Michael Schulze (27) wurde vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass der Verein nicht mehr mit ihm plane. In unserer Reportage beleuchten wir die Planstelle des rechten Verteidigers.
36 Liga-Spiele lang hat er das Trikot der Roten Teufel getragen und dabei 2 Tore erzielt. Sein im Sommer auslaufender Vertrag soll nicht verlängert werden, bei Interesse eines anderen Vereines könnte er gehen. Die Sportliche Leitung scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass man auf die Dienste des Rechtsverteidigers Michael Schulze verzichten könnte. Was spricht dafür, weiter mit Schulze zu planen, was dagegen?
Beginnen wir am Anfang: Es war im Sommer 2014, vor etwas mehr als zwei Jahren. Florian Dick, langjähriger Publikumsliebling, letztes verbliebenes Mitglied der Granit-Abwehr des Aufstiegs 2009/2010 hatte den Verein gerade verlassen. Für ihn sollte ein jüngerer Spieler kommen, ein Spieler mit einem größerem Entwicklungspotential als das des charakterlich und kämpferischimmer tadellosen, aber technisch limitierten und gealterten Florian Dick.
Getreu dem (damaligen) Konzept des Ausbildungsvereines wurde als langfristige Zielsetzung der ehemaligen Verantwortlichen Stefan Kuntz, Kosta Runjaic und Markus Schupp angestrebt, junge und talentierte Spieler - günstig verpflichtet – in ihrem fußballerischen Vermögen weiter zu entwickeln und gewinnbringend zu transferieren. Für Florian Dick kam Michael Schulze vom FC Energie aus Cottbus.
„Von einem Absteiger? Und der soll Florian Dick ersetzen?“, hörte man damals hin und wieder im Anhang des FCK. Doch es gab gute Gründe, die für eine Verpflichtung von Schulze sprachen. Der damals 25-jährige kam nicht nur ablösefrei (ein Transfergewinn erschien also äußerst wahrscheinlich), sondern auch mit der Empfehlung des 1. Platzes in der „kicker-Rangliste Außenbahn defensiv“ (für die 2. Liga) zumindest der Saison 12/13, seiner ersten in Cottbus – er war im Winter vom VfL Wolfsburg zunächst leihweise an die Lausitz gewechselt.
[attachsubtitle=2845,right, Michael Schulze (27) Quelle: fck.de][/attachsubtitle]
In der darauf folgenden Saison 13/14 schaffte er es allerdings – anders als Florian Dick, der es in das Blickfeld schaffte – nicht, diese Einschätzung zu bestätigen. Dennoch schien das Potential für eine positive Entwicklung durch sein erstes halbes Jahr in Cottbus vorhanden.
Beim FCK musste sich der gebürtige Niedersachse bis zum 9. Spieltag gedulden, ehe es ihm gelang sich einen dauerhaften Platz in der Stammformation zu erspielen. In 24 Spielen gab ihm Trainer Kosta Runjaic fortan den Vorzug vor Eigengewächs und Betze-Liebling Jean Zimmer auf der rechten defensiven Außenbahn.
Schulze spielte defensiv zumeist sicher, offenbarte gute taktische Schulung und es gelang ihm in seinem ersten Jahr oftmals, Dick komplett vergessen zu lassen. Auch die kicker-Noten gaben der Einschätzung Recht, dass sich der FCK mit Schulze für Dick auf der Position des rechten Außenverteidigers leicht verbesserte (Notenschnitt Dick 13/14: 3,65; Notenschnitt Schulze 14/15: 3,44).
War Zimmer die eher offensive, spielstarke Variante mit Schwächen in der Defensivarbeit, so war Schulze die defensivere Variante – gegen Ball und Gegner unheimlich stark, in der Vorwärtsbewegung jedoch limitiert.
Im zweiten, turbulenten Jahr auf dem Berg waren es zunächst Achillessehnenprobleme, die den vormaligen Stammspieler bis zum 13. Spieltag zum Zuschauen zwangen. In der Folge erreichte er in kaum einem Spiel mehr die Leistungsfähigkeit der vorherigen Saison – mit der großen Ausnahme seiner hervorragenden Leistung beim fulminanten 2:0 Erfolg beim Auswärtsspiel gegen einen Club aus Leipzig. Schulze durfte in insgesamt 12 Ligaspielen mitwirken, wurde oft ein – oder ausgewechselt und erreichte lediglich einen kicker-Notenschnitt von 3,83. In den übrigen Partien gab Coach Konrad Fünfstück meist Jean Zimmer oder Sascha Mockenhaupt rechts hinten den Vorzug.
Mit der neuen Saison kamen im Sommer 2016 auch neue Verantwortliche: Uwe Stöver folgte auf Stefan Kuntz als sportlich Hauptverantwortlicher (in der Funktion des Sportdirektors) und auch Übungsleiter Konrad Fünfstück wurde – recht überraschend – freigestellt. Als Nachfolger verpflichtete man den in Hannover weniger erfolgreich gewesenen Tayfun Korkut. Der neue Mann kam mit sehr bestimmten Vorstellungen, wie er seine Mannschaft auszurichten gedachte: „Unsere Mannschaft soll agieren, nicht reagieren.“, ließ er im Interview mit bundesliga.de verlauten.
Ob bei der Zusammenstellung des Kaders diesem Gesichtspunkt eine große Rolle zukam, kann von außen sicherlich nur schwer beurteilt werden. Ein weitestgehender Konsens dürfte allerdings darin bestehen, dass Schulze zu den Spielern gezählt werden darf, welche stark im „Reagieren“ und schwächer im „Agieren“ sind. Die Arbeit gegen den Ball, das taktische Verschieben in der Viererkette, die Antizipation – all das ist es was Schulze auszeichnet und worin er in seinen guten Spielen überragte. Dahingegen waren die Spielgestaltung, die Flanken, das Aufbauspiel nie diejenigen Dinge, in denen er zu überzeugen wusste. Ein Arbeiter nach hinten, limitiert nach vorne.
Wenig überraschend daher berichtete kicker.de bereits im Juli, dass der Vertrag mit Schulze nicht verlängert werden soll und dass man dem Spieler bei einem Wechsel keine Steine in den Weg legen würde. Später wurde ihm zudem mitgeteilt, dass der Verein nicht weiter mit ihm plant und er sich einen neuen Verein suchen könne.
[attachsubtitle=2846,left,Schulze im Training mit der 1. Mannschaft (Archivbild)][/attachsubtitle]
Auf der Position des Rechtsverteidigers verpflichtete der FCK stattdessen Phillipp Mwene, vom VfB Stuttgart, der für die zweite Mannschaft des Vereines in 73 Drittligaspielen zum Einsatz kam. Ein junger Spieler für die offensivere Ausrichtung des Rechtsverteidigers mit zweifellos großem Potential, insbesondere im Spiel nach vorne. Ein Spieler, der – anders als Schulze – im „Agieren“ seine Stärken hat.
Außer Mwene verpflichtete der FCK für die Position des Rechtsverteidigers Stand jetzt und zehn Tage vor Ende des Transferschlusses bisher niemanden. Zudem wurde auch Sascha Mockenhaupt, der die Position in defensiver Ausrichtung ebenfalls zu bekleiden wusste, nach Norwegen transferiert. Ein variabel einsetzbarer Backup für beide Außenverteidigerpositionen soll noch kommen.
Inzwischen hat FCK-Neuzugang Mwene drei Spiele für den FCK absolviert. Sein kicker-Notenschnitt aus den beiden bisherigen Ligaspielen liegt bei 4,5, auch beim Pokal-Aus in Halle wusste er – wie die gesamte Defensive – nicht zu überzeugen. Während Mwene im Spiel nach vorne unbestreitbar gefällig agiert und großes Potential für die Zukunft offenbart, so zeigen sich im „Reagieren“, im Spiel gegen den Ball, starke Defizite. Der 1,70 Meter große Rechtsverteidiger offenbart Schwächen im Zweikampf in der Luft und wirkt(noch) unsicher im Stellungsspiel in der Viererkette.
Somit sprechen für einen Verbleib Schulzes aktuell seine im Vergleich zu Mwene stärkeren Qualitäten in der Defensivarbeit sowie seine überzeugenden Leistungen in seinem ersten Halbjahr bei Cottbus und in seiner ersten Saison auf dem Betze – beides Belege für seine Qualität, wenn er sie denn erneut abrufen kann. Auch die aktuell fehlenden Alternative zu Mwene auf der Position des Rechtsverteidigers spricht eher dafür, Schulze zumindest jetzt noch nicht abzugeben.
Gegen einen Verbleib des gebürtigen Göttingers lassen sich dagegen seine schwache letzte Saison und seine Defizite im Spiel nach vorne anführen.
[poll=872][/poll] Der FCK braucht jedoch unterschiedliche Spielertypen für die Positionen der Außenverteidiger – sowohl Spieler mit Stärken in der Offensivarbeit, die im Rückstand in der Vorwärtsbewegung dem Spiel neue Impulse geben können als auch Stabilisatoren in der Defensivarbeit, die ihre Stärke in der Arbeit gegen den Ball ausspielen und den Ball vom eigenen Tor fernhalten können. Spielstarke Außenverteidiger, wenn die Mannschaft kommen muss und taktische starke Zweikämpfer, wenn die Abwehr sicher stehen soll. Denn eine gut und ausgewogen aufgestellte Mannschaft muss sowohl "reagieren“ als auch „agieren“ können.
Somit benötigt der FCK ein defensiv-starkes Äquivalent zu dem offensiv stärkeren Mwene, so wie der offensiv-starke Zimmer als Variante zu den defensiv-stärkeren Schulzes und Mockenhaupts gebraucht wurde. Michael Schulze hat bewiesen, dass er diese Rolle ausfüllen kann, wenn er das nötige Vertrauen erhält.
Aktuell und ohne einen zusätzlichen Neuzugang, der auch die Position des Rechtsverteidigers bekleiden kann führt daher kein Weg an Michael Schulze als Alternative zu Phillipp Mwene vorbei. Sollte noch ein Backup für bei Außenverteidiger-Positionen verpflichtet werden können, so kann Michael Schule dagegen abgegeben werden – sofern sich zum Einen ein Interessent findet und zum Anderen als sicher gelten kann, dass ihn der Neuzugang mindestens gleichwertig ersetzt, insbesondere was seine Qualitäten in der Arbeit gegen den Ball –im „Reagieren“ -betrifft. Denn dort brennt es aktuell lichterloh.
Weitere Quellen:
Steckbrief Michael Schulze bei kicker.de
Transferübersicht aller Vereine für Sommer 2014 auf transfermarkt.de (Transfers mit Ablösesummen)
Artikel zur kicker-Rangliste Außenbahn defensiv 2. Liga Saison 2012/2013 auf kicker.de
Leistungsdaten mit Bewertungen Florian Dick Saison 2013/2014 auf kicker.de
kicker-Rangliste Außenbahn defensiv 2. Liga Saison 2013/2014 auf kicker.de
Leistungsdaten mit Bewertungen Michael Schulze Saison 2014/2015 auf kicker.de
Leistungsdaten Michael Schulze Saison 2015/2016 von transfermarkt.de
Leistungsdaten mit Bewertungen Michael Schulze Saison 2015/2016 auf kicker.de
Interview von bundesliga.de mit Tayfun Korkut (zusätzlich direkt im Artikel verlinkt)
Transfermeldung "Lautern: Kein neuer Vertrag für Schulze" auf kicker.de
Facebookseite von Michael Schulze mit Statement zu seiner aktuellen Situation
Meldung des FCK zur Verpflichtung von Phillipp Mwene
Übersicht Transferschluss in unterschiedlichen Ländern auf transfermarkt.de
Newsmeldung von kicker.de zum Transfer von Sascha Mockenhaupt
Online-Artikel der Rheinpfalz (unter anderem über die weiteren Personalplanungen)
Leistungsdaten mit Bewertungen Phillipp Mwene Saison 2016/2017 auf kicker.de