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FCK heute bei Hertha BSC Berlin - Sippel kann spielen - Borysiuk fit - Wooten stürmt
Alles oder nichts! Hertha BSC Berlin hat das Spiel gegen Bundesliga-Schlusslicht 1. FC Kaiserslautern heute (15.30 Uhr) zum „Endspiel” ausgerufen. 46.000 Karten sind verkauft, 53.000 Zuschauer werden erwartet.
Die Kellerkinder haben Personalsorgen. Nach dem Abschlusstraining gestern Mittag signalisierte FCK-Torhüter Tobias Sippel, der sich mit Rückenproblemen geplagt hatte, Einsatzbereitschaft. Ariel Borysiuk ist wieder fit, Andrew Wooten stürmt erstmals in der Startelf. Richard Sukuta-Pasu fällt erkrankt aus.
„Für mich ist es eine Ehre, gegen einen Trainer wie Otto Rehhagel zu spielen, der so unglaublich erfolgreich war”, sagt FCK-Trainer Krassimir Balakov, der nach Michael Skibbes Entlassung in Berlin Gespräche mit den Hertha-Verantwortlichen führte. „Sie haben einen Feuerwehrmann gesucht - das bin ich nicht”, erklärte der Bulgare.
Eine Frage der Ehre ist die Partie aus der Sicht von FCK-Routinier Mathias Abel auch für die Mannschaft. „Wir haben unser Ziel verfehlt”, sagt Abel. Der Misserfolg zehrt an ihm. „Wir wollen uns wenigstens anständig verabschieden”, versichert der 30-Jährige, der die Rumpftruppe heute als Kapitän aufs Feld führen wird.
Abel stand mit Tränen in der Westkurve, als der FCK 1996 erstmals abgestiegen war. Als Otto Rehhagel den FCK zwei Jahre später zur Meisterschaft führte, war Abel 17, spielte beim FCK in der Jugend. „Ich habe das damals mit großen Augen verfolgt. Otto Rehhagel hat sich da ein Denkmal gesetzt. Aber er war ein Trainer, der nicht so auf die Jugend gesetzt hat. Deshalb bin ich dann auch weggegangen ”, erzählt der Abwehrmann. Oliver Schäfer, heute Co-Trainer, hatte beim Meisterstück 1997/1998 zehn Einsätze. Seine Erinnerung an Rehhagel ist zwiegespalten. „Als wir in Baden-Baden als Mannschaft des Jahres geehrt wurden, stellte er uns im Fernsehen vor. Als ich dran kam, sagte er, Oliver Schäfer ist mein fittester Spieler, aber er spielt nie. Ich hatte mir ein Jahr den Hintern aufgerissen, nie Stunk gemacht ...”, sagte Schäfer.
So spielen sie
Hertha BSC Berlin: Kraft - Lell, Niemeyer, Janker, Bastians - Ottl, Perdedaj - Rukavytsya, Raffael, Torun - Ramos (Lasogga) - Es fehlen: Djuricin (Knöchelverletzung), Franz (Kreuzbandriss), Hubnik (Außenbandanriss am Sprunggelenk), Kobiashvili (Rot-Sperre), Lustenberger (Knochenmarködem im Mittelfuß), Mijatovic (Achillessehnenreizung), Neumann (Aufbautraining)
1. FC Kaiserslautern: Sippel - Dick, Abel, Rodnei, Bugera - Borysiuk - Fortounis, Kirch, De Wit, Sahan - Wooten - Ersatz: Trapp, Yahia, Jessen, Petsos, Swierczok, Shechter, Wagner - Es fehlen: Derstroff (Angina), Jörgensen (Schambeinentzündung), Kouemaha (Achillessehnenriss), Simunek (Achillessehnenreizung), Sukuta-Pasu (Infekt), Zellner (Halswirbelstauchung), Tiffert (Gelb-Sperre)
Schiedsrichter: Stark (Ergolding)
Hinrunde: 1:1.
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STADTLEBEN
Im Wohnzimmer der FCK-Fans
Frei von aller Schuld an der miserablen Saisonvorstellung des 1. FC Kaiserslautern ist der zwölfte Mann. Trotz der oftmals erbärmlichen Leistungen unterstützten und unterstützen die Fans ihre Elf und halten ihr die Treue. Keiner weiß das besser als Volker Blume. Der 50-Jährige kennt die Sorgen und die Hoffnungen des zwölften Mannes aus erster Hand.
Seit vier Jahren ist Blume der Wirt des „Fantreffpunkts zum zwölften Mann”, einer Fußballkneipe mit Kultstatus. 200 Schals an der Decke und ein halbes Hundert Trikots an den Wänden lassen keinen Zweifel daran, dass sich hier alles um Fußball und den 1. FCK dreht. „Das ist das Wohnzimmer der Fans”, sagt der Wirt, der für einen in der Wolle gefärbten Anhänger der Roten Teufel an ungewöhnlichem Ort geboren wurde, nämlich in Mainz. Doch mit dem dortigen Fußballverein hatte er noch nie etwas am Hut, sein Herz schlug von jeher für den FCK, der auch den Ausschlag dafür gab, dass er vom Rhein an den Betzenberg zog.
Volker Blume erzählt von FCK-Fans, die aus der Schweiz, aus Österreich und dem Ruhrgebiet nach Kaiserslautern reisen, um ihren Klub, den FCK, spielen zu sehen. Und bevor sie ins Fritz-Walter-Stadion pilgern, machen sie im zwölften Mann Station. Was dem zwölften Mann auf den Nägeln brennt, weiß der Wirt aus vielen Gesprächen. Die Mannschaft, klagt er, habe ihren treuen Fans so wenig in dieser Saison zurückgegeben. Immer wieder dieselben Lippenbekenntnisse seien von den Spielern und Verantwortlichen nach Niederlagen zu hören gewesen. „Das mit dem Herzblut kann ich nicht mehr hören”, sagt Blume, der „vom Kopf” mit der Saison schon abgeschlossen hat. Wäre er Trainer der Mannschaft gewesen, dann hätte er die Spieler nach der Niederlage in Leverkusen „zu Fuß nach Hause laufen lassen”.
Heute wird Blume in seiner Kneipe mit Fans zusammen vor dem Bildschirm die Partie der Roten Teufel gegen Hertha BSC Berlin live verfolgen und möglicherweise den dritten Abstieg seines Vereins erleben. Sollte Letzteres der Fall sein, dann bietet der zwölfte Mann noch etwas fürs Gemüt. Heute Abend tritt dort der Sänger Tom Bola mit melancholischen Liedern à la Bob Dylan auf.
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Betze-Geflüster
Fahnen - Flucht
Die rote Wand auf dem Betzenberg bröckelt. Die Wand, vor der so viele gegnerische Spieler Respekt und Ehrfurcht haben, zerbröselt in ihre Bestandteile. Erst wurden die Schals weniger, dann ließ der ein oder andere sein Trikot daheim. Und jetzt bröselt noch ein Baustein der roten Wand: die Fahnenstangen.
Nicht nur die kleinen Fähnchen, die in jeden Rucksack passen. Nein, auch die große, eine der größten in der Bundesliga, zeigte sich beim Spiel gegen Nürnberg nur als dünnes, unscheinbares Stängchen in der Fan-Wand - eingerollt.
Aus Enttäuschung, Wut, Erschöpfung? Ein Zeichen dafür, dass auch der Hardcore-Fan langsam die Segel streicht und sich zurückzieht? Wie zuverlässig und aussagekräftig ist das Fahnenbarometer?
Eins ist sicher, die Sache mit den Stoffstücken an Stangen, die denen da unten auf dem Rasen zeigen sollen, dass der zwölfte Mann da oben mitkämpft, hat eine lange Tradition. Die mit Liebe beginnt. Mit Liebe zu einem Verein, manchmal auch zu einem Spieler, später in Verbundenheit zu einem Team, einer Philosophie, immer weiter wächst.
Während die einen Trikots sammeln, die anderen Schals, Autogramme, Bücher, haben andere das Gefühl, noch mehr tun zu müssen. Die einen greifen zur Trommel und schicken ihren Herzschlag aufs Feld, andere lassen ihre Phantasie schweifen, malen, nähen und basteln, kreieren oder bestellen schließlich eine Fahne, die ihre Verbundenheit ausdrückt. Das Vergnügen ist nicht gerade billig. Eine große Schwenkfahne kann schon bis zu 1000 Euro kosten. Um alle Auflagen zu erfüllen, darf der Stoff nicht entflammbar und er soll leicht sein.
Wer das gute Stück dann endlich hat, investiert weiter, Muskelkraft, denn das schwere Ding will ja auch geschwenkt werden, und Energie der ganz anderen Art. Vor allem dann, wenn es zu Auswärtsspielen geht. Denn während bei Heimspielen des FCK in der Westkurve so gut wie alles erlaubt ist, was aus Stoff besteht und sich schwenken lässt, kann es bei Auswärtsspielen schwierig werden, den verlängerten Fan-Arm mitzunehmen. Die Fanbeauftragten kämpfen um Genehmigungen, tauschen sich über Fahnengrößen und Stablängen aus. Und meist gibt es dann einen Kompromiss, der bewirkt, dass die Auswärtsfans es stimmungsmäßig schwer haben gegen die heimische Übermacht.
Im Spiel gegen Nürnberg war das anders. Nicht dass die Franken die größeren Fahnen gehabt hätten. Die hat immer noch der FCK. Aber ihre Schwenker, sie hatten mehr Ausdauer. Gleich zu Beginn schickten sie ein deutliches Signal Richtung Westkurve: „Hier regiert der FCN.” Dann ging es dauersingend und -schwenkend weiter. Kariert, gestreift, bunt, groß, klein, mit Sternen, Kreuzen, Bildern verziert und beschriftet waren die Stoffbahnen, die sich in Kreisen, Achtern und Linien in der Ostkurve bewegten. Während in der Westkurve nur ein paar vereinzelte Trommelklänge ihren Weg durchs Stadion suchten.
Nach dem Abpfiff sind es wieder die Nürnberger, die agieren. Sie schwenken Taschentücher. Und die Lauterer reagieren: Sie lassen die Fahnen stecken und ziehen stattdessen - Taschentücher. Ein Zeichen, dass ihre Träger aufgegeben und die Hoffnung verloren haben; erstmal. Doch es gibt sie noch, dazwischen, die paar Fans, die dem FCK die Treue halten und verhindern, dass die Wand einstürzt. 1900 von ihnen fahren heute nach Berlin. Und der ein oder andere wird sie dabeihaben, zusammengerollt, aber bereit, sie zu schwenken: die FCK-Fahne.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau