ZitatAlles anzeigenEinen Moment innehalten. Sich zurücklehnen und nachdenken. Sich auf das Eigentliche besinnen und auch mal an andere Menschen denken. Das tun wir wahrscheinlich alle viel zu wenig in einer Zeit, in der das hektische Streben nach kurzfristigem Erfolg über allem zu stehen scheint. Zumindest war das bis vor ein paar Monaten der Fall. Bis die Finanz- und damit die Vertrauens- und damit die Wirtschaftskrise begonnen hat.
Tausende Arbeitsplätze sind allein rund um Kaiserslautern bedroht, viele Menschen haben nackte Existenzangst. Was ist dagegen so ein bisschen Fußball? Das hat gestern auch Milan Sasic, der Trainer des 1. FC Kaiserslautern, klargestellt. Wie klein ist doch letztlich das „Problem", dass Sasic am Sonntag drei seiner besten Spieler, Martin Amedick, Anel Dzaka und Srdjan Lakic, nicht aufstellen kann, weil sie gesperrt oder verletzt sind. Eigentlich ist diese Nachricht unwichtig im Vergleich zu den akuten Existenzängsten vieler Menschen, deren Arbeitsplätze bedroht sind. Andererseits jedoch ist die Ausgangssituation der - im Guten wie im Schlechten mit dieser Stadt so eng verbundenen - Roten Teufel vor dem Zweitliga-Verfolgerduell gegen Fürth umso bedeutender. Umso bedeutender, weil damit eine der wichtigen Aufgaben des Volkssports Fußball für die Gesellschaft deutlich wird: Fußball ist Unterhaltung, Fußball ist längst sehr wohl auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Entertainment- und Freizeit-Branche, Fußball kann auch Identifikation einer Region mit einem Klub sein und umgekehrt. Fußball bietet seinen Anhängern jedoch vor allem eines: Zerstreuung, Abwechslung, Ablenkung von den Sorgen des Alltags.
Genau deshalb kann es auch und gerade für Menschen mit großen Problemen durchaus wichtig sein, wer morgen für „ihren" FCK spielt und wer nicht. Denn wenn sie sich mit ihrem Lieblingsklub beschäftigen, vergessen sie vielleicht und hoffentlich für einen Moment die Angst um den Arbeitsplatz.
Entsprechend bewertet FCK-Profi Aimen Demai die Initiative seines Vereins, zum Spiel morgen knapp 4000 Beschäftigte von Pfaff, Opel, SRS und Coca-Cola einzuladen: „Hoffentlich können wir den Leuten, die sonst nicht so viel Spaß haben, ein bisschen Spaß geben." Genau diese Rolle kommt dem Fußball zu, betrachtet man ein Idealbild auf einer theoretischen Ebene und mit ein bisschen Sport-Romantik - losgelöst von der immer größer werdenden Kommerzialisierung. In den Urformen von Spiel und Sport geht es neben der Leibes-Ertüchtigung um Spaß, Unterhaltung und Zerstreuung.
Den um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Menschen „das große öffentliche Interesse, das dem Fußball zuteil wird, als Plattform" zur Verfügung stellen - so hat FCK-Chef und PR-Profi Stefan Kuntz ein Hauptanliegen der Freikarten-Initiative bezeichnet. Wohl wissend, dass der FCK, der vor einem Jahr selbst in seiner Existenz bedroht war und von der Stadt Hilfe durch den Stadion-Mietnachlass bekam, andererseits stark von der wirtschaftlich gefährdeten „Arbeiterschicht" profitiert; von ihrem Eintrittsgeld, von ihrer Nachfrage nach Fan-Artikeln und von ihrem Wasser-, Bier- und Bratwurst-Konsum auf dem „Betze".
Quelle : Die Rheinpfalz