Sich vor seine Mannschaft zu stellen, wenn es schlecht läuft, ist für viele Trainer und Spieler zur Gewohnheit geworden. Klar, man ist ein Team und will das nach außen hin demonstrieren. Sich jedoch hinter seine Mannschaft zu stellen, wenn es gut läuft, ist eine Tugend, die zunehmend in Vergessenheit gerät. Doch zwischen Selbstdarstellern, Einzelspieler-Preisträgern und Davie Selkes tummeln sich im deutschen Fußball immer wieder Spieler, die nach 5,5 erzielten Toren in drei Spielen auf die Aussage „Sie als Man of the Match…“ mit einem energischen „ne, ne, ne, ne“ reagieren. Terrence Boyd ist einer dieser Spieler. Einer, der sich hinter die Mannschaft stellt - einer, der bescheiden bleibt, obwohl es durchaus erlaubt wäre, zumindest etwas abzuheben. Und der Neuzugang aus Halle ist auch einer, der den Fans ständig das Gefühl gibt, Teil von dem zu sein, was da auf dem Platz passiert. Im Interview nach dem großartigen Derbysieg gegen den FC Saarbrücken galten all seine Worte den anderen: Den Mitspielern, dem Trainerteam, dem 12. Mann und der ganzen Westkurve. Stunden später twitterte er: „Mir fällt übrigens immer noch kein passendes Adjektiv ein, wie es sich anfühlt, vor 'ner vollen West zu treffen.“ Saarländer würden ja „schweinegeil“ sagen.
Spieltagsbilder: 1. FC Kaiserslautern - 1. FC Saarbrücken (3:1)
"Dann gewinnen wir eben zu zehnt"
Für den zweckpessimistischen FCK-Fan standen die Vorzeichen vor der Partie gegen den FCS wie immer möglichst schlecht. Braunschweig eiert sich von Sieg zu Sieg, während die mit sechs Punkten Abzug bestraften Saarbrücker den Mund nicht hätten weiter aufreißen können. Man würde doch nicht die restlichen Spiele allesamt gewinnen? So viel Glück könnte und so viel Qualität würde der in der Bundesliga längst vermisste Traditionsclub doch nicht haben, dachten sich viele der Lautrer Anhänger:innen. Doch die Mannschaft von Trainer Marco Antwerpen samt des Königstranfers Terrence Boyd bewies allen, die je Kritik übten, dass sich diese Mannschaft von nichts mehr in der Welt aufhalten lässt. Nicht von roten Karten und schon gar nicht von Gegentoren. Und wenn es dann doch geschieht, dass die Roten Teufel aufgrund zahlenmäßiger Unterlegenheit in den eigenen 16er gedrückt werden, wird eben Matheo Raab zum Vorlagengeber mit einem Abschlag, den seit dem WM-Achtelfinale 2010 niemand mehr gesehen hat. Dazu ein Phillip Hercher in gewohnter Topform und ein Kenny Prince Redondo, der nach langer Zeit das Tor trifft.
Terrence Boyd: Die amerikanische Sturmbestie
Wer oder was soll diese Mannschaft eigentlich noch aufhalten, wenn sie sich so anstellt? Mit Blick auf das große Buch der Fußball-Floskeln kann die Antwort darauf nur lauten: "Lediglich sie selbst." Wobei selbst dafür die Vorstellungskraft nicht ausreicht. Sämtliche Zweifel, die nach schwachen Spielen - beispielsweise gegen 1860 München - aufkamen, wurden durch den Zyklopen im Sturm, der amerikanischen Sturmbestie, erfolgreich weggeweht. Der Befürchtung, dass die Systemumstellung von Daniel Hanslik auf Boyd die nötige Aggressivität und vor allem Spritzigkeit im Pressing nehmen könnte, steht heute ein fulminanter Knipser namens Terrence Boyd gegenüber. Diese Lobrede ist noch nicht vorbei. Denn, so lange wie dieser Verein schon keinen mehr hatte, muss der Begriff „Knipser" erläutert werden. Wikipedia sagt dazu: „Umgangssprachlicher Begriff, der einen besonders treffsicheren Stürmer bezeichnet."
Timmy Thiele hat hin und wieder das Tor getroffen, und auch Marvin Pourié tut das für Würzburg immer noch. Doch seit Mohamadou Idrissou hatte der 1. FC Kaiserslautern keinen Stürmer mehr in seinen Reihen, der genetzt hat, wenn es wirklich wichtig war, wenn es unwichtig war und wenn es so schien, als könnten andere Spieler aus einer bestimmten Position niemals ein Tor erzielen. Vor Terrence Boyd war der FCK in der Lage aus jedem Spiel ein Unentschieden herauszuholen. Mit Terrence Boyd können Spiele zu zehnt gewonnen werden. Was dem besten Wintertransfer der Vereinsgeschichte übrigens die Krone aufsetzt, ist die Tatsache, dass Elias Huth, der auf dem Betze stets sympathisch aber immer glücklos wirkte, ein Team gefunden hat, in das er nicht nur reinpasst, sondern in dem er eine wichtige Rolle spielen kann. Halle und der FCK sorgten in der Vergangenheit regelmäßig für hitzige Duelle in Liga 3 und dem DFB-Pokal. Doch mit diesem wechselseitigen Transfer wurde einfach allen geholfen. Im Übrigen war es das mit den Duellen in Liga 3 für's erste.
Der FCK steigt auf
Am kommenden Wochenende darf sich Lauterns ärgster Konkurrent, die Eintracht aus Braunschweig, auf ein spielfreies Wochenende freuen - oder je nach Perspektive über ein spielfreies Wochenende ärgern. In Wiesbaden können die Roten Teufel ihren Vorsprung auf fünf psychologisch extrem wichtige Punkte ausbauen. Und wenn der Tabellenführer aus Magdeburg, in dessen Rückspiegel der FCK zumindest zu sehen ist, gegen Braunschweig abliefert, sind die Lautrer nicht nur so gut wie aufgestiegen. Am vorletzten Spieltag könnten sich die Pfälzer sogar eine peinliche Niederlage gegen Köln erlauben. Das Horror-Szenario eines letzten Spieltages, an dem man als FCK-Fan nur zusehen kann, wie eine Magentasport-Konferenz über die Zukunft des Vereins entscheidet, würde ausfallen. Und die Pfalz könnte sich auf eine Woche voller Feierlichkeiten und einen Sommer voller Vorfreude freuen.
Wo bleibt das Haar in der Suppe?
Die Leser:innen dieser Kommentare sind es durchaus gewohnt, dass an dieser Stelle auch Negativpunkte herausgearbeitet werden. Doch in der aktuellen Lage scheint sich kein einziger solcher Punkt finden zu lassen. Wäre da nicht die Anhängerschaft des 1. FC Saabrücken, die ihre Leuchtfackeln teilweise bis zur Mittellinie warf und damit sowohl die eigenen Spieler als auch das Schiedsrichter-Gespann und die Spieler des 1. FC Kaiserslautern in Gefahr brachten. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, an dem das Spiel aus Saarbrücker Sicht noch völlig offen war. Eine solche Zurschaustellung 'gefährlicher Dummheit' muss von DFB dringend bestraft werden. Und damit sollten genug Haare in der von Maggi geschwängerten Lyoner-Suppe sein.
Mehr Lobhudelei, mehr Taktik
Um jedoch mit einer positiven Note zu enden, muss hier nochmals auf die taktische Aufstellung beziehungsweise das System eingegangen werden. Denn Marco Antwerpen gab dieser Mannschaft in seiner jetzt über einjährigen Amtszeit ein taktisches Rüstzeug mit auf den Platz, welches sie von anderen Trainern nicht bekam. Natürlich war es Glück im Unglück, dass Antwerpen nach dem Platzverweis von Kevin Kraus 15 Minuten Zeit hatte, seiner Mannschaft zu erklären, wie es weitergehen müsse. Doch allein die Tatsache, dass der roten Karte keine Auswechslung in der Halbzeitpause folgen musste, spricht für das System Antwerpens. Aus der Fünferkette, respektive Dreier-Innenverteidigung kann schnell und ohne Hinzutun von Spielern eine Viererkette gebildet werden. Die Offensivkräfte wiederum können die linke und die rechte Seite sowie die Sturmspitze praktisch besetzen, wie sie wollen. Dazu hat der FCK mit Hikmet Ciftci und Marlon Ritter zwei Box-to-Box-Spieler, die man einsetzen kann, wo man möchte. Variabilität kennt mit dieser Mannschaft keine Grenzen. Und die immer wieder vorkommenden Vorstöße von Boris Tomiak auf der rechten Flanke sind zu einem Spielzug geworden, mit dem bislang kein Drittligateam umgehen konnte und auf den in der Regel immer eine Torchance folgt.
Zum Abschluss noch ein Aufstellungs-Funfact der Extraklasse. René Klingenburg hat es in dieser Saison in allen Mannschaftsteilen stehend in die Kicker-Elf des Tages geschafft. Abwehr, Mittelfeld, Sturm. Und jetzt genug Bauchgepinsel. Genießt das Osterfest. Es wird das letzte als Drittligist sein.
Quelle: Treffpunkt Betze
Quelle: Treffpunkt Betze