Bernd Wunder, er hat in Dortmund studiert. Der Statistiker arbeitet jetzt an der Uni Landau. Die Begeisterung für seinen Verein hat er nach dem Umzug bewahrt. Und vererbt. Sein 18-jähriger Sohn Felix verehrt ebenso die Ruhrpottelf und ist dabei. Rund 8000 Dortmunder Schlachtenbummler sind gekommen. Eigentlich hat Ellermann Sitzplatzkarten organisiert. Doch die Borussenfans pfeifen auf die Plastikschalen. Sie stehen lieber.
Auch die FCK-Fans sind nun am Stadion, Schultern werden geklopft. Man kennt sich in der Fanszene. „Wir sind eine FCK-Familie", erzählt Meyer und verfolgt mit seiner Tochter das Spiel. Als Dortmund zehn Minuten vor Schluss in Führung geht, bleibt der Südpfälzer ruhig. Mit Blick zum Boden streicht er den roten Schal glatt. Doch dann der Ausgleich in der 90. Minute: Die Westkurve ist im Freudentaumel - und Meyer mittendrin. Bei den Pfälzer Borussenanhängern hält sich derweil die Enttäuschung in Grenzen. „Wir werden Meister!", meint Einer. Der FCK muss sich hingegen mächtig anstrengen, um nicht abzusteigen.
Abstieg. Dieses Wort muss dem Leimersheimer Vorsitzenden des Gladbachfanclubs „Südpfalzborussen" die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Seine Borussia geht auf den Zahnfleisch. Letzter Platz. Mario Boltz wurde in den 1970ern Fan der Fohlenelf und ist es bis heute geblieben. Hin und wieder schaut er sich ein Spiel seiner Jungs im Stadion an - oder vor dem Fernseher. „In eine Kneipe können wir nicht gehen. Da zeigen die meistens nur den FCK."
Gegen den Einfluss des FCK versucht sich auch Dieter Nauert aus Hatzenbühl zu wappnen. Einmal ist ihm dies nicht gelungen: Seine Tochter Elisa habe er schon an den 1. FC Kaiserslautern verloren. Obwohl der Vorsitzende des etwa 200 Mitglieder zählenden Bayernfanclubs Hatzenbühl ihr schon als Baby einen Bayernstrampler angezogen habe. Genutzt hat es aber nichts. Als Bayernfan „hat man es hier aber auch nicht leicht", sagt er.
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Interview: Wie werde ich Fan?
Markwart Herzog hat Bücher zur Kultur und Geschichte des Fußballs veröffentlicht. Der Direktor der Bildungseinrichtung Schwabenakademie Irsee schreibt für das Stadionmagazin des 1. FC Kaiserslautern. Mit „Marktplatz regional"-Redakteur Holger Heitmann sprach Herzog über die Kultur der Fußballfan-Generationen.
In der Südpfalz gibt es Fans vom FCK, vom KSC oder Bayern München. Wie finden Fans ihren Verein?
Oft durch die Eltern. Ist der Vater Bayern-Fan, wird wahrscheinlich auch der Sohn Bayern-Fan. Das verfestigt sich später durch Erfolge und Misserfolge. Salman Rushdie schrieb, dass das Verhältnis zum Fußballverein enger und länger ist als zur Ehefrau, von der man sich vielleicht trennt. Der FCK hat nie so viele Mitglieder hinzugewonnen wie nach dem vorletzten Abstieg.
Sie selbst sind FCK-Fan, obwohl Sie aus Heilbronn kommen.
Seit Kindesbeinen hat mir imponiert, dass der Betze mehrmals totgesagt war und sich doch nicht hat unterkriegen lassen. Kaiserslautern war kleinste Bundesligastadt, ich habe ein Faible für Außenseiter. Am Anfang habe ich die Spiele im Radio verfolgt, später im TV.
Heute ist Fußball in den Medien omnipräsent, suchen sich seitdem mehr Fans ihren Verein in den Medien als in der Region?
Das kann sein, die Medien verbreiten stark den Erfolg einiger weniger Vereine - und manche identifizieren sich eben lieber mit einem erfolgreichen Klub.
Quelle: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau