Das Ende der Gefühlsachterbahn?

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    Das Ende der Gefühlsachterbahn?

    Das erste Saisondrittel des 1. FC Kaiserslautern hatte Potenzial für Kreislaufzusammenbrüche. Eine besinnliche Winterpause ist dennoch mehr als wahrscheinlich. Ein erstes Fazit.


    In Kaiserslautern wird Fußball gelebt. Die Laternenmasten in der Stadt und im Umland sind mit Aufklebern der Fanclubs gepflastert, die Brücken mit ansehnlichen Graffiti der Ultragruppierungen besprüht und viele Arbeitnehmer der Region dürften sich nach dem Bundesligawochenende am Montagmorgen an der Kaffeemaschine treffen, um über das letzte Spiel des 1. FC Kaiserslautern zu diskutieren. Die Fans lieben ihren Betze. Sie feiern, wenn die Ergebnisse stimmen oder wenn ein Spieler im Zweikampf seinen Gegenspieler mit einer gefühlvollen Grätsche vom Ball trennt. Genauso leiden sie, wenn der FCK verliert oder der Mannschaft mangelnder Kampfgeist attestiert werden muss.


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    Diese Emotionalität sorgte in der Vergangenheit in guten Phasen für Euphorie, in schlechten für Unruhe, die sich - begünstigt durch negative Presse- und Berichterstattung - in Wut und Verzweiflung entlud. Doch die vergangene Saison scheint die Fans der Roten Teufel in weiten Teilen bescheidener gemacht zu haben, als sie es nach den negativen Entwicklungen der letzten zehn Jahre ohnehin schon waren. Zu schmerzhaft sind für viele die Erinnerungen an den letztjährigen Abstiegskampf oder an den Treppenwitz von Thomas Hengen, dass Stagnation Rückschritt sei. Was dieser Aussage folgte, muss hier nicht weiter ausgeführt werden.

    Der ungewöhnliche Pfälzer Burgfrieden


    Anders ist es nicht zu erklären, dass es seit der Vorbereitung auf die neue Saison ruhig geworden ist in der Pfalz. Auch wenn Markus Anfang nicht der Wunschtrainer eines Großteils der Fans war, auch wenn bis zum Deadline Day heftig diskutiert wurde, ob man Ache halten müsse, ob man genug dafür tue, ob man nicht die Pokal-Millionen investieren müsse, um ihm ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen könne - das hypernervöse Umfeld in Lautern blieb grundsätzlich ruhig und ließ Mannschaft und Trainer bis heute arbeiten. Ein Blick auf den ungebrochen hohen Zuschauerzuspruch auf dem Betze und die spürbar gute Stimmung in der Mannschaft genügt für diese Einschätzung. Selbst die Ergebnisdelle, die der FCK im September mit den Horrorauftritten gegen Hannover, Regensburg und Elversberg (für viele schon das Sandhausen des Saarlandes) durchmachen musste, wurde zwar von den Fans mit Unmut quittiert, aber nicht einmal die Lokalpresse brach den Stab über Trainer, Kaderplaner oder Geschäftsführer.


    Diese Ruhe trug nicht unwesentlich dazu bei, dass nach der Wende gegen Paderborn sehr gute Spiele gegen Stuttgart im Pokal und gegen Magdeburg und Nürnberg in der Liga folgten. Diese Gelassenheit gibt den Männern in Rot, die in der vergangenen Saison mit weitgehend unverändertem Kader noch im Abstiegskampf zitterten, Sicherheit. Diese Ruhe braucht man, wenn man eine Mannschaft entwickeln will.

    „Hoch und Weit“ ist Vergangenheit


    Auch hier muss der Blick zunächst auf die vergangenen Jahre gerichtet werden. Da spielten die Lautrer seit grauen Drittligazeiten einen Fußball, der zwar durchaus effektiv war, aber in weiten Teilen den Fußball-Gourmet nur selten zum Zungenschnalzen animierte. Unter Antwerpen und Schuster wurde der Kader zu einer mit schnellen Schienenspielern gespickten Struktur geformt, die aus einer kompakten Defensive heraus mit langen Bällen in die Tiefe auf die Flügel schnell operieren sollte. Diese DNA der Mannschaft ist auch unter Markus Anfang noch zu bewundern, wenngleich der aktuelle Coach der Roten Teufel eine neue Philosophie mit auf den Betzenberg gebracht hat, die immer mehr Einzug in das Spiel des FCK zu halten scheint.


    Ballbesitzwerte von unter 50 Prozent gehören der Vergangenheit an, häufig wird tief und unter Einbeziehung des Torhüters aufgebaut, um den Gegner zu locken und Räume für ein schnelles Passspiel in die gegnerische Hälfte zu schaffen. Die Umsetzung dieser Idee sorgte vor allem zu Beginn der Runde bei dem einen oder anderen FCK-Fan für Herzrhythmusstörungen, denn Passschärfe und -qualität sind für eine solche Spieleröffnung essentiell. Für die Innenverteidiger war beides eher eine grobe Richtlinie als ein verinnerlichter Automatismus. Mittlerweile scheint die Betze-Defensive aber verstanden zu haben, worauf es ankommt, so dass man die letzten Spiele vor der Länderspielpause auch ohne Baldrian verfolgt werden konnten.

    In der Ruhe liegt die Kraft


    Markus Anfang denkt nicht in Positionen und Spielsystemen. Vor den Spielen von Journalisten nach der heutigen Grundformation gefragt, antwortet er gebetsmühlenartig, dass er dazu nichts sagen könne. In seiner Vorstellung bewegen sich seine Spieler in einem vorgegebenen Rahmen, sollen aber eigenverantwortlich auf die Spielsituation reagieren, flexibel Räume bespielen oder abdecken und sich nicht dogmatisch auf eine bestimmte Position auf dem Feld festlegen. So fand sich Philipp Klement in der ersten Pokalrunde in Ingolstadt plötzlich als Rechtsaußen wieder, und die nominellen Außenverteidiger wechselten zwischen der Sechser- und der Außenverteidigerposition, wenn sie nicht ohnehin aus alter Gewohnheit auf der Außenbahn agierten. Typische Allrounder wie die Allzweckwaffe Daniel Hanslik oder der Innenverteidiger in der Haut eines defensiven Mittelfeldspielers Boris Tomiak hatten mit dieser Interpretation von Anfang an weniger Probleme als beispielsweise die Außenverteidiger.


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    Spätestens seit der Umstellung von Vierer- auf Dreier-/Fünferkette scheinen aber alle Spieler mit der ihnen zugestandenen und von ihnen geforderten kreativen Auslebung ihrer Position auf dem Feld zurechtzukommen. Auch hier scheint sich die Ruhe im und um den Verein positiv auszuwirken.

    Anfang will gewinnen und nicht auf Unentschieden spielen


    Neu ist auch der Anspruch, in Spielen mit offenem Ausgang auf Sieg zu spielen. Wurde in der letzten Saison oft versucht, das Ergebnis über die Zeit zu bringen, um wenigstens einen Punkt mitzunehmen, hat der Trainer der Mannschaft den Willen eingeimpft, drei Punkte zu holen. Da hüpft natürlich das Herz der alten Bolzplatzrecken, die auf den Hartplätzen der Region nie aufgegeben hätten. Sie können gar nicht genug Stürmer haben, die bei einem Unentschieden kurz vor Schluss auf den Platz geschickt werden, um die Entscheidung zugunsten des FCK zu erzwingen.


    Gegen die Hertha in einem der vielen Abendspiele wurde dieser Anspruch erstmals deutlich: Der Mut, den die Männer in Rot beim 3:3 in der Schlussphase des Gala-Spiels bewiesen hatten, wurde schließlich mit dem Gegentor zum 3:4-Endstand bitter bestraft. Da half auch der Nimbus der Unbesiegbarkeit unter Flutlicht nichts.

    Das Flutlicht-Phänomen


    Die DFL bzw. der DFB und der FCK verbindet das, was man heute in der Psychologie eine „toxische Beziehung” nennt. Für die weltweit beachtete Choreographie der Betze-Fans beim Pokalfinale in Berlin verhängte der DFB eine Rekordstrafe von 300.000 Euro. Natürlich waren der Rote Teufel in der Ostkurve des Olympiastadions und die Rauchtöpfe drumherum beste Werbung für den Fußballstandort Deutschland. Das dachten sich insgeheim wohl auch DFB und DFL, die den FCK in dieser Saison bereits vier Mal für ein Flutlichtspiel am Samstagabend angesetzt haben. Schon in der vergangenen Saison spielte der 1. FC Kaiserslautern unter künstlichem Licht überdurchschnittlich gut. Man erinnere sich an die Pokalabende von Nürnberg bis Saarbrücken oder auch an andere Topspiele in der Liga.


    Auch in dieser Saison haben die Lautrer abends immer wieder Bestleistungen gezeigt und unter anderem gegen starke Hamburger einen Punkt geholt, die zwischenzeitliche Ergebniskrise mit einem klaren Sieg gegen Paderborn beendet und das nach dem Flaschenwurf in Düsseldorf aus den Fugen geratene Schicksal mit der ”Rache für Ache” wieder ins Lot gebracht. Wer weiß, wohin der Weg in dieser Saison noch führt, wenn die DFL weiterhin Lust auf Flutlicht-Fußballfeste mit FCK-Beteiligung hat.

    Entspannt unterm Tannenbaum


    Der Betze befindet sich mitten in der Entwicklung von einer Umschalt- zu einer Ballbesitzmannschaft. Die Ruhe im Umfeld unterstützt den Strategiewechsel, den die Mannschaft in den letzten Wochen vollzogen hat und weiter vollziehen wird, maßgeblich. Viele der Neuzugänge haben sich zudem als sinnvolle Ergänzungen erwiesen und runden das gute Bild ab, das der FCK derzeit abgibt, ab.


    Wenn die Verletzungsmisere abklingt und Markus Anfang wieder mehr Optionen bei der Aufstellung und Auswechslung hat, dürfte der Konkurrenzkampf und damit die grundsätzliche Qualität im Kader weiter steigen. Dann wird man in keinem der Duelle bis zum Jahresende mit den Highlights gegen Karlsruhe, Schalke oder Köln chancenlos sein und die Weichen für ein besinnliches Weihnachtsfest in Kaiserslautern stellen können.


    Zum Schluss noch meine Highlights und Lowlights des ersten Saisondrittels:


    Tops:

    - Rekordverdächtiger Zuschauerschnitt daheim wie auswärts

    - Jeder im Kader bekommt seine Einsatzchance

    - Spielerische Entwicklungskurve zeigt deutlich nach oben


    Flops:

    - Krahls Faust: Der Tragödie erster und zweiter Teil

    - Lospech in der zweiten Pokalrunde

    - Verletzungsmisere

  • Mit dem Top spielerische Entwicklungskurve zeigt deutlich (!) nach oben gehe ich zumindest teilweise mit, wobei ich da noch vorsichtig optimistisch bleibe. Für mich war die erste HZ in Nürnberg spielerisch enttäuschend, die zweite wieder etwas besser. Ein Top ist für mich auf jeden Fall, dass Spieler, die lange keine Rolle spielten richtig stark performen (Sirch oder auch Aremu). Als Flop fehlt mir definitiv die schwache Phase von Spieltag 4 bis inklusive 8, nicht nur ergebnistechnisch sondern auch spielerisch war das besorgniserregend. Ohne diese Phase würden wir auch deutlich besser da stehen, so sind wir "nur" auf Platz 10 (6 Punkte zu Platz 3 und 5 zu Platz 16). Ich bin mir relativ sicher, dass unser Saisonziel (was natürlich nicht öffentlich genannt wurde, um nicht unnötig Druck zu erzeugen) mindestens ein einstelliger Tabellenplatz ist.