ZitatAlles anzeigenAlle lieben St. Pauli. Das Vergnügungsviertel rund um die Reeperbahn ist bei einem Hamburg-Besuch ebenso Pflicht wie eine Hafenbesichtigung. Und dann denkt man natürlich sofort an diesen Kult-Klub mit dem markentechnisch sensationellen Image. Irgendeinen Fan-Artikel des FC St. Pauli zu besitzen, gilt bei vielen von uns als schick. Wegen des lockeren, unkonventionellen Ansehens des Kiez-und Piraten-Klubs und wegen der ungewöhnlichen Vereins- und Trikothauptfarbe Braun. Natürlich ist das auch Methode.
Die Marketingprofis in der Lieblingsstadt vieler Werber sind schon lange dabei, die betonte Unangepasstheit der Gerne-Underdogs mit viel Geschick und großem Erfolg in bare Münze zu verwandeln. Die meisten von uns lassen sich von solch einer perfekten Markenstrategie liebend gerne verführen. In Sachen Sympathie und kreativer Vermarktung ist der im sportlichen Klassement hinter dem heutigen Gegner 1. FC Kaiserslautern stehende FC St. Pauli absolute Zweitligaspitze und selbst in der Bundesliga ganz oben dabei.
Fast alle, die ein bisschen mit einem coolen Image angeben wollen, nennen in Hamburg den Kiez-Klub als Lieblingsverein und nicht den sportlich viel, viel erfolgreicheren Rivalen HSV. Was für München der Slogan Laptop und Lederhose ist, könnte in Hamburg i-Phone, sanierte Altbauwohnung und St.-Pauli-Freund heißen. Klar, dass Marketingprofis angesagte Marken mit St.-Pauli-Devotionalien in eine einträgliche Kommerz-Verbindung gebracht haben. So hat der Vertriebspartner Gravis des gefühlten Computer-Marken-Weltmeisters Apple neben braunen i-Pod-Socken längst eine Laptop-Tasche mit dem Totenkopf-Logo des FC St. Pauli auf den Markt geworfen. So eine trägt sogar ein angesagter Düsseldorfer Hochschuldirektor aus dem Landkreis Osnabrück spazieren. Marketing-Volltreffer.
Heuer feiert der Klub vom Millerntor sein 100-jähriges Bestehen. Und natürlich heißt es auf dem Vereinslogo nicht wie bei „normalen" Produkten „established since", etabliert seit, sondern „non established since 1910", nicht etabliert und verwegen seit 1910. Alles anders, alles durchdacht, alles verführerisch seit dem genialen Gedanken mit den Kult-T-Shirts „Weltpokalsiegerbesieger" und „Weltpokalsiegerbesieger-Retter". Intelligent und kreativ hat der damals kurz vor dem Lizenzverlust stehende Hamburger Klub aus dem 2:1-Sieg am 6. Februar 2002 gegen den Weltpokalsieger Bayern München mehrfach Kapital geschlagen. Die T-Shirts waren und sind ein Verkaufsschlager. Diese zehn und nun 15 Euro ließ und lässt sich fast jeder Fußballfan liebend gern aus der Tasche ziehen. Und im Falle des Bundesliga-Aufstiegs im Jubiläumsjahr wird es neue braune Kultsachen geben. Dass das mit dem Aufstieg nicht so leicht wird, dagegen will der FCK, der sich unter Stefan Kuntz" Führung nicht nur sportlich, sondern auch vermarktungstechnisch stark verbessert hat, heute Abend im Fritz-Walter-Stadion ankämpfen. Mit ganz viel „Herzblut".
Oliver Sperk
Publikation: Pfälzische Volkszeitung
Ausgabe: Nr.44
Datum: Montag, den 22. Februar 2010
Seite: Nr.21