Kolumne unseres Mitgliedes kadlec:
Titel: Vorstellung des neuen Fanprojekts in Kaiserslautern, inklusive eines Interviews mit dem Streetworker Erwin Ress.
ZitatAlles anzeigenTeil 1: Informationen rund um das Projekt.
Am 1. November des vergangenen Jahres fiel der Startschuss für ein neues Fanprojekt in Kaiserslautern. Träger des Projektes sind in Kooperation die AWO Pfalz und die AWO Saarland. Für den Träger wird Jörg Rodenbüsch ( Leiter des Fanprojektes in Saarbrücken ) als Fachleiter die Dienstaufsicht innehaben. Dies dann sowohl für Kaiserslautern wie auch für Saarbrücken und weitere denkbare Projekte in den beiden Bundesländern. Entscheidender Motor für das Projekt in der Pfalz war die positive WM - Erfahrung mit der Fanbotschaft und der damit verbundenen Fanarbeit in der WM – Ausrichterstadt Kaiserslautern. Zum anderen lockte die Aussicht, dass in einer derart großen und traditionsreichen Fanszene wie am Betzenberg, die soziale Arbeit mit Fußballfans eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen kann. Als Mitarbeiter konnte der erfahrene Streetworker Erwin Ress gewonnen werden.
Den in der Fanarbeit tätigen Personen ist Erwin Ress durch seine langjährige Tätigkeit als Streetworker in Ludwigshafen bzw. auch im letzten Jahr im Fanprojekt Mannheim/Ludwigshafen bekannt, wo er sich in erster Linie um die Hooligan–Szene des SV Waldhof “kümmerte“. Vorgestellt wurde das Projekt im Oktober 2007 in den Räumlichkeiten des 1.FC Kaiserslautern, obwohl es kein Projekt des Vereines ist, was man an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betonen muss und des weiteren die Verpflichtung zur Fanbetreuung seitens des Vereines auch nicht untergraben oder die diesbezüglichen Aufgaben gar ersetzen soll, sondern ergänzen. Auf dem Podium begrüßte der damalige Vorstand Arndt Jaworski, als Vertreter des 1.FC Kaiserslautern, den rheinland – pfälzischen Innenminister Karl Peter Bruch, Kaiserslauterns Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel sowie Hans – Werner Kienitz und Paul Quirin als Vertreter von AWO Pfalz und AWO Saarland, den Trägern des Fanprojektes.
Für den FCK formulierte Arndt Jaworski folgende Erwartungshaltung: „ Das Fan – Projekt soll in erster Linie pädagogisches Streetworking leisten, das vom Verein in dieser Form nicht geleistet werden kann. Das Projekt wird den FCK insbesondere im Bereich der Prävention und pädagogischen Arbeit mit jungen FCK – Fans unterstützen.“ Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel stellte zudem klar: „Vor allem für unorganisierte Fans soll eine Anlaufstelle geboten werden, da die organisierten Anhänger bereits von Fanbetreuer und Fanbeirat abgedeckt sind.“
An dieser Stelle entdeckt der ebenso aufmerksame wie geneigte Leser bereits den ersten Widerspruch. Denn den organisierten Anhängern des FCK können der Fanbetreuer und der Fanbeirat natürlich auch keine Leistungen aus dem Bereich des pädagogischen Streetworkings anbieten, weil solche Leistungen vom Verein überhaupt nicht angeboten werden können. In diesem Schnittstellenbereich scheint es dringend geboten, weiterhin präzise zwischen den Aufgabengebieten des Vereines und denen des Fanprojektes zu unterschieden. Nicht die nach verschiedenen Kriterien differenzierbaren Zielgruppen markieren die Grenzlinie zwischen den Betreuungsangeboten von Verein und Projekt, sondern der inhaltliche Leistungskatalog beider Anbieter entscheidet darüber, wer von wem in welcher Angelegenheit betreut werden kann. Im Klartext bedeutet dies, dass es in der Regel keine Rolle spielt, ob man in einem Fanclub ist oder nicht. Unorganisierte Fans dürfen sich genauso weiterhin an unseren Fanbetreuer Stefan Rosskopf wenden, wie organisierte Fans das Angebot des Fanprojekts in Anspruch nehmen dürfen. Innenminister Karl Peter Bruch rückte folgende Zielsetzung in den Vordergrund: „Das Fanprojekt soll außerdem dafür sorgen, dass mögliche Polizeieinsätze bereits im Vorfeld verhindert werden können.“ Der AWO – Mitarbeiter Hans – Werner Kienitz fasste die Aufgaben wie folgt zusammen: „Die Betreuung der Fans bezieht sich auf die Heim – und Auswärtsspiele des FCK, aber auch sonst wollen wir jederzeit im sozialen Umfeld der Fans als Ansprechpartner bereit stehen.“
Seit November findet man das Projekt in den Räumen der Stadt Kaiserslautern, in der Pariser Strasse 23, wo im 2. Stock auf der rechten Seite ein Büro und weitere Räume mittlerweile aktiv als Fantreffpunkt genutzt werden können. Zur Zeit gestalten verschiedene Fangruppen die Räumlichkeiten mit viel Einsatz, Zeitaufwand und Kreativität nach eigenen Kriterien um. Zukünftig soll der dann größtenteils in Eigenregie neu hergerichtete Treffpunkt zweimal pro Woche zusätzlich zu den Spieltagen für die Fans als Anlaufstelle geöffnet sein, um in lockerer Atmosphäre Choreos vorzubereiten, Probleme aufzugreifen und zu diskutieren oder einfach nur gemeinsam Spaß zu haben. Neben Erwin Ress sind im Fanprojekt noch eine halbe und eine viertel Stelle für Fanprojekt - Mitarbeiter vorgesehen. Bisher allerdings nur Wunschdenken und lediglich Zukunftsmusik. Momentan arbeitet Herr Ress als hauptamtlicher Mitarbeiter noch allein, wird aber von einer sehr engagierten Sozialpädagogin in Ausbildung tatkräftig unterstützt. Finanziell geht das Projekt von einem Jahresetat in Höhe von ca. 92.000 Euro aus, der im Falle eines Aufstiegs des FCK durchaus erhöht werden kann. Bei Abstieg in die 3.Liga würde der Etat zunächst für ein Jahr unverändert bleiben. Der Etat setzt sich aus Fördergeldern zusammen, die zu jeweils einem Drittel aus den Töpfen des DFL, der Stadt Kaiserslautern und dem Land Rheinland – Pfalz fließen. Das Fanprojekt in Kaiserslautern ist nun Fanprojekt Nr. 36 auf der Liste der Projekte, die nach dem „Nationalen Konzept Sport und Sicherheit“ (KOS)arbeiten. Grund genug einmal einen kritischen Blick auf die Entstehungsgeschichte und die inhaltlichen Ziele dieser Institution zu werfen.
ZitatAlles anzeigenTeil 2:Entstehungsgeschichte und Ziele der KOS.
Die folgenden Ausführungen stützen sich vorwiegend auf die Arbeiten des bekannten Soziologen und Fanforschers Gunter – A. Pilz.1982 wurde das vom Bundesministerium des Inneren im Jahr 1979 in Auftrag gegebene Gutachten „Sport und Gewalt“ veröffentlicht. In diesem Gutachten wurde unter dem Punkt „Fans und Fanclubs“ erstmals ein zielgruppenorientierter Ansatz von Sozialarbeitern in der Fanszene gefordert. In der Folge dieses Gutachtens entstanden die ersten Fanprojekte in Bremen, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Dabei mussten die Initiatoren dieser Projekte sehr schnell erfahren, dass es nicht die Probleme der Jugendlichen selbst waren, die ernst genommen und bearbeitet werden sollten. Erst folgenschwere Ereignisse ( mit der entsprechenden Medienaufmerksamkeit – einen entscheidenden Entwicklungsschub gaben die 39 Tote während der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen britischen und italienischen Fußballfans anlässlich des Europacup – Endspiels 1985 zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool in Brüssel ) führten zu Diskussionen über adäquate Maßnahmen und lösten hektische Betriebsamkeit aus. Dies hatte Konsequenzen für die Erwartungen der fördernden Institutionen an die Projektarbeit:
1.) Es ging zumindest nicht primär darum, den Jugendlichen tatsächlich zu helfen, sondern darum, die Probleme mit den Jugendlichen aus dem Medieninteresse herauszubekommen.
2.) Konsequenterweise wurden auch eher solche Aktivitäten als Erfolg verbucht und entsprechend unterstützt, die das Engagement der Institutionen betonten und öffentliche Aufmerksamkeit auf positiv eingeschätzte umlenkten.
Die Problembearbeitung selbst tastet immer auch das gesellschaftliche Selbstverständnis an und wurde daher eher misstrauisch beäugt. Vor allem der DFB und die Vereine zeichneten sich in der Anfangsphase der Fanprojekte durch eine große Distanz, starke Abwehrhaltung, ja zum Teil sogar feindselige Einstellung gegenüber den Fanprojekten aus. Einhelliger Tenor: Fans, die Randale machten gehörten nicht zum Fußball, das seien Chaoten, die auf dem Fußballplatz nichts zu suchen hätten; es handle sich hier nicht um ein Problem des Fußballs, sondern um ein Problem der Gesellschaft, dem sich deshalb auch die Gesellschaft zu stellen habe.
Nicht zuletzt aufgrund des unermüdlichen Einsatzes und – dies sollte nicht verschwiegen werden – diplomatischer Vorgehensweisen und Argumentationen der Fanprojekte, deren beharrlichem Einklagen der Übernahme von Verantwortlichkeiten sowohl seitens der politischen als auch der sportlichen Institutionen, hat sich vieles zum Besseren gewendet. Die Fanprojekte und ihre Arbeit wurden mehr und mehr in der Öffentlichkeit aber auch von den Vereinen und dem DFB anerkannt. Ein Prozess, der mit der Verabschiedung des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ im Jahre 1993 zur festen Einbindung der Fanprojekte in ein Sicherheitsgesamtpaket führte, in dem Bund, Länder, Kommunen, der DFB und seine Vereine sich zu ihrer Verantwortung bezüglich der Bekämpfung des Hooligan–Problems, der Gewaltprävention im Umfeld großer Fußballspiele bekannt haben.
Das im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit entwickelte System aufeinander abgestimmter präventiver wie repressiver Maßnahmen ist nunmehr seit einigen Jahren fester und verbindlicher Bestandteil der Arbeit der Polizei, der Ordnungskräfte der Vereine, der Sicherheitsbestimmungen der Kommunen und der Arbeit der Fanprojekte. Dabei ruht das Konzept auf zwei gleichberechtigten Säulen, den ordnungspolitischen und den sozialpädagogischen Maßnahmen und Aufgabenfeldern. Dies in der Erkenntnis, dass repressive Maßnahmen ohne flankierende präventive Maßnahmen genauso wenig von Erfolg gekrönt sein werden wie umgekehrt.
Folgende Ziele sollen die Fanprojekte dabei verfolgen:
1.) Eindämmung von Gewalt; Arbeit im Präventivbereich, z.B. Hinführung zu gewaltfreier Konfliktlösung im Rahmen von Selbstregulierungsmechanismen mit der Perspektive Gewaltminderung.
2.) Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile, Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit).
3.) Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen Fußballanhängern.
4.) Schaffung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können.
5.) Rückbindung jugendlicher Fußballanhänger an ihre Vereine.
Folgende Maßnahmen sollen zur Zielverwirklichung einen entscheidenden Beitrag leisten:
1.) Teilnahme an der Lebenswelt der Fußballfans, z.B. durch Begleitung zu Heim – und Auswärtsspielen, Besuche an Treffpunkten, sonstige Maßnahmen im Rahmen von Streetwork, Förderung regelmäßiger Beziehungen zu dem betreffenden Verein.
2.) Organisation von Jugendbewegungen.
3.) Bildungsarbeit; in Frage kommen z.B. fanspezifische Bildungsmaßnahmen, Durchführung von Seminaren und Gesprächsreihen zwischen Jugendlichen und so genannten „Erwachseneninstitutionen“, wie z.B. Polizei, sonstige Behörden, Medien.
4.) Kulturpädagogische Arbeit; z.B. das Aufbrechen von fremdenfeindlichen Gesinnungen, Anregung von Diskussionen über Sinn – und Wertfragen z.B. Entwicklung des Profifußballsports.
5.) Gewährung anlassbezogener Hilfe, in Frage kommt z.B. die Zusammenarbeit mit Beratungseinrichtungen.
6.) Schaffung von Freizeitangeboten.
7.) Unterstützung der Fans bei der Selbstorganisation, z.B. bei der Gründung eines Vereins oder Klubs, bei der Herausgabe eigener Zeitschriften.
8.) Öffentlichkeitsarbeit, z.B. durch Information der Medien, Darstellung der Fanprojektarbeit in Schulen, Sportvereinen oder sonstigen Institutionen im Rahmen von Vorträgen.
9.) Aufbereitung und Dokumentation regionaler und lokaler Entwicklungen in den unterschiedlichen jugendlichen Subkulturen (z.B. Skinheads, Hooligans).
Ein in der Tat sehr umfangreicher Aufgabenkatalog, der auch an die Qualifikation der Mitarbeiter der Fanprojekte einen hohen Anspruch formuliert. Mit einem der Mitarbeiter oder besser gesagt, mit dem einzigen hauptamtlichen Mitarbeiter des Fanprojektes in Kaiserslautern hat der Teufelskurier ein Gespräch geführt.
ZitatAlles anzeigenTeil 3: Interview mit Erwin Ress.
kadlec: Guten Tag Herr Ress! Darf man sie gleich zu Beginn nach ihrem Alter fragen?
Erwin Ress: „Kein Problem. Ich bin mittlerweile 48 Jahre alt.“
kadlec: Wollten sie von Anfang an Streetworker werden?
Erwin Ress: „Nein, nicht sofort. Nach der Schule habe ich zunächst eine Tischlerlehre gemacht und erst später, nach Beendigung der Bundeswehrzeit, kam ich zu der Überzeugung, etwas ganz anderes machen zu wollen. Ich entschied mich für ein Studium und habe dann über den zweiten Bildungsweg Soziale Arbeit studiert.
kadlec: Sie sind in Kusel geboren, haben aber in den letzten 15 Jahren in Ludwigshafen und Mannheim gezielt in der Waldhof – Szene gearbeitet. Sind sie dabei Fan vom SV Waldhof geworden?
Erwin Ress: Ich habe 16 Jahre mit den Fans des SV Waldhof gearbeitet. Wenn man so lange eine Fanszene begleitet, freut man sich natürlich auch über den Sieg des Vereins. Da ich aber in Kusel geboren bin und dort 26 Jahre gelebt habe, bin ich natürlich früher häufig zum 1.FCK gefahren. Ich habe auch in Mannheim nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich dem FCK die Daumen drücke. Das war dort auch bekannt. Ich bin aber deswegen nicht angefeindet worden. In den letzten Jahren war ich auch mal immer wieder bei Spielen des FCK. Da ich aber in Fulda studiert habe und beruflich stark beansprucht war, konnte ich nur noch selten zu Spielen gehen. Über die Rivalität der beiden Fanlager bin ich mir selbstverständlich im Klaren. Und natürlich hat man mich anfangs auf Grund meiner Vergangenheit hin und wieder etwas angemacht. Aber das war doch eher spaßhaft. Allerdings wird das Verhältnis der beiden Fangruppen oft etwas übertrieben feindselig dargestellt. Auch in Ludwigshafen und Mannheim, wo beide Fanlager ja des Öfteren hautnah aufeinander treffen, kommt es nicht permanent zu Anfeindungen oder gar Schlägereien. Nicht selten beobachtet man verwundert, wie die Hooligans beider Vereine, als vermeintliche „Todfeinde“ auf dem Weihnachtsmarkt bei einem Glühwein zusammenstehen und nett miteinander plaudern. Häufig alles halb so schlimm. Nur wenn beide Vereine gegeneinander Spielen lässt man auf beiden Seiten die Feindschaft richtig aufblühen und pflegt das Ritual.
kadlec: Ist das Fanprojekt lediglich eine Anlaufstelle für unorganisierte Fans, wie der Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel bei der Vorstellung des Projektes betonte?
Erwin Ress: „Nein, das stimmt so nicht. Das Projekt wendet sich natürlich an alle Fans.“
kadlec: In Mannheim und Ludwigshafen haben sie sich ausschließlich mit der dort ansässigen Hooligan – Szene beschäftigt. Spielen die Hooligans in dem neuen Projekt hier in Kaiserslautern auch eine Rolle?
Erwin Ress: „Nein, die Hooligans stehen hier nicht im Mittelpunkt meiner Arbeit, wobei das in Einzelfällen nicht auszuschließen ist. Wenn sich jemand aus der Szene an uns wenden sollte, werden wir uns natürlich um das Anliegen kümmern. Aber die Hooligans gehören mittlerweile fast überall in der Regel zu den älteren Semestern und fallen aus diesem Grund von vornherein aus unserer Zielgruppe heraus.“
kadlec: Wie alt sind denn die Fans, um die es in ihrer Arbeit geht?
Erwin Ress: „Erfahrungsgemäß so zwischen 14 und 27 Jahren. Das ist aber keine exakte Grenze und vor allen Dingen kein Ausschlusskriterium. In Ausnahmefällen können die Personen auch schon einmal älter oder jünger sein.
kadlec: Haben sie die Fans gezielt angesprochen und wenn ja, welche Gruppen haben sie zunächst bevorzugt kontaktiert?
Erwin Ress: „Wir sind einfach an Spieltagen ins Stadion und waren vor dem Spiel im „Underground“. So haben wir den Kontakt zur Szene gesucht. Unterstützung erhielten wir natürlich über den Verein, vor allem vom Fanbeauftragten Stefan Rosskopf, aber auch einzelne Fans und Fangruppen interessierten sich recht schnell für das Fanprojekt. Wir brauchen zu unseren Ansprechpartnern eine stabile und dauerhafte Vertrauensbasis. Nur so können wir das Projekt in der Fanszene relativ schnell etablieren, für größtmögliche Akzeptanz und über die Mund zu Mund Propaganda für eine rasche Verbreitung unseres Angebotes sorgen. Wir wollen aber darauf achten, dass sich verschiedene Fangruppen in unseren Räumlichkeiten aufhalten und diese nicht nur zum Versammlungszentrum einer Gruppe wird.
kadlec: Wie ist denn das Projekt bisher angelaufen? Wie ist die Resonanz?
Erwin Ress: „Die Resonanz ist groß. Wir sind bislang sehr zufrieden. Die Fans haben sehr schnell gemerkt, dass wir nicht gegen sie arbeiten, sondern ihre Interessen und Anliegen unterstützen.
kadlec: Erklären sie uns bitte den Unterschied zwischen der Fanbetreuung, die der Verein anbietet und dem Aufgabenprofil des Fanprojektes?
Erwin Ress: „Nun, der Fanbetreuer ist ein Angestellter des Vereins. Mein Arbeitgeber ist der Träger des Projektes, also die AWO. Ich vertrete also nicht die Interessen und Belange des FCK, bin den offiziellen Gremien und der Führung des Vereines nicht verpflichtet und in meiner Arbeit auch nicht weisungsgebunden. Ich vertrete in erster Linie die Interessen und Anliegen der Fans, die können auch schon mal mit denen des Vereins kollidieren. Trotzdem strebe ich eine gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des FCK an und bisher gab es noch keine Probleme. Der Fanbetreuer dagegen verfügt über diesen Entscheidungsspielraum nicht in dem Maße wie das Fanprojekt, ist weniger unabhängig und enger an die Vereinspolitik gebunden. Das Fanprojekt bezieht hingegen die ganze Lebenswelt des Fans in die Arbeit mit ein. Pädagogisches Streetworking ist hier das Stichwort. Auf eine griffige Formel gebracht: Wir beginnen meistens dort, wo der Verein aufhört. Gemeinsam ist uns natürlich der zu betreuende Personenkreis, sehr oft der Ort, also das Stadion und als Bezugspunkt, die starke Bindung zum FCK.
kadlec: Sie haben das Stichwort Pädagogisches Streetworking genannt. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Erwin Ress: „Wir suchen die Fanszene auf, versuchen dauerhaften Kontakt herzustellen und eine Vertrauensbasis zu errichten. Ist dies einmal geschehen, ist das Vertrauen da, bieten wir einzelfallorientierte Hilfe an. Wir vermitteln z.B. bei Problemen im Job, in der Schule, beraten und helfen auch in finanziellen Angelegenheiten. Geplant ist in Zukunft auch eine engere Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Wir können natürlich keine Jobs anbieten, aber wir wollen beraten, vermitteln und Kontakte beschleunigen. Zudem begleiten wir die Fans bei Heimspielen und zu Auswärtspartien, versuchen Freizeitangebote zu schaffen und helfen ihnen bei der Selbstorganisation. Auch die Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiges Thema. Wir bemühen uns, den Anliegen und Problemen vieler Fans in den Medien und in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.“
kadlec: Arbeiten sie in Kaiserslautern noch mit anderen Institutionen und Organisationen zusammen?
Erwin Ress: „Neben der Kooperation mit dem Verein und der Arbeitsagentur, planen wir noch eine engere Zusammenarbeit mit der Stadt, d.h. wir wollen Kontakte knüpfen zu Streetworkern oder Sozialarbeitern aus anderen Bereichen.“
kadlec: Um eine Frage komme ich natürlich nicht herum. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Polizei?
Erwin Ress: „Grundsätzlich bemühen ich mich um ein entspanntes, aber gleichzeitig auch distanziertes Verhältnis. Ich suche den Kontakt zur Polizei im Interesse von Fans nur dann, wenn ich von diesen dazu aufgefordert werde, um z.B. einen Fan, der mit der Polizei in Konflikt geraten ist und von einer Anzeige bedroht ist, zu unterstützen, wenn die betreffende Person das wünscht. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir in der Lage sind alles wieder im Interesse des oder der Fans zu regeln aber wir werden uns trotzdem für sie einsetzen. Es werden aber keinen Szenekenntnisse oder gar Namen an die Polizei weitergegeben. Unsere Arbeit braucht Vertrauen, denn das ist die Basis unserer Arbeit. Außerdem unterliegt ein staatlich anerkannter Sozialarbeiter der Verschwiegenheitspflicht.
kadlec: Wie sehen denn die Präventivmaßnahmen aus, um Polizeieinsätze zu verhindern, die vom Innenminister bei der Vorstellung des Projektes angesprochen wurden?
Erwin Ress: Wir können selbstverständlich keine Polizeieinsätze verhindern. Wir können aber im Vorfeld vermittelnd und schlichtend eingreifen um zu vermeiden, dass eine Situation eskaliert und es zu einem massiven Polizeieinsatz kommt, denn dann sind die Fans immer die Dummen. In erster Linie handelt es sich hierbei aber um ein langfristiges Ziel. Erst muss eine stabile Vertrauensbasis geschaffen werden, die es erlaubt, einzelne Personen auch in extremen Situationen noch ansprechen zu können um sie vor unüberlegtem Tun und Handeln abzuhalten. Die meisten Dinge beim Fußball entstehen ja aus Wut und Frust und den unüberlegten Handlungen danach. Dadurch können Straftaten verhindert und die Personen natürlich vor Anzeigen und Verurteilungen bewahrt werden.
kadlec: Wo ist ihr Platz im Stadion?
Erwin Ress: „Im Moment im Innenraum bei Heim – und direkt im Block bei Auswärtsspielen. Bei Heimspielen im Innenraum, damit ich möglichst schnell auch in den Gästebereich kommen kann, um mit meinen Kollegen aus den anderen Fanprojekten in Kontakt zu kommen, falls es da Probleme gibt. Bei Auswärtsspielen bin ich immer direkt unter den Fans, um möglichst schnell bei Problemen mit Ordnern oder der Polizei eingreifen zu können, wenn man mich lässt.
kadlec: In Wehen (Anm. der Redaktion: Saison 2007/2008 ) durften sie nicht eingreifen, hat man sie nicht in den Block gelassen. Wie beurteilen sie die Geschehnisse dort?
Erwin Ress: In Wehen war schon eine massive Polizeipräsens am Bahnhof. Die FCK-Fans wurden schon von zum Teil behelmten Polizeibeamten mit Hunden erwartet. So „begrüßt“ man keine Gästefans. Das schürt Aggressionen und man behandelt alle Fans pauschal als potentielle Gewalttäter. Das ist nicht zu rechtfertigen. Der Ordnungsdienst hat ebenfall überreagiert. Zuerst durfte eine Fangruppe ihre Fahne nicht mit ins Stadion nehmen und dann hat man zum Teil unverhältnismäßig reagiert, weil Fans wegen der Enge im Stadion zum Teil auf den „Fluchtwegen“ standen. Dadurch ist die Situation im Stadion dann auch kurzzeitig eskaliert. Die Ordner haben mich trotz meines DFL-Ausweises nicht in den Block gelassen. Es wäre jetzt vermessen zu behaupten ich hätte dort noch schlichten, oder was verhindern können, aber man hätte es wenigstens versuchen können. So wurde wieder auf eine ganze Gruppe von Fans eingeknüppelt bzw. mit Pfefferspray eingedeckt. Anschließend hat man auch Frauen verweigert die Augen auszuspülen. Hilfe bekamen nur die von ihren eigenen Kollegen besprühten Polizeibeamten.
kadlec: Welche Probleme sehen sie auf Grund der Veränderungen in der Fankultur zukünftig auf sie zukommen? Unter den Veränderungen verstehe ich die zu beobachtende Zunahme der Ultras in den Stadien, welche die Kurven mittlerweile dominieren und die Kuttenträger nach und nach an den Rand drängen.
Erwin Ress: „Ich beobachte vor allem, dass die Hooligan–Szene zahlenmäßig abnimmt und die Ultra–Szene wächst. Die Hooligans treffen sich für ihre Auseinandersetzungen mittlerweile abseits vom Fußball. Mit der Folge, dass sich der Polizeiapparat nun vermehrt den Ultras zuwendet und in dem Zuge, diese dann oft vorschnell und häufig zu Unrecht kriminalisiert werden. Manchmal führt erst das massive Polizeiaufgebot zur Eskalation einer bis dahin eher harmlos erscheinenden Situation. Man kann das Problem durchaus so formulieren: Indem die Vereine und der Staat die beiden Szenen – mal grob gesprochen – zum Teil in einer unreflektierten Weise gleichsetzen und gleich behandeln, werden Probleme erst erzeugt, die man bei einer differenzierteren und behutsameren Vorgehensweise hätte vermeiden können. Heute finden die meisten Auseinandersetzungen nicht mehr zwischen den verschiedenen Fangruppen, sondern häufiger zwischen Fans und den Ordnungskräften und/oder Polizei statt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass mit fortschreitender Kommerzialisierung des Fußballs, die Inszenierungs- und Choreographiebedürfnisse der Ultras immer häufiger mit ordnungspolitischen und sicherheitstechnischen Bestimmungen und Regelungen in der Stadionordnung in Konflikt geraten. Mit der Konsequenz einer zu beobachtenden Häufung der Stadionverbote. Ein wichtiges Ziel, auf das die KOS großen Wert legt, beinhaltet die stärkere Rückbindung der Fans an die Vereine.
kadlec: Wie stehen sie dazu?
Erwin Ress: „Grundsätzlich sehe ich das positiv, aber es darf nicht um jeden Preis geschehen. Eine kritische Distanz auch zum Verein scheint mir wichtiger zu sein, als dem Klub in allen Fragen nur blind hinterher zu rennen.“
kadlec: Herr Ress, ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche ihnen und dem Projekt viel Erfolg.
Interview & Autor: kadlec
Datum: 28.02.2008