Diskussionsthema zum Artikel: "Ein Leben ohne den FCK? - Das kann ich mir nicht vorstellen"
"Ein Leben ohne den FCK? - Das kann ich mir nicht vorstellen"
Teil III unserer "Woche der Freundschaft". Heute sprechen wir mit zwei Lautrern, die den FCK quasi in ihrer DNA haben. Dabei spielt die Fanfreundschaft eine nicht unwesentliche Rolle.
Sie sind beide FCK-Fans mit Leib und Seele. Und das schon seit mehreren Jahrzehnten. Sie haben die glorreichen 90er Jahre miterlebt, aber auch den Niedergang danach. Seit neuestem sind sie sogar Vorsitzende eines eigenen Fanclubs. Besonders am Herzen liegt ihnen dabei auch die Fanfreundschaft zum TSV 1860 München. Im Rahmen unserer „Woche der Freundschaft“ haben uns Christiane und Martin Hauter einen Einblick in ihr Seelenleben gewährt und uns dabei schöne Anekdoten aus aus alten Zeiten erzählt.
Treffpunkt Betze: Hallo Christiane und Martin. Schön, dass ihr euch in dieser angespannten Phase Zeit genommen habt. Man könnte sagen, der FCK durchlebt zurzeit die größte Krise seiner Vereinsgeschichte. Deswegen zu Beginn: Was ist eure frühste Erinnerung an den FCK, wie seid ihr zu dieser Liebe gekommen?
Christiane: Den FCK gab es für mich eigentlich schon immer. Ich kann es nicht an einem genauen Datum festmachen. Eine meiner frühsten Erinnerungen ist jedoch, dass wir 1990 sehr hoch gegen Waldhof Mannheim verloren hatten, anschließend Gerd Roggensack entlassen wurde und dann Kalli Feldkamp kam. Meine Eltern haben dann immer den Videotext verfolgt und man sah, wie der FCK langsam aber sicher vom letzten Tabellenplatz immer höher und höher stieg, nachdem Kalli Feldkamp übernommen hatte. Das ist so meine erste bewusste Erinnerung.
Martin: Ich war 1990 in der 3. Klasse. Ich war auf einem Geburtstag und samstags stand das Pokalfinale gegen Werder Bremen an. Speziell verbinde ich natürlich was den FCK betrifft dann das Folgejahr, als der FCK diesen tollen Lauf hatte, von Sieg zu Sieg eilte und auf einmal klar wurde, dass der FCK Meister werden könnte. Es wurde immer mehr Thema in der ganzen Stadt, der Region und in jeder Lebenslage, ob in der Schule oder in der Freizeit. Ich kann mich noch an meinen ersten Kicker erinnern, auf dem stand: „Hexenkessel Betzenberg“. Das war einfach ein tolles Gefühl. Zu wissen, dass die eigene Heimat und Heimatstadt im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit so etwas Besonderes sind. Dann erinnere ich mich natürlich an das Heimspiel gegen Gladbach, das verloren wurde und man Angst haben musste, die Meisterschaft noch auf den letzten Metern her zu schenken. Doch dann kam das Spiel in Köln, ich hatte Abschlussfest in der 4. Klasse und wir hatten alle Radios dabei. Ich kann mich bis heute daran erinnern, wie dieser Tag ablief, die Tore fielen und wir einfach nur noch gefeiert haben. Das sind Kindheitserinnerungen und von da an war man an diesen Verein gefesselt und gebunden…
Christiane: … und hatte auch nie nur einen Gedanken, man könnte Fan einer anderen Mannschaft sein. Ein Leben ohne den FCK, das kann ich mir seitdem nicht mehr vorstellen.
Treffpunkt Betze: Ihr seid also regelrecht in den FCK hineingeboren. Wann fand denn der erste Besuch auf dem „Betze“ statt?
Martin: Das erste Mal im Stadion war ich in der Saison 1991/1992 gegen Werder Bremen. Auch direkt in der Westkurve. Ich bekam direkt ein packendes 2:2 geboten. Ich war von dieser unheimlichen Lautstärke und dieser fulminanten Stimmung direkt beeindruckt. Auch heute noch empfinde ich es als ein erhebendes Gefühl, wenn man ein Stadion betritt, diese Infrastruktur sieht und dann diese Fankultur erlebt, die mich eigentlich schon immer mindestens so fasziniert hat, wie der Fußball selbst. Diese Erlebnisse, verbunden mit dem Betze, das macht auch den Verein aus. Weniger der Erfolgsgedanke. Das ist natürlich schön, aber diese Emotion rührt von etwas anderem her. Das macht den FCK auch so besonders.
Christiane: Bremen, das war lustigerweise auch mein erstes Spiel. Allerdings schon in der Meistersaison 1990/1991. Ich habe es von der Nordtribüne aus verfolgt und hatte über die gesamten 90 Minuten meinen Blick direkt auf die Westkurve gerichtet. Es war Ende November 1990, Guido Hoffmann machte das 1:0, danach waren wir Tabellenführer und sollten diese Führung nicht mehr abgeben. Wie das auf der Anzeigetafel gezeigt wurde, das weiß ich bis heute und werde ich auch nie vergessen.
Bremen und Pokalendspiel - Auswärtsspiele als besonderes Highlight
Treffpunkt Betze: Davon können wir heute ja leider nur noch träumen. Wann und wohin fand denn eure erste Auswärtsfahrt statt?
Christiane: Auch hier wieder nach Bremen, das müsste bei mir 1993 gewesen sein. Es waren Osterferien und ich war mit meinen Eltern an der Nordsee im Urlaub. Ich habe sie überredet, dass wir auf das Spiel gehen. Leider haben wir es verloren. Ich fand Auswärtsspiele schon immer etwas Besonderes. Du bist weitab der Heimat, auf einmal merkst du es rottet sich um dich herum etwas zusammen, du hörst den dir vertrauten pfälzischen Dialekt, siehst FCK-Outfits, das fand ich schon immer unheimlich schön und besonders.
Martin: Apropos besonders. Mein erstes Auswärtsspiel war auch gleich ein sehr besonderes. Es war das Pokalfinale 1996 gegen den Karlsruher SC in Berlin.
Treffpunkt Betze: Nicht dein Ernst? Wie kam es dazu?
Martin: Unser Lehrer damals war großer FCK-Fan und er hatte diese Fahrt organisiert. Mit dem Bus hin, das Pokalfinale anschauen, wieder zurück und dann die große Pokalfeier. Und Berlin war damals ja nicht überdacht und du wurdest klitschnass und musstest dann so die lange Fahrt zurück antreten. Wir waren damals eben schon leidensfähig (lacht). Und mein nächstes Auswärtsspiel führte mich nach München zu den Bayern, das legendäre 1:0 als Aufsteiger, was der Beginn der sensationellen Meisterschaft war.
Treffpunkt Betze: Ich erinnere mich, dass ich auch so einen begeisterten FCK-Fan als Lehrer hatte, wir haben so etwas aber nie gemacht. (Anm. d. Red.: Martin Hauter ist der ehemalige Deutschlehrer unseres Redaktionsmitglieds Gerrit). Das heißt, du musst wohl oder übel in der Rückrunde jedes Auswärtsspiel mitnehmen.
Christiane: Ich bin zwar öfter auswärts gefahren als Martin, er aber dafür erfolgreicher (lacht).
Treffpunkt Betze: Kommen wir zu unseren Freunden aus München. Was ist eure frühste Erinnerung an den Verein TSV 1860 München?
Christiane: Ich weiß nicht mehr wann es war, aber ich erinnere mich an ein Heimspiel auf dem Betze, als Stadionsprecher Udo Scholz die „Günzburger Löwen“ herzlich begrüßte. Das ist ein Fanclub von 1860 München, die damals anscheinend jedes Heimspiel des 1. FC Kaiserslautern besucht haben. Das wunderte mich damals zwar, aber ich wusste noch nicht wirklich viel über die Fanfreundschaft.
Martin: Es muss so in den 90er Jahren gewesen sein, Wildmoser hatte gerade angefangen. Da las ich in einem Fußballmagazin, so ähnlich wie die 11 Freunde heute, einen großen Beitrag über 1860 München. Und der Artikel hatte ein Titelbild, ein Panoramabild des Stadions, und im Text stand, was für ein emotionaler Verein 1860 sei, und dass sie auch schon länger mit dem FCK verbunden sind. Mich hat aber vor allem fasziniert, dass es so ein traditionsreicher Klub war, der Verein der echten Münchner. Natürlich kam auch die Rivalität zum FC Bayern hinzu, die uns verband. Als ich dann noch erfuhr, dass auch die Regionen Bayern und die Pfalz schon immer eng verbandelt waren, war ich fasziniert. Dieses Hochglanzposter hängt bis heute in meinem alten Jugendzimmer. Seitdem habe ich 1860 immer mitverfolgt.
Ich erinnere mich daran, dass auf dem Betze die Ergebnisse von 1860 immer durchgesagt wurden und sich die Fans immer unwahrscheinlich gefreut haben, wenn die Löwen gewonnen haben. Als sie dann vor dem Aufstieg in die Bundesliga standen, drückte das ganze Stadion die Daumen. Man wollte, dass 1860 es packt und wieder auf die Bayern trifft. Viele Menschen freuten sich richtig mit ihnen.
Damals gab es ja auch noch die Fanfreundschaft mit Bremen, aber die schlief so langsam ein, man sah noch vereinzelt Fanschals. Aber 1860 München war der einzige Verein, bei dem auch Gesänge, wie „60 und der FCK“ gesungen wurden, wenn man nicht gegeneinander spielte. Das alles hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir. Durch den Abstieg der Löwen im Jahr 2004 ging dann leider alles etwas getrennter Wege, jeder war wohl auch mit seinen eigenen Problemen beschäftigt.
Christiane: Ich erinnere mich noch gut daran, es war wohl eine der ersten Begegnungen auf dem Betze. Und es war klar, egal wie es ausgeht, nach dem Spiel findet eine große Feier zusammen in der Nordtribüne statt. So etwas war einfach sehr besonders und kam damals ja schon selten vor. In der heutigen Zeit hat das leider einen noch höheren Seltenheitswert.
Mit Norbert Thines im Sonderzug nach München
Treffpunkt Betze: Das stimmt. Auch deswegen wollen wir mit unserer „Woche der Freundschaft“ zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen, dies wiederzubeleben. Gab es denn eine ganz besondere Auswährtsfahrt nach München, die euch in Erinnerung geblieben ist?
Christiane: Ich erinnere mich an eine Fahrt im Sonderzug nach München, 1995. Zugleich war es für die Löwen das letzte Spiel im Grünwalder Stadion. Und in diesem Sonderzug ist damals hin- und zurück, Norbert Thines, unser FCK-Präsident mitgefahren. Ich war damals 14 Jahre alt und jeder bekam gleich mal ein gratis Bier - von Karlsberg gesponsert - in die Hand gedrückt. Womit ich damals mit 14 Jahren noch nicht wirklich viel anfangen konnte (lacht). Aber es war einfach etwas großartiges, dieses frühe Aufstehen, die lange Reise, dann dazu noch im Sonderzug. Anschießend hatte 1860 für uns alle noch eine Party organisiert, wo alle Fans gemeinsam feierten. Es war ja auch das letzte Spiel im altehrwürdigen Grünwalder Stadion. 3:1 gewannen wir, das war aber fast nebensächlich. Es war ein ganz tolles Erlebnis.
Wir waren dann noch einmal zusammen 2006 in der Allianz-Arena bei einem Auswärtsspiel, aber das war von der Stimmung einfach nicht mehr zu vergleichen. Auch wenn damals rund 40.000 Leute im Stadion waren, es war nicht vergleichbar mit dem Stadion an der Grünwalder Straße. Insgesamt ist alles um die Freundschaft etwas ruhiger geworden, es gibt noch freundlichen Applaus, aber nicht mehr dieses intensive Gemeinsame wie früher. Das liegt sicher auch an der ein oder anderen Gruppierung, die mittlerweile mehr in Richtung Stuttgart schaut, was ich persönlich sehr dubios finde und überhaupt nicht teilen kann.
Treffpunkt Betze: Was macht für euch die Fanfreundschaft zum TSV 1860 München aus, warum ist sie euch heute, im Jahr 2018 noch wichtig?
Martin: Ich glaube grundsätzlich, dass die Traditionsvereine ein Stück weit zusammenhalten müssen. Das Umfeld wird immer schwieriger, Großinvestoren bestimmen mehr und mehr das Bild. Man sollte sich da solidarisieren, gerade gegen die Klubs wie Wolfsburg, Hoffenheim, Leipzig, die all das, worüber wir heute schon gesprochen haben, nicht teilen können. Sie besitzen diese Kultur schlichtweg nicht. Mit 1860 verbinden wir eben auch sehr viele Erinnerungen, ich finde beide Vereine sind auch sehr ähnlich. Sowohl was die Fankultur, aber auch den Leidensweg angeht. Dazu sind Pfalz und Bayern historisch verbandelt, das passt einfach. Ich finde, das sollte auch viel mehr Gegenstand von Vereinspolitik sein. Jemand, der das fördern konnte wie kein Zweiter, war Norbert Thines. Klar, haben wir heute andere Probleme, doch man darf nicht unterschätzen, wie wichtig das für die Identität des 1. FC Kaiserslautern ist.
Christiane: Ich finde gerade in den Zeiten wie wir sie heute haben, würde uns etwas mehr von diesem Geist, nicht im Sinne des Erfolgsgeistes, sondern im Sinne von Zusammenhalt, der Pflege von Freundschaften guttun. Dies auch von Vereinsseite mehr in den Vordergrund zu rücken statt nur Negativschlagzeilen wie Schlägereien und Pyrovergehen zu verbreiten, täte dem Klub immens gut. Es gibt so viel Positives, das den FCK auszeichnet, selbst in der heutigen Zeit. Wir müssten alles was die Sympathie an diesem Verein erweckt viel mehr in den Vordergrund rücken. Das ist doch die einzige Karte, mit der wir heute noch werben können.
Martin: Richtig. Statt sich immer wieder über die zu hohe Erwartungshaltung zu beklagen, sollte man diesen Schatz, den der FCK noch hat, viel mehr wertschätzen und offensiv verkaufen, statt ihn öffentlich auch noch schlecht zu machen.
Treffpunkt Betze: Habt ihr auch Kontakt zu Fans von 1860 München?
Martin: Persönlich kennen wir niemand oder sind näher mit Fans befreundet. Was ich aber sagen kann, wenn man in München ist, ob privat oder bei Auswärtsspielen. Wenn klar wird, es sind Fans des FCK und von 1860 zusammen, ist sofort eine Verbundenheit und eine gewisse Grundsympathie spürbar und vorhanden. Das war früher eben noch viel stärker, ist aber auch heute noch der Fall.
Treffpunkt Betze: Kommen wir einmal etwas mehr zu eurer Person. Ihr habt vor kurzem den Fanclub „Druff unn Dewerre“ gegründet. Wie kam es dazu, was wollt ihr bewirken?
Martin: Wir haben immer wieder über so etwas gesprochen und hatten es schon länger vor. Die Zeiten sind so schwer, dass man letztendlich noch näher zusammenrücken muss und das einzige, dass wir noch nicht hatten, war ein Fanclub. Es wird so viel geschimpft, es gibt so viel Negativschlagzeilen, wir wollten einfach etwas dagegensetzen. Innerhalb von sehr kurzer Zeit haben sich dann auch schon um die 30 Mitglieder eingefunden, eine sehr bunte Truppe und wir hatten bisher schon sehr viel Spaß. Es ist ein kleines Zeichen, das wir setzen wollten, auch wenn wir natürlich nicht viel bewegen können, nicht die 12 Millionen für die Lizenz aufbringen werden. Dennoch war uns das wichtig. Gründungsdatum ist übrigens der Geburtstag Fritz Walters.
1860 und der FCK, das passt einfach - erst recht 2018
Treffpunkt Betze: Der neue Fanclub beinhaltet in seiner Satzung explizit die Pflege der Freundschaft zum TSV 1860 München. Wieso war euch das wichtig und was unterscheidet diese Freundschaft beispielsweise zu der zum VfB Stuttgart?
Christiane: Wir haben in der Satzung als Zusatz ja stehen, dass uns die Pflege der traditionellen Fankultur sehr wichtig ist. Und dazu gehört die Fanfreundschaft zu 1860 München natürlich dazu.
Martin: Natürlich geht es primär um den FCK, das ist ja klar. Aber sie ist für uns Teil unserer Kultur und Identität und war uns deswegen auch wichtig.
Treffpunkt Betze: Kommen wir noch einmal zurück zu beiden Vereinen. Wie habt ihr aus der Ferne die Entwicklung des TSV 1860 München beobachtet? Welche Parallelen zum FCK lassen sich ziehen?
Martin: Es war die ganze Zeit der Gedanke da, dass es uns einmal ähnlich gehen könnte wie 1860 München. Ich erinnere mich noch an das erste Relegationsspiel gegen Regensburg, das ja gerade so in der Nachspielzeit noch gewonnen wurde. Damals haben wir noch um die Relegation zur Bundesliga gekämpft und man sah, wie sehr 1860 München kämpfen muss, um nicht abzusteigen. Das war besorgniserregend.
Christiane: Ich habe es mit großem Mitleid verfolgt. Ich habe immer wieder Leute in meinem Umfeld gehört, die meinten 1860 habe ja schlecht gewirtschaftet und verdiene jetzt auch den Abstieg. Das sah ich immer anders. Obwohl ich sonst in solchen Spielen eigentlich immer für den Underdog bin, gab es für mich keinen Zweifel, dass ich 1860 München die Daumen drücke, dass sie es packen. Leider hat es dann am Ende nicht mehr gereicht.
"Wir kämpfen ums nackte Überleben"
Treffpunkt Betze: Wo seht ihr die Gründe für den Absturz beider Vereine?
Martin: Ich denke der Niedergang bei den Löwen begann, als 1860 seine Seele verkauft und mit den Bayern in die Allianz-Arena gegangen ist. Finanziell wie atmosphärisch war das der Todesstoß. Der Umzug ins Olympiastadion war schon schwierig, doch die Allianz-Arena war dann zu viel des Guten. Ich habe das damals sehr bedauert, dass der Verein ein Stück von dem, das ihn so besonders gemacht hat, hergegeben hat. Es war ein schleichender Prozess, wie schließlich beim FCK auch. Wir haben es immer verfolgt und leider sind wir jetzt beide in dieser 3. Liga angekommen. Und jetzt kämpfen wir ums nackte Überleben.
Treffpunkt Betze: Ihr habt die triste, bittere Realität schon angesprochen. Die Lage ist prekär, vor allem bei uns. Jetzt treffen beide Vereine am Wochenende aufeinander. Was erwartet Ihr euch vom Auswärtsspiel am 22. Dezember? Wie schätzt Ihr die derzeitige Lage beider Vereine ein?
Christiane: Meine Erwartungshaltung ist sehr niedrig, um es einmal so zu sagen. Nach der Jahreshauptversammlung am vergangenen Sonntag ist klar, dass wir offensichtlich aufsteigen müssen, um nicht abzusteigen. Von daher helfen uns nur noch Siege, auch in München.
Martin: Für beide Vereine geht es um extrem viel. Beide brauchen Siege. Für den FCK ist es vielleicht die letzte Chance, minimal noch einmal etwas Anschluss herzustellen, auch wenn es unheimlich schwer werden wird. Es muss darum gehen, in der Rückrunde alles zu mobilisieren. Es darf keine Ausreden mehr geben, die JHV hat gezeigt, wie schlimm die Lage ist und man muss am Samstag auf Sieg spielen. Ab jetzt haben wir nur noch Existenzkampf. Auch 1860 München hängt ja in der Luft, ist immer davon abhängig, dass aus Jordanien das Geld auch wirklich ankommt. Also denke ich nicht, dass es dort viel besser aussieht, auch wenn sich 1860 vielleicht eher noch eine Saison Liga 3 leisten kann.
Treffpunkt Betze: Der FCK hat unlängst Sascha Hildmann als neuen Trainer präsentiert. Ein waschechter Lautrer. Was sind eure Gedanken zu dem neuen Trainer?
Christiane: Ich denke von allen Kandidaten, die gehandelt worden sind, ist er der engagierteste. Der, der am meisten den Erfolg möchte und dem der FCK unheimlich am Herz hängt. Außerdem kennt er die Liga und er weiß wie der Verein tickt. Vielleicht ist das ein Pluspunkt.
Martin: Es ist eine unglaublich schwere Aufgabe für Sascha Hildmann. Vor allem in der kurzen Zeit. Aber wenn er es meistert, dann hat er wirklich nachgewiesen, dass er etwas kann. Wir drücken ihm natürlich die Daumen und hoffen, dass er vielleicht doch das Unmögliche noch möglich machen kann.
Treffpunkt Betze: Passend dazu. Kam die Trainerentlassung von Michael Frontzeck aus eurer Sicht zu spät und wie bewertet ihr dabei die Rolle des Vereins?
Martin: Sehr kritisch. Man hat fahrlässig mehrere Zeitpunkte verpasst den Trainer zu wechseln, als es vielversprechende Alternativen auf dem Markt gab. Wenn wirklich bekannt war, wie prekär die wirtschaftliche Lage beim Verein ist, man die Qualität der Mannschaft für ausreichend hielt und dazu klar war, dass es eigentlich keine Alternative zum Aufstieg geben kann, dann verstehe ich nicht, wie man so lange hat abwarten können, obwohl die Anzeichen schon sehr früh da waren, dass es mit Frontzeck nicht funktioniert. Jetzt hat Hildmann kaum noch Zeit und der Abstand zur Spitze ist bereits sehr groß. So sympathisch Frontzeck vielleicht ist und bodenständig er wirkt, das darf in so einer Zeit keine Rolle spielen. Der Verein muss über allem stehen.
Christiane: Man hat viel zu lange gewartet, das Krisenmanagement war nicht gut und bei dem Etat, den wir haben, dass da Kritik aufkommt, war doch wirklich nicht überraschend. Das wäre überall so.
Treffpunkt Betze: Genau das hat Michael Frontzeck nach seiner Entlassung in einem Interview mit Sport1 kritisiert. Es sei ein Fehler gewesen, das Ziel Aufstieg mitzutragen. Erwarten wir zu viel?
"Nicht die Fans erwarten zu viel, der Verein liegt falsch!"
Martin: Nicht die Erwartungshaltung der Fans ist falsch, die des Vereins ist verkehrt. Wir haben hier einen Zuschauerschnitt, fast wie bei einem Bundesligisten …
Christiane: Mehr als Mainz in der 1. Liga! …
Martin: Genau. Ich weiß gar nicht was man erwartet. Bis zu dem skandalösen Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden war es ganz ruhig. Die Mannschaft und der Trainer konnten in Ruhe arbeiten. Trotz den Ergebnisse, mit diesem extrem hohen Drittliga-Etat.
Christiane: Es war nicht nur ruhig, es war ja eine fast nicht erklärbare Euphorie vorhanden. 40.000 Zuschauer, davon träumen die meisten Bundesligisten. 1.500 Zuschauer beim Trainingsauftakt. Andere Vereine wären über so etwas froh und wir beklagen uns auch noch darüber.
Martin: Das Grundproblem der letzten Jahre ist, dass Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis stehen. Mit extrem hohen Ausgaben und Etats, wird extrem wenig Erfolg eingefahren. Aber das hat doch nichts mit zu hoher Erwartungshaltung zu tun. Man kann doch nicht das letzte Gut, das der FCK hat, auch noch permanent als Ausrede benutzen und schlecht machen.
Treffpunkt Betze: Die aktuelle Lage war auch am Sonntag auf der Jahreshauptversammlung Thema. Es wurde deutlich, dass wohl rund 12 Millionen für eine weitere Drittliga-Lizenz fehlen. Wie groß sind eure Sorgen, dass der FCK in die Insolvenz muss?
Christiane: So groß wie noch nie! Das ist wirklich schlimm. Wie schon gesagt, anscheinend gibt es ja dieses Jahr nur die Alternativen „Aufstieg oder Abstieg“. Ein Klassenerhalt scheint gar nicht möglich zu sein.
Martin: Die Sorgen sind sehr groß. Der Aufstieg ist so weit weg, so unrealistisch, dass im Moment eine Insolvenz ein sehr großes Thema ist. Insolvenz bedeutet nicht das Ende des Vereins, nur der GmbH. Vielleicht wäre das einzig Gute daran, dass wir dann einen Strich unter die finanziellen Altlasten machen könnten …
Christiane: Einige denken so vielleicht. Aber wir haben auch nach jedem Abstieg gedacht, dass uns so ein Schnitt und ein Wiederaufbau gut täten. Die Erfahrung zeigt aber, dass ein Neuanfang in einer tieferen Liga, erst recht im Amateurbereich, nichts einfacher macht. Im Gegenteil, alles wird schwerer werden. Insofern ist die Sorge groß. Doch trotz allem ich bin mir sicher: Der Verein stirbt nicht, wir haben ein tolles Umfeld, die Leute werden auch in der Oberliga kommen. Aber der Weg zurück nach oben wird eben immer länger, das Stadion älter und bis jetzt gibt es außer Darmstadt kein Positivbeispiel, wie man es nach einer Insolvenz zurück in den Profifußball schaffen kann.
Treffpunkt Betze: Zum Schluss möchte ich euch um zwei Prognosen bitten: Wie geht das Spiel am Samstag aus und wo landen am Ende 60 und der FCK in der Tabelle?
Christiane: Wünschen würde ich mir, wir gewinnen am Samstag 2:0, der FCK wird Erster und 1860 München Zweiter und wir steigen zusammen auf (lacht). Realistisch betrachtet, setze ich auf einen dreckigen, unverdienten 1:0 Sieg und dann einmal schauen, wohin es in der Rückrunde geht. Typisch FCK wäre es noch, in die Relegation zu kommen und diese dann unter großem Druck der absoluten Existenz doch noch zu verlieren. Das möchte ich mir gar nicht vorstellen. 1860 München landet in der oberen Tabellenhälfte.
Martin: Ich tippe auf ein dreckiges 1:0 für uns. Wir werden vielleicht auf Platz 5 oder 6 abschließen, mehr ist nicht mehr drin. Sollte nicht noch ein Wunder passieren, wird die Insolvenz ins Haus stehen. Die Summe ist einfach zu immens. Die Lage bei den Löwen sehe ich nicht ganz so kritisch, sie haben wenigstens einen Investor, der ab und zu einmal Geld zuschießt. Vor allem haben sie nicht so eine enorme Liquiditätslücke. 1860 München wird hinter uns in der Tabelle, aber im gesicherten Mittelfeld landen.
Treffpunkt Betze: Ich danke Euch für dieses Gespräch, auf ein gutes Spiel am Samstag und eine gute Rückrunde. Viel Erfolg auch mit dem Fanclub!
Martin: Neumitglieder sind jederzeit herzlich willkommen (lacht).
Hintergrundinformation: Der Fanclub nennt sich „Druff unn Dewerre“. Er wurde am 31. Oktober 2018, dem 98. Geburtstag Fritz Walters, gegründet. Aufgabe des gemeinnützigen e.V. soll es sein, den FCK zu unterstützen, die traditionelle Fankultur zu pflegen und die Pfälzische Sprache zu bewahren. Besonders am Herzen liegt ihm dabei die Pflege der Fanfreundschaft zum TSV 1860 München. Über Neumitglieder freut sich der Fanclub jederzeit, als Ansprechpartner stehen vor allem die beiden Vorsitzenden Martin Hauter (1. Vorsitzender) und Christiane Hauter (2. Vorsitzende) zur Verfügung.
Quelle: Treffpunkt Betze