Als Ivo Ilicevics rechter Fuß den Betze zum Beben brachte
- Leonard
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Tiffert legt quer, Nemec lässt durch und Ilicevic zieht ab. Rund 18 Meter fliegt der Ball durch die Luft und schlägt oben rechts unhaltbar ein. Der Betzenberg bebt. Der große Außenseiter, der Aufsteiger, der FCK geht in Führung und legt sich wieder mal mit dem FC Bayern an. Einst war es Michael Schjönberg, jetzt heißt der Protagonist Ivo Ilicevic. Während der Linksaußen seine typische Jubelpose im bordeauxroten Trikot zur Schau stellt, packt Cheftrainer Marco Kurz die Säge aus. Die Welt des 1. FC Kaiserslautern ist am jenen 27. August 2010 schwer in Ordnung. Es ist die 36. Spielminute, in der ganz Fußball-Deutschland weiß: Der FCK ist wieder da. Dies sah scheinbar auch ein arabischer Kommentator so, der sich mit seiner Art des Kommentierens unsterblich machte. "Oooa… dasdi… Gooooal, lalalalalala! La muschma cool! La mehadie lamuschma cool! Jalahabelehadar Ivo Ilicevice. Goooooale! Muschmunken. Muschmunken, muschmunken! Kai-sers-lau-terrrrn" - so oder so ähnlich waren seine Worte.
Es ist angerichtet
Doch zurück zum Anfang: In der Saison 2010/11 feiert der 1. FC Kaiserslautern nach vier Spielzeiten in Liga zwei sein lang ersehntes Comeback in der Bundesliga. Nachdem Marco Kurz die Mannschaft in der Vorsaison zur Zweitliga-Meisterschaft führte, ist die Euphorie rund um den höchsten Fußballberg Deutschlands groß. Doch auf die Heimpremiere im Fritz-Walter-Stadion müssen die Lautrer Anhänger noch warten, da der FCK am ersten Spieltag zum 1. FC Köln reisen muss. Binnen 18 Minuten machen die Roten Teufel mit einem Doppelpack von Srdjan Lakic und einem weiterer Treffer von Ivo Ilicevic den 3:1 Auswärtssieg perfekt. Damit war es dann angerichtet: Freitagabend, Flutlicht und ein ausverkaufter Betzenberg mit dem FC Bayern als Gast. Die große Bühne war bereit. Bereit für ein Spiel, das sich nach Anpfiff in die Liste der legendären Begegnungen dieser beiden Vereine einfügen sollte.
Ein ungleiches Duell
Der FCK startet mit einem variablen 4-2-3-1 System, in dem Jiri Bilek als defensiver Abräumer agiert und Christian Tiffert je nach Spielsituation in die Offensive eingreift oder sich neben Bilek zurückfallen lässt. Das Tor der Pfälzer hütet Tobias Sippel, die Abwehrkette bilden Florian Dick, Martin Amedick, Rodnei und Leon Jessen. Die Lautrer Offensive bekleiden Oliver Kirch und Ivo Ilicevic auf den Außenbahnen, Adam Nemec als hängende Spitze und davor Srdjan Lakic als alleiniger Stürmer. Auf der anderen Seite steht der Kader des amtierenden deutschen Meisters, gespickt mit späteren Weltmeistern und Champions-League Siegern: Ribery, Klose, Lahm, van Bommel, Schweinsteiger. Sie sollen für den selbsternannten Stern des Südens durch die Hölle gehen und den Teufel besiegen. Eine Selbstläufer, möchte man meinen.
Kroatischer Doppelschlag in der Pfalz
Die Bayern kommen zum Aufwärmen raus und der Betze empfängt die Gäste gewohnt warmherzig. Pfiffe, so laut wie ein Flugzeugstart, fasst Tobi Sippel die Stimmung später zusammen. Als die Westkurve dann noch das Spruchband "Wisst ihr noch wie es damals war – Deutscher Meister wird nur der FCK" ausrollt, ist jeder einzelne auf dem Rasen und auf den Rängen bereit für dieses ehrwürdige Spiel. Die ersten Minuten zeigen ein klares Bild. Bayerischer Kombinationsfußball trifft auf Pfälzer Kampfgeist. Dann die 24. Minute: Bastian Schweinsteiger schickt Thomas Müller, der wenige Wochen zuvor mit fünf Treffern zum WM-Torschützenkönig gekrönt wurde, auf die Reise. Nun läuft Müller frei auf das Lautrer Tor zu - mit der festen Mission, der große Partycrasher zu werden. Doch nicht an diesem Freitagabend. FCK-Torhüter Tobias Sippel schaut den Ball gekonnt am Tor vorbei. Tief durchatmen und einen großen Schluck Karlsberg für die Nerven tanken. Doch es scheint nur eine Frage der Zeit, bis der FC Bayern in Führung geht.
Foto: Imago Images / ActionPictures
Bis zu eben jener 36. Spielminute. Dann explodiert der Betzenberg, weil Florian Dick einen Zweikampf gegen Franck Ribery gewinnt, weil Christian Tiffert die Übersicht behält, weil Adam Nemec den wohl besten Nicht-Kontakt seiner Karriere macht und weil Ivo Ilicevic einen verdammt guten rechten Fuß hat. Ein Tor, so überraschend wie überragend. Ilicevic beschreibt es nach Schlusspfiff so einfach und treffend: „Der Ball kam perfekt, dann habe ich ihn perfekt getroffen. Perfektes Tor.“ Und während Horst Schömbs den Namen des Deutsch-Kroaten ins Mikrofon schreit und das Karlsberg noch durch die Westkurve fliegt, spielt Tiffert einen Ball auf den linken Flügel in den Fuß von Ilicevic. Der nimmt Fahrt auf, lässt Lahm links liegen und spielt den Ball in den Strafraum der Bayern. Badstuber verpasst und Lucky Lakic steht goldrichtig und frei vor Torhüter Hans-Jörg Butt. Eine Chance, die sich der Kroate nicht nehmen lässt. Der Ball schlägt unten links ein. Der Jubel kennt keine Grenzen mehr. Während Lakic und Nemec Arm in Arm eine Jubelrunde durchs Fritz-Walter-Stadion drehen, sitzt Cheftrainer Louis van Gaal still und gedankenversuchen auf der Bayern-Bank. Der Blick des Holländers ließe sich ohne Probleme in ein Lexikon neben den Ausdruck „bedient“ packen. Währenddessen lehnt sich Stefan Kuntz in der VIP-Lounge grinsend zu Uli Hoeneß rüber - doch Hoeneß' Miene verrät, Kuntz lacht über ihn und nicht mit ihm.
Ein Spiel für die Geschichtsbücher
Die zweite Halbzeit wird nur noch durch die rot-weiße Partybrille betrachtet. Da ist es dann auch völlig egal, dass Ilicevic quasi mit dem Schlusspfiff vom Platz fliegt. Der FC Bayern hat der pfälzischen Abwehrkunst insgesamt nur noch wenig entgegenzusetzen. Zwei Spiele, zwei Siege - für den FCK ist es der Auftakt für eine im Nachhinein richtig starke Saison. Am Ende landen die Roten Teufel auf Tabellenplatz sieben und verpassen die internationalen Plätze nur knapp. Die Bayern hingegen spielen eine für ihre Verhältnisse eher schlechte Saison und landen am Ende nur auf Platz drei. Das Spiel zeigte also schon am 2. Spieltag auf symbolische Weise die Gefühlswelten beider Vereine für den späteren Saisonverlauf auf. Der 2:0 Heimsieg war zeitgleich der letzte Sieg der Pfälzer gegen den großen FC Bayern - in zwei späteren Begegnungen im DFB-Pokal unterlag der FCK beide Male sehr deutlich mit 0:4 und 1:5. Dennoch reiht sich diese Partie nahtlos ein in die ganz großen Begegnungen der vergangenen Tage. Eine Fortsetzung wird es hoffenlich zeitnah geben. Dann wird es vielleicht nicht ein kroatischer Flügelflitzer sein, der den FCK zum Sieg schießt. Aber eines ist klar: Es wird auf jeden Fall 'legendär'.
Quelle: Treffpunkt Betze
Quelle: Treffpunkt Betze
- FCKFCB
- FC Bayern München
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- Srdjan Lakic
- Louis van Gaal
- Marco Kurz
- Saison 2010/11
- Legendär