Montag, 23. Dezember 2013 "Der verwundete Aufstiegsfavorit" (Die Rheinpfalz)

Zitat

„Meiner ist größer!“ Marcel Gaus blickt auf das borstige Ding neben sich, dann auf Simon Zoller und grinst. Beide stehen im Wald und haben eine gemeinsame Mission: Sie wollen einen Weihnachtsbaum. Aber ganz so einfach, wie sie sich das vorgestellt haben, ist es dann doch nicht. Zum einen wird es langsam dunkel, zum anderen ist es für beide das erste Mal. Ehrfürchtig nähern sie sich der grünen Armee, die in der Dunkelheit abzutauchen droht. Klaus Platz, der Förster des Forstamts Kaiserslautern, zuständig fürs Revier Morlautern, macht ihnen die Jagd schmackhaft: „Wir haben vor Jahren Bäume angepflanzt. Extra für euch. Jeder Baum kann weg“, erklärt er, und Zoller zieht forsch mit dem Fuchsschwanz los. Das Opfer ist schnell gefunden. Eine kleine, dicke Fichte. „Der hat einen schönen Bauch. Der gefällt mir“, erklärt er, und Gaus stimmt ihm zu: „Das ist unser Baum. Den nehmen wir.“ Sanft streichelt der Mittelfeldmann über die Nadeln, und da ist es mit der Ruhe vorbei. Zoller prustet drauflos. „Der streichelt die Nadeln!“

Der Stürmer versucht sich zu konzentrieren, dann setzt er die Säge an. „Tiefer“, kommandiert der Förster. Gaus und Zoller streifen das Gras zur Seite und versuchen, das Sägeblatt ins Holz zu drücken, doch sie rutschen immer wieder ab. „Wenn einer singt und einer sägt allein, geht es besser“, rät Klaus Platz. Seine Lehrlinge folgen. Zoller sägt allein. Sekunden später fällt die Fichte. Der Förster ist begeistert. „Ich stelle Sie ein als Baumabschneider“, verkündet er. Zoller schmiedet währenddessen übermutig Pläne: „Den stellen wir beim Trainer in die Kabine.“

Und Gaus lässt seinen Blick über die Wipfel schweifen. Er hat seinen Favoriten gefunden, hofft jetzt auf die Hilfe seines Teamkameraden, doch der ist gerade beschäftigt: Er hat sich eine Fotokamera geschnappt und schießt Bilder vom sich abrackernden Gaus. Der schließlich doch ein Exemplar sein Eigen nennen kann, mit Zoller und seiner Neuerwerbung vor der Kamera posiert, Richtung Zoller witzelt: „Da hast Du ja ein Prachtexemplar geschossen“ und ihn damit aufzieht, dass er den „Größeren“ hat.

Ein kalter Wind weht durch den Wald. Es wird immer dunkler. „Ich wurde mehrfach gestochen“, jammert Gaus, der in Winterjacke im Wald steht, während sein Kollege nur einen Wollpulli trägt. Der bekommt nichts mit von der Kälte, ist gerade in ein Gespräch mit dem Förster vertieft. Platz erzählt gerade davon, dass über 10.000 Bäume in seinem Revier für Weihnachten wachsen. Dass am Samstag 400 Menschen im Wald waren, hauptsächlich Familien mit Kindern, dass 300 Bäume geschlagen wurden und dass er es genossen hat, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. „Sowas ist wichtig für uns“, meint er, schwärmt davon, wie schön es ist, seinen eigenen Baum zu haben, frisch aus dem Wald, und erzählt, dass es jedes Jahr mehr werden, die zum Fällen kommen.

Gaus will wissen, wie lange es dauert, bis der Baum so groß ist wie der, den er gerade umgelegt hat, und nickt beeindruckt. „Fünf, sechs Jahre“, hat ihm Platz erklärt, der jetzt doch mal was fragen muss: „Was tippt ihr, wie das Spiel ausgeht?“ Die beiden Fußballer halten sich bedeckt. Gaus macht ihm klar, wie wichtig ein Erfolgserlebnis wäre, jetzt vor der Pause. Und der Förster versucht ihn aufzubauen: „Ihr habt es verdient, Jungs. Ihr spielt so tollen Fußball.“ Zoller bekommt das nicht mehr mit. Er steht im Wald, blinzelt ins Scheinwerferlicht und gibt ein Fernsehinterview. Weihnachten ist irgendwie doch noch weit weg. Auch wenn die Bäume schon gefällt sind. Vor der Feier gibt’s noch ein Weihnachtsspiel, und wenn der FCK da keine Geschenke verteilt, dann liegen drei Punkte unter der Fichte, und Simon Zoller und Marcel Gaus können die Festtage bei ihren Familien so richtig genießen.

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DIE RHEINPFALZ
Pfälzische Volkszeitung