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VATER UND TRAINER Viel Zeit hat Marco Kurz für seine beiden Töchter Louissa (links) und Melissa (rechts) nicht. Um so mehr freut er sich, wenn sie ihn in Kaiserslautern besuchen. Als Coach seiner Elf lebt er seine Gefühle am Spielfeldrand aus.
Trainer Marco Kurz hat den 1. FC Kaiserslautern als Zweitliga-Meister zurück in die Fußball-Bundesliga geführt. Nach 17 von 34 Spielen stehen die Roten Teufel mit 21 Punkten auf Platz zwölf. Die Partien gegen Gladbach und Stuttgart sowie in Nürnberg sind für Kurz Schlüsselspiele auf dem Weg aus der Krise gewesen. Große Änderungen im Kader sind in der kurzen Winterpause nicht geplant. Der Klassenerhalt bleibt das Ziel.
Von Horst Konzok und Oliver Sperk
Herr Kurz, wir haben Sie, den Ex-Profi mit 300 Bundesliga-Spielen, in Ihrem ersten Erstliga-Jahr als Trainer während der Hinrunde an der Seitenlinie noch mehr unter Strom erlebt als in der Zweiten Liga ...
Das ist mein Naturell, ich lebe diese besonderen Momente mit. Es ist die Liga in Deutschland mit fantastischen Stadien, fantastischer Zuschauerresonanz und Woche für Woche Top-Gegnern. Zudem spielen immer mehr ausländische Stars in dieser Liga. Für uns ist mit dem Aufstieg ein Traum in Erfüllung gegangen.
Wie sieht das Zwischenzeugnis aus, das Sie Ihrer Mannschaft nach der ersten Hälfte der Saison ausstellen?
Der Start war natürlich traumhaft. Nach dem Sieg in Köln gleich im ersten Heimspiel den Deutschen Meister Bayern München begrüßen zu dürfen, war ein Geschenk, das wir uns durch den Aufstieg erarbeitet haben. Und der Sieg gegen Bayern war ein Traum. Aber wir wussten, dass Schwankungen kommen. Die Mannschaft hat sich allerdings weiterentwickelt, und wir haben mit dem Sieg in Bremen die 21 Punkte erreicht.
Wie hat es Ihr Team geschafft, die schwere Phase von fünf Niederlagen in Serie im September und Oktober zu überwinden und das Zwischenziel von 20 Punkten sogar zu übertreffen?
In diesen Partien haben wir in den spielentscheidenden Szenen die Qualität in der Offensive und in der Defensive nicht abrufen können. Aber die Mannschaft hat in dieser Phase Charakter gezeigt und an sich geglaubt. Der Heimsieg Ende Oktober gegen Gladbach, der Sieg in Nürnberg, wo wir das Spiel sehr dominant gestaltet haben, und jetzt der Erfolg in Bremen waren ganz wichtige Schritte in dieser Entwicklung. Da haben wir über weite Strecken ruhig und gut Fußball gespielt. Diese Qualität müssen wir weiterentwickeln.
Was waren die für Sie entscheidenden Momente der Hinrunde?
Prägend war das erste Pflichtspiel, das Pokalspiel in Osnabrück, das wir gedreht haben. Auch die drei Punkte in Köln im ersten Punktspiel waren enorm wichtig. So konnten wir noch entspannter in das erste Heimspiel gegen den FC Bayern gehen. Ganz entscheidend war die Woche mit den Siegen gegen Gladbach und im Pokal gegen Bielefeld. Neben den Siegen in Nürnberg und zuletzt in Bremen war das 3:3 nach 0:3-Rückstand zu Hause gegen Stuttgart ganz wichtig. Da hat die Mannschaft Charakter gezeigt, und unsere Fans haben gezeigt, welcher Geist hier in diesem Stadion steckt. Überhaupt: ein großes Kompliment und ein Dankeschön an unsere Fans. Die Identifikation der Zuschauer mit der Mannschaft, das war ein Riesen-Mosaikstein beim Aufstieg. Und das wird in dieser Saison im Abstiegskampf nicht minder ins Gewicht fallen.
Von den Neuzugängen hat Chadli Amri nur ein Spiel gemacht, Ilian Micanski hat bislang fast nur Kurzeinsätze gehabt ...
Chadli ist nicht in den Trainingsrhythmus gekommen, wurde durch viele kleinere Blessuren aus der Bahn geworfen. Aber seinen Auftritt mit zwei Toren zuletzt beim FCK II werte ich sehr positiv. In der Sommervorbereitung hat er gezeigt, dass er für Schnelligkeit und erfrischende Momente steht. Ich hoffe, dass wir ihn in der Rückrunde stabil bekommen. Bei Ilian ist es ähnlich, auch er wurde immer wieder durch Blessuren aus der Bahn geworfen. Dazu kommt, dass es für ihn eine neue Liga und ein neues Land ist und ihm durch seinen Wechsel in die Bundesliga große Aufmerksamkeit zu Hause in Bulgarien zuteilwurde. Die Einladung zur Nationalmannschaft folgte, aber auch die Enttäuschung, dass er dort nicht so eingesetzt wurde, wie er sich das gewünscht hat. Vielleicht herrscht hier auch ein höherer Trainingsrhythmus als bei seinen früheren Vereinen. Das alles hat zu einem kleinen Tief geführt.
Auch Erwin Hoffer kam zuletzt kaum zum Einsatz.
Nach den vielen Gegentoren, die mir ein Dorn im Auge waren, haben wir unsere Ausrichtung geändert, so dass wir zwar nicht defensiver spielen, aber kompakter. Die Offensivimpulse kommen jetzt häufiger aus dem Mittelfeld, das hat zuletzt gut geklappt, daher gibt es im Moment nur einen Stürmerplatz. Und von dem ist Srdjan Lakic in dieser Form zurzeit nicht zu verdrängen. Das macht es für Micanski, Hoffer und auch für Adam Nemec schwer, in die Mannschaft zu kommen. Hoffer hat am Anfang durchaus seine Einsatzzeiten gehabt, aber er muss mehr aus seinen Möglichkeiten machen.
Leon Jessen hatte sich ins Team gespielt, wurde dann aber wieder von Alexander Bugera abgelöst ...
Leon spielt offensiver als Bugi. Aber in der Phase, als er seine Einsätze hatte, haben wir einige Dinge im Defensivverbund insgesamt nicht gut gemacht. Durch Bugi haben wir uns mehr Sicherheit und Stabilität erhofft, was auch eingetreten ist. Aber Leon hat eine hohe Qualität, wir vertrauen ihm, das zeigt auch die Vertragslaufzeit bis 2014. Durch die Gelb-Rot-Sperre von Bugi hat Leon die Chance, gegen Köln zu spielen, wenn er sich im Training anbietet.
Stiven Rivic hat die ganze Bandbreite mitgemacht. Gegen Nürnberg eine Gala, zuletzt wieder draußen. Was fehlt ihm noch?
Auch bei Stiven ist deutlich, dass er den Rhythmus nicht hat. Er ist technisch versiert, hat ein gutes Auge und kann den finalen Pass spielen. Aber ihm fehlt die Konstanz. Auch ihn bauen wir durch Training auf.
Sind in der kurzen Winterpause Zugänge oder Abgänge zu erwarten?
Wir werden die Augen offen halten, aber große Veränderungen sind nicht geplant. Thanos Petsos und Clemens Walch sind im Sommer recht spät verpflichtet worden, gewissermaßen im Vorgriff auf den Winter. Ich habe bisher auch keine Signale von einem Spieler bekommen, dass er weg will. Auch nicht von denen mit geringen Einsatzzeiten.
Gibt es in der Pause Gespräche vor allem auch mit den Spielern, bei denen die persönliche Hinrundenbilanz nicht so positiv ausfällt?
Wir versuchen, wie immer, bis zum Ende des Trainingslagers mit allen Spielern Einzelgespräche zu führen, um ihnen Rückmeldung zu geben, was gut ist und was sie besser machen können. Da sollen die Spieler mir auch ihre Fragen stellen, das erwarte ich sogar ausdrücklich.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Mathias Abel, der nach drei Kreuzbandrissen das Bundesliga-Comeback mit 29 geschafft hat?
Matze ist ein sehr klarer Junge, der nie aufgegeben hat. Endlich hat er ein reizfreies Knie und konnte eine komplette Vorbereitung absolvieren. Die Chance kam, als sich Rodnei und Jan Simunek verletzten, und Matze hat sie genutzt. Er ist nach der langen Pause noch in einer gewissen Entwicklung. Aber er hat ein hohes Gut - seine Erfahrung. Er ist ein Stabilisator der Abwehr, die aber auch durch die Defensivarbeit der Mittelfeldspieler gut unterstützt wird.
21 Punkte hat der FCK nach 17 Spielen, wie viele Zähler werden Ihrer Ansicht nach nötig sein, um das Ziel Klassenverbleib zu schaffen?
40 Punkte werden das Ziel sein. Das wird sehr schwer, aber wir sind überzeugt, dass wir das schaffen. Die Rückrunde wird allerdings erfahrungsgemäß schwieriger als die Hinserie. Die fehlenden Punkte müssen möglichst schnell geholt werden, weil der Druck auch bei vielen unserer Gegner steigt und die Spiele dadurch härter und brisanter werden können. Aber wir sind stark genug, unser Ziel zu erreichen. Auch durch die Hilfe unserer fantastischen Fans.
Was fehlt den eigenen Talenten wie Alan Stulin oder Marcel Correia im Vergleich zu Thanos Petsos oder Clemens Walch?
Wir verlieren die eigenen Spieler durchaus nicht aus den Augen. Zum Beispiel bei Alan Stulin sehen wir eine gute Entwicklung. Und wir werden im Austausch mit unserem Nachwuchsleistungszentrum die Entwicklung der eigenen Talente nachhaltig forcieren. Da gibt es ein Kompetenzteam mit Stefan Kuntz, Marco Haber, Frank Lelle, Alois Schwartz, den U19- und U17-Trainern Gunther Metz und Ratinho und meinem Team, das sich turnusmäßig trifft.
Welches waren für Sie die positiven und welches die negativen Überraschungen der Bundesliga-Hinrunde?
Viel Freude macht Borussia Dortmund. Auch die Mainzer machen einen super Job. Die Entwicklung beim FC Bayern ist durch die Verletzungen erklärbar. Aber es macht diese Liga so spannend und ausgeglichen, dass auch kleinere Vereine viele Spiele gegen die Großen gewinnen können.
MARCO KURZ
Geboren in Stuttgart, 16. Mai 1959
Aktiv bei: SV Sillenbuch, VfL Sindelfingen, VfB Stuttgart, 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund, FC Schalke 04, TSV 1860 München, SC Pfullendorf.
300 Bundesligaspiele.
Trainerstationen: SC Pfullendorf, 1860 München II, TSV 1860 München, seit 1. Juli 2009 1. FC Kaiserslautern.
Quelle: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau