ZitatAlles anzeigenAm vergangenen Sonntag im Velmore-Hotel in Südafrika, Medienkonferenz des DFB: Die Fußball-Weltpresse klebt an den Lippen eines 32-jährigen Mannes aus Kusel. Miroslav Klose, 14 WM-Tore, Argentinien-Bezwinger, Welt-Star. Die Journalisten schreiben die Biografie des Saltoschlägers rauf und runter. Eine Station fehlt: der SV Niederauerbach. Ein fehlendes Formular ist daran schuld.
VON CLAUS-PETER SCHMIDT
Die Begebenheit liegt gut zwölf Jahre zurück. Februar 1998. Der SV Niederauerbach schickte sich an, aus der Landes- in die Verbandsliga aufzusteigen. Trainer: Fritz Fuchs. Ein Jahr zuvor hatte Heiner Semar beschlossen, das von fünf Aufstiegen in Folge gekrönte Kapitel seines Mäzenatentums beim damals bundesweit bekannt gewordenen TV Althornbach zu beenden und mit dem Ex-Bundesliga-Coach Fuchs und Spielern nach Niederauerbach zu wechseln.
In der Winterpause der Saison 1997/98 war der Aufstieg in die Verbandsliga schon so gut wie sicher, die Personalplanungen im Gange. Der SVN suchte Stürmer für die höhere Klasse. Ein Tipp lenkte den Blick nach Breitenbach. Man soll sich mal das erste Pflichtspiel nach der Winterpause, ein Bezirkspokalspiel zwischen TuS Breitenbach und Bezirksligist SG Blaubach-Diedelkopf, ansehen. Die Stürmer beider Teams seien recht interessant. Auf Breitenbacher Seite Eric Moosmann, bei der SG ein gewisser Miroslav Klose, 19 Jahre jung. Abgemacht, die Stürmer wurden über das Scouting informiert, aus Niederauerbach fuhren Trainer Fritz Fuchs, Sponsor Heiner Semar und der Vorsitzende Richard Denger ins Kuseler Land.
An das, was dann zu sehen und zu erleben war, erinnert sich Heiner Semar lebhaft: „Moosmann und Klose machten ein gutes Spiel. Schon in der Pause sagte Fuchs: ,Der Moosmann kann mal Oberliga spielen, der andere Bundesliga."" So recht wollten beide Fuchs nicht glauben, obschon auch sie Ansätze bei dem Teenager mit der schon damals ausgeprägten Sprungkraft gesehen hatten. Kurzum: Nach dem Spiel traf man sich bei einem griechischen Wirt in Breitenbach zu Verhandlungen. Zuerst mit dem Favoriten Moosmann. „Nach 20 Minuten waren wir durch, Moosmann unterschrieb den Amateurvertrag in dreifacher Ausfertigung: Ein Exemplar für den Verband, eines blieb bei uns, eines bei Moosmann", erinnert sich Heiner Semar.
Dann waren die Kloses dran. Der einzige, der sprach, war Vater Josef Klose, einst selbst Fußballprofi mit prominentester Station Auxerre. „Josef Klose machte uns klar, dass sein Sohn mal Profi werden wolle. Und wir hatten uns was überlegt", erinnert sich Semar. Hoch im Ansehen der bekanntlich aus Polen stammenden Kloses stand der damalige FCK-Amateure-Trainer Stefan Majewski, ein Pole. Majewski hatte unter Fuchs bei Bielefeld gespielt, die Kontakte waren hervorragend. „Fuchs bot an, Miroslav in enger Abstimmung mit Majewski an das Niveau der Regionalliga heranzuführen. Bedingung: Er sollte ein, zwei Jahre bei uns in Niederauerbach spielen", erinnert sich Semar. Das Angebot fand sofort das Gefallen von Josef Klose, man war sich handelseinig, auch über die Vergütung des künftigen SVN-Vertragsamateurs: 500 Mark im Monat.
Nun fielen die Blicke auf Richard Denger. Und in diesem peinlichen Moment musste der SVN-Vorsitzende gestehen, dass er kein Vertragsformular mehr dabei hatte. Alle verbraten für den Moosmann-Deal. Kein Problem, meinte Josef Klose, und laut Semar war sogar ein heiliges Ehrenwort im Spiel. Man vereinbarte, das Schriftliche 14 Tage später am Rande eines Nachholspiels der Auerbacher in Bad Kreuznach nachzuholen. Doch irgendwie waren höhere Mächte im Spiel: Witterungsbedingt wurde das Spiel abgesagt, der Termin zur Vertragsunterzeichnung damit auch. Darüber, was danach passierte, kann Heiner Semar nur spekulieren. „Tage später hieß es bei einem Telefonat mit Josef Klose, man müsse nochmal über die Sache reden. Dazu kam es aber bis heute nicht mehr."
Denn zwischenzeitlich war der FC Homburg in Person von Zweitmannschaft-Trainer Peter Rubeck an Kloses herangetreten. „Im Probetraining war sofort zu sehen, wie gut sich Miro bewegt, vor allem sein Kopfbalspiel hat mich beeindruckt", erinnert sich Rubeck. Kurz und knapp: Der FC schnappte dem SVN den Rohdiamanten vor der Nase weg. In der Verbandsliga Saar - Homburgs Zweite war mit dem SVN 1998 aufgestiegen - berücksichtigte Rubeck Klose wegen eklatanter Rückstände im konditionellen Bereich erst nicht, nahm ihn dann aber im Dezember mit anderen Reserveteam-Talenten mit hoch in die Regionalliga. Der FC Homburg war insolvent, Profitrainer Werner Kratz gegangen und Rubeck auf seinen Stuhl aufgerückt. Am Ende der Runde 1998/99 hielt Rubeck überraschend die Regionalliga, verlor aber den nun fitten 20-Jährigen Miroslav Klose an den Betzenberg.
Majewskis Nachfolger Michael Dusek war auf den jungen Klose aufmerksam geworden. Bei den FCK-Amateuren traf der schweigsame Stürmer auf den Rieschweilerer Tobias Weis, der damals beim FCK II die Kapitänsbinde trug. „Miro hatte auf Anhieb die Lufthoheit in der Regionalliga. Er hat im ersten Jahr gleich elf Tore gemacht, fast alle mit dem Kopf. Und man darf nicht vergessen, wir waren ja keine Spitzenmannschaft", erzählt Weis, der in jener Saison als Spielmacher und Flankengeber für etliche der Klose-Tore Vorlagengeber war. Und am Ende der Runde als einziger FCK-Amateur mehr Tore (16) erzielt hatte als der Kuseler. Dass er dem damals 21-Jährigen das Potenzial zur Weltklasse angesehen hätte, will Weis nicht behaupten. Das könnten aber auch andere nicht. „Rehhagel behauptet, er habe Klose entdeckt, Rubeck sagt, er sei der Entdecker. Alles Käse: Das war allein Dusek', hält Weis üblichen „Patentanmeldungen" entgegen.
Nach einem Jahr FCK-Amateure habe Klose auch nur deshalb einen Profivertrag bekommen, weil „der Otto gar nicht mehr an ihm vorbei kam'. Nach einer Saison trennten sich die Wege von Klose und Weis. Der ging zum KSC - Kloses Weg ist Legende. Nach drei, vier Jahren riss der Kontakt ab. Was Weis" Sympathien für den Ex-Teamkameraden aber nicht schmälerte. „Es ist einfach fantastisch, Miro in dieser Form bei der WM spielen zu sehen."
Und wie sieht man Klose in Niederauerbach? Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Dieses eine fehlende Formular hat uns im Nachhinein sehr viel Geld gekostet und einiges Prestige, denn es fehlt der Eintrag Niederauerbach in Kloses Biografie", sagt Semar. Aber eigentlich sei die Sache schon lange vergessen...
Stationen: Bei der Weltmeisterschaft in Südafrika ist der deutsche Nationalspieler Mirolav Klose ein gefragter Interviewpartner der Medien. Auf dem Kuseler Gymnasium-Sportplatz ging"s im Oktober 1997 dagegen im Training der SG Blaubach-Diedelkopf noch richtig beschaulich zu. Statt danach im Trikot des SV Niederauerbach in Zweibrücken aufzulaufen, heuerte „Miro" danach beim benachbarten FC Homburg an FOTO: AP, HAMM, STEINMETZ
Quelle: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Westricher Rundschau