FCK-Mitarbeiter Markus Habich ist offizieller Betreuer der brasilianischen Fußball-Frauen-Nationalelf bei der WM - ein Porträt. Von Christine Kamm & Oliver Sperk
Es ist Sommerpause, aber auf dem Betzenberg ruht der Betrieb nie. Die Vorbereitung für die neue Saison hält den Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz und seinen Mitarbeiterstab auf Trab. Wie in einem Bienenstock geben sich die Besucher der Geschäftsstelle am Dienstag um die Mittagszeit die Klinke in die Hand.
Im Bauch des Stadions sitzt auch ein Nordbadener, der besonders glücklich ist, es als Vollblut-Fußballer und studierter Sportwissenschaftler zu einem Profi-Verein geschafft zu haben. Der aus Ubstadt-Weiher nahe Bruchsal stammende Markus Habich hat nach seinem Abschluss an der Sporthochschule Köln, an der er Sportökonomie und -Management studierte, für einige Monate in Portugal gearbeitet, dann über Ex-Profi Kalle Emig, der damals in Karlsdorf wohnte und den er vom Sportplatz kannte, Kontakt zum FCK bekommen. Und dann ging es ganz schnell. Seit Januar 2009 arbeitet Habich beim FCK. Ein Volltreffer. Denn viele seiner Kommilitonen wünschen sich, es ins Fußballgeschäft zu schaffen. Er hatte das Glück. „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort”, sagt der 30-Jährige, der beim VfR Kaiserslautern (Bezirksklasse) weiterhin seinem liebsten Hobby nachgeht. Was seit dem Aufstieg des FCK auch vergleichsweise gut funktioniert, schließlich streift er sich sonntags das Trikot über.
Am Ball zu bleiben, Sport zu treiben, ist für den Mitarbeiter der Marketing-Abteilung ein Muss. Er versucht, es ein- bis zweimal pro Woche ins Training zu schaffen, einmal in der Woche wird auch mit der Geschäftsstelle gekickt. Anfang Juli beginnt die Vorbereitung auf die kommende Saison. Die ersten beiden Wochen wird der offensive Mittelfeldspieler, der über die Zeitung Mieter eines Zimmers von Ex-Schiedsrichter Markus Merks Mutter wurde, allerdings verpassen. Aber nicht, weil er in seinem Lieblingsland Brasilien unterwegs sein, sondern weil er bei der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft einen tollen Job haben wird.
Er wird die brasilianische Mannschaft am Flughafen abholen und sie so lange betreuen, bis der 29-köpfige Tross sich wieder Richtung Heimat verabschieden wird. Vielleicht sogar als Weltmeister, denn der Finalist von vor vier Jahren zählt zu den wirklichen Favoriten. Team Liaison Officer (TLO) heißt die Aufgabe offiziell, die von Mädchen für alles über Dolmetscher bis hin zu Presse-Koordinator alles beinhaltet. Für das WM-OK ist der in Kaiserslautern lebende Habich tätig, der an der Schnittstelle zwischen OK, Mannschaft und Fifa alles regeln und organisieren muss.
2006 hatte Habich sich bei der WM in Deutschland beworben. Damals hat die Selecão noch ihren eigenen Betreuer mitgebracht. Aber im vergangenen Jahr hat Habich seine Feuertraufe bestanden - als Betreuer des Teams, das bei der U20-WM der Frauen in der Vorrunde allerdings schon ausgeschieden ist. Delegationsleiter Paulo Dutra hat er bei der Auslosung der Gruppen für die Frauen-WM wiedergetroffen. Es war ein herzliches Wiedersehen - und eine Bestätigung dafür, dass er seinen Job im vergangenen Jahr richtig gut gemacht hat.
„Ich bin morgens der Erste und abends der Letzte”, erzählt Habich, der während des Studiums ein Jahr lang in São Paulo an der renommierten USP studierte. Nicht weil er dort hätte Scheine machen können, die ihm in Köln anerkannt worden wären; er war in seinem Hang zu Brasilien familiär stark vorbelastet.
VIELSEITIG: Neben seiner eigentlichen Arbeit kommt Markus Habich beim FCK auch als Dolmetscher für den Brasilianer Rodnei zum Einsatz.
Ein Großonkel war in den 1970er Jahren missionarisch in Brasilien tätig. Auch die Eltern sind große Brasilien-Fans, der Vater schon hat seine Diplom-Arbeit zu deutsch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen verfasst. Und so ist auch Markus Habichs Diplom-Arbeit in Teilen in dem riesengroßen südamerikanischen Land entstanden. Allerdings hat der Fußballer die Arbeit von deutschen und brasilianischen Nachwuchsleistungszentren verglichen. Der FC São Paulo habe alleine für den Nachwuchs ein Gelände von 200.000 Quadratmetern. Von 220 Talenten leben 120 im vereinseigenen Internat. Mädchen sind dort allerdings keine. Dass sie Fußball spielen wird toleriert. Viele kommen über die beliebte Variante Futsal zum Kicken, wie er erzählt. Dass die Kinder mit 13, 14 von zu Hause weggehen, um bei den Großvereinen ihr Glück (und das der Eltern) zu suchen, findet er schwierig. „Es ist für die Familien oft die einzige Chance, aus ihrem Elend herauszukommen”, sagt er. Gelebt hat Markus Habich in São Paulo in einer Wohngemeinschaft. Der brasilianische Mitbewohner war an der Uni Lehrer für den Tanz Capoeira. In der Fakultäts- und in der Uni-Auswahl hat der deutsche Gaststudent gekickt.
Acht Mal schon war er in Brasilien, die längste Zeit war ein Jahr lang. Die Sprache spricht er fließend, was nicht heißt, dass er sich mit allen reibungslos verständigen kann. Von den Spielerinnen aus dem Norden wird er sich im Vorfeld auf „Youtube” Videos ansehen, um halbwegs auf ihre Aussprache eingestellt zu sein. Für FCK-Profi Rodnei ist Habich ein Glücksfall. In Deutschland bei einem Verein zu spielen, in dem ein Mitarbeiter weiß, woher man kommt, ist mehr als hilfreich. Rodnei hat bei seinem Heimat-Urlaub auch einen Auftrag von Markus Habich; er soll ihm fertige Feijoada mitbringen - einen schwarzen Bohneneintopf. Den gibt es sicher auch einmal für die brasilianischen Spielerinnen während der WM; allerdings nicht an einem Spieltag. Eine Menüliste schickt der Verband im Vorfeld. Markus Habich klärt mit den Küchen der Hotels ab, was gewünscht wird und was nicht auf den Teller darf. Und was wird gewünscht? Nur Rindfleisch, kein Schwein, auch Hühnchen - und vor allem keine Soßen. Der „Alemão”, der immer am Tisch der Delegationsleitung essen wird, freut sich schon auf die gemeinsamen Mahlzeiten. Aber auch in Deutschland kommt er nicht zu kurz, lebt seine brasilianische Freundin Moema Ramos mittlerweile auch hier, genauer gesagt in Köln, wo auch sie an der Sporthochschule studiert.
Zwei Anzüge werden Markus Habich für die Zeit zur Verfügung gestellt. Er hofft, dass es während der WM nicht zu heiß wird, denn er sitzt in voller Montur während der Spiele hinter der Auswechselbank. Rund um die Uhr nah am Team, das er erstmals beim Länderspiel am 22. April 2009 in Frankfurt gegen Deutschland kennengelernt hat. Vor allem dessen Star Marta, die nicht mit der Mannschaft, sondern aus Amerika, wo sie gutes Geld verdient, angereist war. Da hat er schon am Flughafen nach ihrer Ankunft dolmetschen dürfen. „Ein netter, ganz normaler Mensch”, sagt er über die Weltfußballerin.