„Mei großi Lieb' zu Lautre kriehsche ned…“

Foto: Imago / Torsten Helmke

Sonntag, 12. Mai 2024, 15:20 Uhr. Seit nunmehr 90 Minuten sitze ich auf meiner Couch und starre auf mein Smartphone. Schon einen Tag zuvor nach der enttäuschenden 1:3-Niederlage bei der Hertha aus Berlin hatte ich mir das so vorgenommen. Alle paar Sekunden aktualisiere ich den Live-Ticker, immer in der Angst, dass aus der 0 im Ergebnisfeld der Auswärtsmannschaft doch noch eine 1 wird. Immer wieder laufe ich auf und ab, pendele zwischen Couch und Balkon. Der irrwitzige Glaube, als könnte mich das etwas beruhigen. Für einen Moment schaue ich nicht auf mein Handy, sondern auf die Bäume des benachbarten Lautrer Volkspark. Das Wetter ist herrlich. Fritz-Walter-Wetter sucht man heute vergebens.


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Ein Abstieg wäre eine Katastrophe


Erinnerungen steigen in mir hoch. Schon einmal hatte ich dies genauso erlebt. Damals spielte der FSV Frankfurt gegen den FC Augsburg. Augsburg durfte nicht gewinnen, FSV-Stürmer Cidimar sorgte mit seinem Fallrückzieher für den Ausgleich der Frankfurter, was dem FCK den Bundesliga-Aufstieg bescherte. Heute, 14 Jahre später, geht es „nur“ um den vorzeitigen Klassenerhalt in Liga Zwei. Meine Anspannung mindert das jedoch keineswegs. Denn wieder spielen nicht die Roten Teufel. Wieder haben die Männer in Rot am Tags zuvor ihren ersten eigenen Matchball vergeben. Daher muss heute Wiesbaden verlieren. Es läuft gut. Braunschweig führt seit der 22. Minute mit 1:0. Doch die Hessen rennen an, spielen in Überzahl. Die Anspannung ist zum bärsten. In der Nachbarschaft ist ein Balkon mit FCK-Schals und Fahnen geschmückt. Leise vernehme ich die Stimme des Kommentators. Bitte, bitte kein Endspiel gegen Braunschweig am letzten Spieltag. Lass diese Horror-Saison ein vorzeitiges Ende finden. Ein neuerlicher Abstieg in die 3. Liga wäre eine Katastrophe. Sportlich, wirtschaftlich. Aber vor allem auch emotional.

Plötzlich ist der Klassenerhalt greifbar nah


Samstag, 4. Mai, gegen 22:30 Uhr. Auch dieser Spieltag ist bereits voller Emotionen. Der FCK kann nach dem überraschenden Sieg in Kiel gegen die Konkurrenz einen großen Schritt in Richtung Rettung machen. Und die Teufel liefern. Gewinnen hochverdient mit 4:1. Der Betze bebt. Den ganzen Tag über war es in der Barbarossastadt trüb und bewölkt gewesen. Doch als kurz vor dem Ende Jan Elvedi zum 4:1-Endstand trifft, schüttete es wie aus Kübeln. Und wie schon so oft dachten wohl viele: Fritz ist auch heute wieder bei uns. 14 Tage zuvor nach dem Spiel gegen Wiesbaden musste ich aufpassen, dass mir nach Schlusspfiff nicht eine Träne über das Gesicht lief. Die Situation schien hoffnungslos. Doch nun war es wieder greifbar: Die Unzerstörbar segelte wieder. Der Hafen namens Klassenerhalt zum Greifen nah.

Rettung auf der Couch: Die Emotionen fahren Achterbahn


Sonntag, 12. Mai 2024, 15:28 Uhr. Ich bin zurück auf der Couch und aktualisiere Sekunde für Sekunde den Live-Stream. Es läuft bereits die achte Minute der Nachspielzeit. Es muss doch eigentlich jeden Moment vorbei sein. „Pfeif‘ doch endlich ab!“, rufe ich. Die Sekunden, die verrinnen, sie fühlen sich in diesem Moment an wie Stunden. Dann ist es soweit: Auf meinem Display erscheint die Meldung: „Schlusspfiff!“. Es ist vollbracht. Wir sind gerettet! Ein lauter Schrei entfährt mir. Nicht der einzige, der an diesem Nachmittag in der Nachbarschaft zu vernehmen ist. Doch Jubel bricht nicht in mir aus. Vielmehr ein großes „Gott sei Dank-Gefühl", das bis zum heutigen Tag anhält und in seiner Intensität nicht nachgelassen hat. Gott sei Dank bleiben wir zweitklassig. Gott sei Dank, reißen wir uns nach nur zwei Jahren nicht alles wieder ein, was wir uns mühevoll in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Ich denke an die vielen Kinder, die sich endlich wieder mit ihrem FCK identifizieren, in rot-weißen Trikots auf dem Bolzplatz kicken. Und zwar nicht in denen des FC Bayern, sondern in denen des geilsten Klubs der Welt. Und ich denke an meinen kleinen Neffen, zu dessen ersten Worten die Zeilen des Betze-Lieds gehörten und dessen erster Stadionbesuch noch vor ihm liegt. Just in diesem Moment erklingt auf dem geschmückten Nachbarsbalkon, von dem ich vor einigen Minuten noch den Spielkommentar vernommen habe, das Betze-Lied. Wir haben es geschafft. Jetzt wird es allmählich greifbar.


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Noch vor der Saison hätte ich diesen 15. Platz, den die Roten Teufel aktuell inne haben, sofort unterschrieben. Von höheren Zielen träumte ich nicht. Zu präsent war noch die 3. Liga. Auch an die Angst vor dem Totalabsturz in die Bedeutungslosigkeit des Amateurfußballs konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Doch hätte ich vor der Saison noch Zufriedenheit empfunden, mischt sich nun neben Erleichterung auch ein Hauch von Sorge in meine Gefühlswelt. Zu viel war in diesem Jahr einfach schief gelaufen. Da war die chaotische Trennung von Aufstiegstrainer Dirk Schuster. „Stagnation ist Rückschritt“, hieß es damals von FCK-Boss Hengen. Es kam Dimitrios Grammozis und mit ihm der Absturz in die Abstiegszone – samt Entlassung nach nicht einmal drei Monaten. Was hätte ich mir heute eine Stagnation auf Tabellenplatz 13, auf dem wir bei der Schuster-Entlassung damals standen, gewünscht. Die chaotische Wintertransferperiode mit nicht nachvollziehbaren Zugängen und nicht minder unerklärlichen Abgängen tat ihr Übriges. Die so wichtige Identifikation mit den Männern in Rot, die in Kaiserslautern so essentiell ist wie bei kaum einem anderen Klub in Deutschland, sie war erheblich ins Wanken geraten.

Identifikation, Herzblut, Stabilisierung


Was wird die Zukunft bringen? Lernen die Verantwortlichen aus den Fehlern der vergangenen Saison? War die Rückrunde ein Warnschuss für die Zukunft? Oder erst der Anfang eines erneuten Niedergangs, wie vor dem Zweitliga-Abstieg 2018? Nach der Niederlage in Berlin wiederholte Vereinsboss Hengen gegenüber der Rheinpfalz das Mantra, das die FCK-Fans seit einem Jahr zu hören bekommen: Der Kader habe viel Potenzial, die Trainer müssten es nur herauskitzeln und nutzen. Auch die Systemumstellung Funkels monierte er. Selbstkritik? Fehlanzeige. Eine gemeinsame Weiterarbeit scheint da äußerst unwahrscheinlich. Ein Zustand, der mir Bauchschmerzen verursacht. War doch Geschlossenheit und Ruhe eine, wenn nicht DIE große Stärke des FCK, seit Hengen das Ruder übernommen hatte. Nichts drang nach außen, keine Unstimmigkeiten, keine Vertragslaufzeiten, keine Reibereien in den Gremien. Seit gut einem Jahr ist das passé. Quo vadis FCK? Wieder einmal stelle ich mir diese Frage.


Doch diese Gedanken fühlen sich mit dem Klassenerhalt im Rücken deutlich erträglicher an. Es dominiert mal wieder der in Kaiserslautern zur DNA gehörende Grundoptimismus nach einer Saison, dass sich schon alles zum Guten wenden wird. Wir sind schließlich der FCK. Und der gibt nicht auf. Niemals. Nicht auf dem Platz und schon gar nicht auf den Rängen. Das hat der Schlussspurt dieser Saison wieder einmal eindrucksvoll bewiesen.

Aufgegeben wird nicht!


Ich stehe von der Couch auf und gehe wieder auf den Balkon. Das Adrenalin hat sich gelegt. Ich kann mich setzen und die Sonnenstrahlen genießen. Mir kommt ein Lied des legendären Lautrer Mundartdichters Eugen Damm in den Sinn, der nicht besser zu unserer großen rot-weißen Liebe passen könnte: „Du kriehsch moi letztes Hemd, mei letzti Zigarett. Jedoch mei großi Lieb zu Lautre, kriehsche ned!“ Nein, niemals. Sie ist stärker als jeder Zweifel. Das war so, das ist so und das wird so bleiben. Ein leben Lang. Auch in der kommenden Saison. In der Zweiten Liga! Forza FCK!


Quelle: Treffpunkt Betze


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