Florian Dick: “Der Betze ist Religion”

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    Florian Dick: “Der Betze ist Religion”

    Im Gespräch mit Treffpunkt Betze blickt Florian Dick auf seine Karriere zurück und spricht über die bis heute anhaltende Wucht des 1. FC Kaiserslautern.


    "Dick, Dick, Dick", schallte es früher häufiger aus der Westkurve, als der Rechtsverteidiger mit der Nummer 23 zu spektakulären Grätschen ansetzte. Zu seiner aktiven Zeit bezeichnete Florian Dick den 1. FC Kaiserslautern als "den englischsten Verein Deutschlands". Heute, nachdem er im Mai 2019 seine Fußballschuhe an den Nagel hing, ist der 37-jährige als Teammanager der Roten Teufel tätig. Als Profifußballer spielte Dick lediglich für drei Vereine - und erfüllte dabei stets alle Vertragslaufzeiten. Das klingt nicht nach heutzutage gängigen Mechanismen in der Welt des Profifußballs. Aber es zeigt die besonderen Seiten des Florian Dick, der viele Jahre für den FCK aktiv war und heute noch immer ist. Im Gespräch mit Treffpunkt Betze spricht „Magic Dick“ über die Meilensteine seiner Karriere und die immer noch spürbare Wucht und Energie des 1. FC Kaiserslautern.


    Schicksalsträchtiger Wendepunkt in der A-Jugend


    Florian Dick begann das Fußballspielen bei den Bambinis des FV Hambrücken. Bei einem Spiel seines Vereins gegen die E-Jugend des Karlsruher SC im Jahr 1993, das wenige Stunden vor dem Spiel der Profis im Wildparkstadion in Karlsruhe ausgetragen wurde, spielte sich der damals 9-jährige ins Blickfeld der KSC-Trainer und wechselte wenig später den Verein. Eine Umstellung, die zunächst von der ganzen Familie zu tragen war - immerhin war Karlsruhe über 20 Kilometer entfernt, und trainiert wurde dreimal in der Woche. Sein Opa übernahm stets den Fahrdienst und ermöglichte Dick somit den gesamten Jugendbereich beim KSC zu durchlaufen.


    Als entscheidend für den weiteren Verlauf seiner Karriere stellte sich dabei ein Moment während seiner Zeit in der A-Jugend beim KSC heraus: Als Dick gegen Ende seiner Jugendzeit aus der Badischen Auswahl flog und auch in der A-Jugend nicht mehr erste Wahl war, begann er zu zweifeln. “Ich hatte keine Lust mehr auf Fußball”, sagt er rückblickend. Auch sein Auswahltrainer sah wenig Hoffnung auf eine Zukunft im Profibereich. Doch sein Vater motivierte ihn zum Weitermachen und wollte die ganzen gemachten Bemühungen nicht vergebens sein lassen. “Er meinte, ich solle mich zusammenreißen”, erzählt Dick vom ersten Wendepunkt seiner Karriere, der eine Profikarriere als Bundesligaspieler überhaupt erst möglich machte.


    Dicks Zeit beim KSC


    Insbesondere der bereits erwähnte Auswahltrainer dürfte große Augen gemacht haben, als sich sein ehemaliger Schützling in der Saison 2003/04 als Stammspieler bei den KSC-Profis in der zweiten Bundesliga etablierte und fast alle Spiele über die gesamte Spielzeit absolvierte. Nachdem Dick auch in den folgenden Jahren in der Mannschaft als Stammspieler gesetzt war, sollte sich ein Kreuzbandriss im Februar 2007 als relevant für die spätere Wahrnehmung seines Berufs erweisen. Er empfand gegenüber dem Privileg, seinem Hobby als Beruf nachgehen zu können, nun eine neue Form der Dankbarkeit: “Wenn ich später in meiner Karriere mit der Mannschaft vom Trainer zum Laufen in den Wald geschickt wurde, ging mir immer durch den Kopf, dass es ein großes Glück ist, dass mein Körper dazu überhaupt in der Lage ist”.


    Auch wenn die Situation für ihn als junger Spieler während seiner Verletzung schwer war und er den Gedanken ertragen musste, “eventuell nie wieder richtig kicken zu können”, war sie bedeutend für die spätere mentale Stärke Dicks. Er war sich fortan bewusst, sich auch aus einer solchen Situation heraus kämpfen zu können. Nach insgesamt über einem Jahr Reha und Vorbereitung durfte der Bruchsaler sein Comeback bei den Profis feiern. Den Aufstieg in der Saison 2006/07 konnte er trotzdem nur als Zuschauer auf der Tribüne miterleben.


    Bundesliga-Aufstieg auf dem Betzenberg


    Nach seiner schweren Verletzung war Dick nicht mehr die erste Wahl unter Trainer Edmund Becker, der im Sommer Andreas Görlitz für die Rechtsverteidigerposition nach Karlsruhe holte. Mit einer Rolle als Backup wollte sich Dick auch angesichts seines jungen Alters nicht zufrieden geben - und er entschied sich für einen Wechsel zum FCK, der damals in der zweiten Liga spielte. “Natürlich gab es ein paar Frotzeleien auf beiden Seiten wegen meines Wechsels”, meint Dick zur besonderen Situation angesichts der Rivalität beider Vereine, “aber das gehört dazu und war auch alles im Rahmen“.


    Angekommen in Kaiserslautern, lief es für den mittlerweile 24-jährigen von Beginn an optimal. Unter der Leitung von Milan Sasic gehörte er auf dem Betzenberg direkt zur Startelf. Dabei kam der gelernte Verteidiger ab und an im rechten Mittelfeld zum Einsatz. Bei den Fans in der Westkurve machte sich Dick insbesondere wegen seines großen Einsatzes auf der rechten Seite beliebt - an Leidenschaft mangelte es seinem Spiel nie. Während der FCK in Dicks erster Saison einen soliden siebten Platz erreichte, spielten die Roten Teufel im darauffolgenden Jahr um den Aufstieg in die Bundesliga. Als dieser am 24. April 2010 trotz einer Niederlage im Heimspiel gegen Hansa Rostock und dank des Unentschiedens von Augsburg in Frankfurt feststand, konnte Dick das Geschehene erst gar nicht begreifen. “Ich hatte wochenlang auf diesen Moment hin gefiebert. Und auf einmal waren wir wirklich aufgestiegen”, beschreibt er den schönsten Moment seiner ganzen Karriere. Wenn er von der Feier im Rathaus der Stadt spricht, ist er gar nicht mehr aufzuhalten: “Wir fuhren mit einem Doppeldecker durch die Stadt. Es war unglaublich, die ganzen Fans zu sehen. Und die Stimmung war wirklich der Wahnsinn. Meine Erinnerungen an den Tag werde ich nie vergessen”.


    Erstes Bundesligator gegen Leverkusen


    An sein erstes Bundesligator beim Auswärtsspiel im November 2010 in Leverkusen kann sich Dick noch genau erinnern. “Da sah René Adler nicht gut aus”, meint er lachend. Einen Freistoß des FCK blockte zunächst Leverkusens Vidal vor Dicks Füße, der mit einem satten Schuss aus rund 30 Metern ins Tor traf. Und gegen den damaligen Torwart der Nationalmannschaft zum ersten Mal in der Bundesliga zu treffen, machen ihm sicherlich die wenigsten nach. Auch an seinen ersten Bundesliga-Doppelpack gegen den FC Augsburg im Januar 2012 kann er sich heute noch gut erinnern. “Ich habe nicht so oft getroffen”, ergänzt er lachend, “von daher ist jedes Tor besonders für mich gewesen”. Ihm wäre jedoch lieber gewesen, die beiden besagten Spiele zu gewinnen, anstatt selbst zu treffen. Immerhin fehlten dem FCK in der zweiten Bundesliga-Saison nach dem Aufstieg die nötigen Punkte, um die Klasse zu halten. Und so stieg der 1. FC Kaiserslautern 2012 wieder in die zweite Liga ab. “Wir haben alles versucht um den Klassenerhalt zu schaffen. Am Ende waren es verschiedene Faktoren, die zusammenkamen”, so Dick zum Abstieg aus der Bundesliga, in die der FCK seither nicht mehr zurückkehren konnte.


    Relegation gegen die TSG als emotionalster Moment der Karriere


    In den folgenden zwei Saisons verpasste Dick mit dem FCK zweimal den Aufstieg in die Bundesliga nur denkbar knapp: In der Saison 2012/13 scheiterten die Roten Teufel in den beiden Relegationsspielen gegen die TSG Hoffenheim, in der darauffolgenden erreichten sie nach spannendem Saisonfinale einen vierten Platz. “Es ist deutlich einfacher, in einer Liga zu bleiben, als aus einer aufzusteigen”, meint Dick auch mit Verweis auf die aktuelle Situation seines Vereins in der dritten Liga.


    Nichtsdestotrotz hat sich das Relegationsrückspiel gegen Hoffenheim auf dem Betzenberg in seine Erinnerung einzementiert: “Wir hatten das Spiel verloren und waren natürlich total enttäuscht. Als wir in die Kurve gingen, wurden wir dennoch mehr als eine Stunde lang von unseren Fans gefeiert. Gefühlt ging keiner der Fans früher nach Hause. Das war für mich sehr prägend“. Für ihn sei es der emotionalste Moment in seiner Karriere gewesen, die Fans noch so lange nach Abpfiff singen zu hören. Über eine Stunde lang fehlten ihm die Worte. Und rückblickend seien die Momente nach dem Hoffenheim-Spiel auch ein Grund dafür gewesen, als Spieler zur Saison 2018/19 nochmal nach Kaiserslautern zurückzukehren.


    “Ich war total verwundert, als die Ecke zu mir kam”


    Sicherlich dürfte vielen FCK-Fans noch Dicks Volley-Fernschuss im Spiel gegen den FSV Frankfurt (April 2014) in Erinnerung sein. Ein kunstvoll getretener Eckball von Kevin Stöger erreichte wenige Meter vor dem Sechzehner Dick, der sich ein Herz nahm und die Kugel unter der Latte im linken oberen Toreck versenkte. Von den Zuschauern der Sportschau wurde der Treffer wenig später zum Tor des Monats gewählt. Auf die Frage, ob die Variante einstudiert gewesen sei, muss Dick lachen. “Nein, das hatten wir so nicht trainiert. Als der Ball von Stöger zu mir kam, war ich zunächst ganz verwundert“.


    Dicks Wechsel nach Bielefeld


    Trotz des unglaublichen Treffers gegen den FSV Frankfurt verlängerte der FCK den auslaufenden Vertrag des Abwehrspielers nicht. Nach sechs “unglaublich emotionalen” Jahren auf dem Betzenberg ging es für Dick weiter zu Arminia Bielefeld, die zum Zeitpunkt des Wechsels in der 3. Liga spielte. Angesprochen auf die Gründe für seinen Wechsel sagt der ehemalige Rechtsverteidiger: “Das kam vor allem über Norbert Meier zustande, der mich vorher schon einmal nach Düsseldorf holen wollte”. Dennoch sei es für ihn keine leichte Entscheidung gewesen in die 3. Liga zu wechseln, sodass der Wechsel erst kurz vor dem Start der neuen Saison vollzogen wurde. Es war ihm wichtig, in Bielefeld keine halben Sachen zu machen, wenn er sich für einen Wechsel entschied. Er unterschrieb einen Dreijahresvertrag, der sich bei Aufstieg um ein weiteres Jahr verlängerte und absolvierte für die Arminia in den nächsten vier Jahren 65 Zweitliga- und 38 Drittligaspiele. Denn gleich in seinem ersten Jahr stieg die Mannschaft aus der 3. Liga auf. Auch die Zeit in Bielefeld sei ihm daher in guter Erinnerung: “Der Verein hat, ähnlich wie der FCK, eine große Historie. Und gleich in meinem ersten Jahr aufzusteigen, war sehr besonders”.


    Dass Dick in seiner Karriere nur bei drei Vereinen spielte und dabei stets die Vertragslaufzeiten erfüllte, zeigt die Besonderheit dieses Spielers. Nur noch selten findet man Typen wie Dick im Profigeschäft, wo Vertragsauflösungen und Trainingsboykotts von Spielern zu gängigen Mitteln geworden sind. Ihn zeichnet sowohl eine große Leidenschaft für seinen Verein als auch Verlässlichkeit und Bodenständigkeit aus, was ihn für Fans sehr nahbar wirken lässt.


    Lautern als Drittligist

    Nach seinem vierjährigen Intermezzo in Bielefeld kehrte Dick zur Saison 2018/19 wieder zu seinem Herzensverein auf den Betzenberg zurück. Dieser war gerade zum ersten Mal in seiner langen Vereinsgeschichte in die 3. Liga abgestiegen und war froh, einen erfahrenen Spieler wie Dick für das zu weiten Teilen neu zusammengestellte Team zu bekommen. Zum ersten Heimspiel gegen 1860 München kamen auf den Betzenberg über 40.000 Zuschauer - es herrschte eine “riesen Euphorie und Erwartungshaltung” - doch damit umzugehen, war für die Mannschaft nicht leicht.


    Wenn Dick über die erste Drittliga-Saison mit dem FCK spricht, wird spürbar, wie außersportliche Dinge damals an ihm nagten. “Um den Verein herum war viel los”, bewertet Dick die damalige Situation, “daher war es schwer am Wochenende alles auf den Platz zu bringen”. Gemeint dürften Trainerdiskussionen - wie die um Michael Frontzeck, der im Dezember 2018 entlassen und durch Sascha Hildmann ersetzt wurde - sowie insbesondere Machtkämpfe in der FCK-Führungsetage sein. Ständig wurde beim Thema Investorensuche gestritten, im Vorstand und im Aufsichtsrat traten Mitglieder zurück und wurden durch neue ersetzt, und ganz nebenbei hatte man auch noch ein Finanzloch von über 12 Mio. Euro zu schließen. Die Zeit sei daher für Dick “schwierig und kraftraubend gewesen”, da der sportliche Erfolg beim ganzen Drumherum auf der Strecke blieb. “In der Pfalz sind die Leute eben eng mit dem FCK verwurzelt”, so Dick. “Wenn wir gewannen, war die Euphorie groß. Auf der anderen Seite merkte man die ganze Woche, wenn wir das letzte Spiel nicht gewonnen hatten. Das wirkt sich auch auf das Privatleben eines Spielers aus”.


    Einschätzung des aktuellen Aufwärtstrends unter Antwerpen


    Durch einen großen Namen wird einem in der 3. Liga nichts geschenkt. Es braucht Zeit, sich in dieser Liga zu akklimatisieren”, erklärt Dick die schwierige Situation für den FCK in der 3. Liga. Zudem seien in seinen Augen mittlerweile alle Vereine professionell aufgestellt und Budgets in dieser Spielklasse ohnehin nicht so aussagekräftig, da sich die Unterschiede zwischen den Vereinen nur relativ geringhalten würden. Umso mehr freue er sich für das Team und die Fans, dass es momentan unter FCK-Trainer Antwerpen, der seit Februar 2021 im Amt ist, so gut läuft.


    Den aktuellen Tabellenplatz hat sich die Mannschaft durch eine stabile Defensive selbst erarbeitet”, erklärt Dick den Aufwärtstrend. Erfolgserlebnisse würden etwas mit einem als Spieler machen und das Auftreten insgesamt grundlegend verändern. Zudem spricht ein anderer Punkt für das Intakt sein der Mannschaft. “Schon in der Vorbereitung hat man gemerkt, dass die Mannschaft gut harmoniert. Auch wegen dem guten Teamgefüge kommen wir nun immer besser in Fahrt“. Um in dieser Saison um den Aufstieg mitspielen zu können, müssten die Roten Teufel zunächst einmal die Effektivität der vergangenen Spiele mit ins neue Jahr nehmen und als Defensivverbund weiter so gut agieren. Gelingt das, hält Dick nach oben alles für möglich.


    “In der Pfalz gibt es nur den FCK”


    Im Gespräch mit Florian Dick ist in jeder Sekunde herauszuhören, dass er dem Verein sehr eng verbunden ist und um die Bedeutung des FCK für die gesamte Stadt und Region weiß: “Eine solche Verbundenheit der Leute mit dem Verein erlebt man nicht oft. Als Spieler spürt man die in jeder Sekunde“. Er selbst habe das Gefühl, dass die Leute in der Stadt und Region ihren Verein lieben, absolut gebraucht. Bei Auswärtsspielen, wo wenig Zuschauer im Stadion waren und die Stimmung matt, habe er sich dementsprechend nie wirklich wohl gefühlt.


    Dazu sei die Historie des Vereins der “absolute Wahnsinn”, was auch nach dem Tod von Horst Eckel wieder spürbar war. Die FCK-Legende sei für viele ein Vorbild gewesen und habe bis zuletzt voll und ganz hinter dem Verein gestanden. Nicht zuletzt macht Dick klar, dass er den FCK immer im Herzen tragen wird und es besonders sei, Teil dieses Vereins zu sein: “Der Betze ist eine Religion. In der gesamten Stadt, nein in der gesamten Pfalz gibt es nur den FCK”.


    Quelle Treffpunkt Betze