ZitatAlles anzeigenFC St. Pauli empfängt am Sonntag den 1. FC Kaiserslautern
Hamburg. Die Anhänger des notorischen Underdogs St. Pauli fühlen sich derzeit wie im Film. Der Klub vom Hamburger Millerntor ist nach fünf Spieltagen Tabellenführer der Zweiten Liga.
Das Team von Trainer Holger Stanislawski sammelte 13 Punkte und schoss imponierende 16 Tore. Was die Fans noch mehr euphorisiert als diese Bilanz, ist die Spielweise ihrer Mannschaft. Sie begeistert mit temporeichem und technisch starkem Direktspiel.
Eine kleine Revolution - denn Jahrzehnte lang stand der FC St. Pauli für einen rustikalen Stil. Einsatzfreude, Zweikampfstärke und lange, hohe Bälle in den gegnerischen Strafraum - das war der fußballerische Standard am Millerntor. Heute jedoch zaubern Charles Takyi und Kollegen derart furios, dass sich altgediente Fans verwundert die Augen reiben. Beim letzten Heimspiel gegen den MSV Duisburg war den Zuschauern endlich klar, was da auf dem Rasen gespielt wurde: "Who the fuck is Barcelona?" - "Wer zum Teufel ist Barcelona?" - schallte es von der Gegengeraden.
Auch wenn in Wahrheit Welten liegen zwischen St. Pauli und dem berühmten Tiki-Taka, dem vollendeten Kurzpassspiel eines Xavi, Iniesta und Messi - die Philosophie des Coachs Stanislawski könnte von seinem Kollegen Pep Guardiola stammen. Die Mannschaft hat strikte Anweisung, ihren Stil zu spielen, egal, was passiert. "Das", so Stanislawski, "hat absolute Priorität vor dem Ergebnis."
Erstaunliche Worte des früheren Abräumers in der St. Pauli-Abwehr. Sie drücken auch eine Entwicklung aus, die Stanislawski während seiner Ausbildung zum Fußball-Lehrer selber genommen hat. Der Jahrgangsbeste, als Übungsleiter ohne A-Schein früher oft polternd, hat an der Sporthochschule modernes Teammanagement gelernt. "Wir müssen nicht, aber wir können" - auch das ist so ein Satz, mit dem er die Kreativität aus seinem Team herauskitzelt.
Das Herzstück des Hamburger Spiels ist das Mittelfeld. Rückkehrer Takyi ist ein hochkreativer und aggressiver Zehner. Ihm assistieren Florian Bruns und Neuzugang Dennis Naki. Vorne steht mit Marius Ebbers (fünf Treffer) nur ein nomineller Stürmer. Im defensiven Mittelfeld organisiert Matthias Lehmann Balleroberung und Spieleröffnung; nebenbei hat er schon vier Tore erzielt. Ein Schlüssel zum Erfolg ist auch die neue Stabilität in der Defensive. Dafür steht vor allem Kapitän Fabio Morena. Gegenüber der letzten Saison, als er nach einer Hirnhautentzündung Probleme hatte, Zweitliganiveau zu erreichen, ist er nicht wiederzuerkennen.
Ein weiteres Plus: Die Mannschaft ist schwer auszurechnen. Sieben verschiedene Schützen teilen sich die 16 bisher erzielten Treffer. Es gibt allerdings auch Schwachpunkte, wie die linke Abwehrseite. Hier agiert der junge Davidson Drobo-Ampem zwar eifrig nach vorn, hat aber seine Probleme mit der Defensivarbeit. Ein mögliches Einfallstor für den 1. FC Kaiserslautern am Sonntag. Die Begegnung ist ausverkauft: 23.000 Zuschauer sind heiß auf die Standortbestimmung gegen die Roten Teufel.
Quelle : Die Rheinpfalz