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Über 2200 Mitglieder bei außerordentlicher Versammlung - Viel Beifall für Klubchef Kuntz
Ovationen statt Scherbengericht: Stefan Kuntz, der Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, wurde nach seiner Rede bei der außerordentlichen Jahreshauptversammlung gestern Abend mit Beifall gefeiert. Ein Befreiungsschlag für die FCK-Führung - trotz des Abstiegs aus der Fußball-Bundesliga.
Kuntz bekannte sich zu seiner Verantwortung bei der gescheiterten Personalpolitik, die zum Abstieg geführt habe. Mit Vehemenz aber trat Kuntz den Gerüchten über Vetternwirtschaft und angebliche Beteiligungen an Spielerberatungsfirmen entgegen. Er unterstellte bestimmten Urhebern der Gerüchte, damit eigene Interessen zu verfolgen, nicht die des Vereins. Kuntz versicherte, weder er, noch seine Frau oder ein anderer Familienangehöriger habe jemals an einem Transfer verdient. Er werde künftig gegen jeden, der solche Lügen verbreite, juristisch vorgehen.
Kuntz sagte, er stelle sich der berechtigten Kritik. Er räumte Fehlentscheidungen ein, aber er sprach auch seine Verwunderung und Enttäuschung darüber aus, dass man ihm nun Bereicherung unterstelle. Nach Klassenerhalt, Aufstieg und bei Erfolg habe niemand über seinen Vertrag gesprochen, der niedriger dotiert sei als sein Kontrakt früher in Bochum. Kuntz verdiene nun in der Zweiten Liga nur halb so viel wie in der Bundesliga, betonte Aufsichtsratsvorsitzender Dieter Rombach.
Kuntz sagte: „Ich führe den Verein mit Herzblut und Leidenschaft.” Er sei beileibe nicht fehlerlos, werde sicher auch weiter Fehler machen, aber er tue alles, was in seiner Kraft stehe, um den FCK voranzubringen.
Aufsichtsratsvorsitzender Rombach bekannte sich vorbehaltlos zum Weg mit Kuntz. Rombach resümierte: „Bei aller Enttäuschung über die abgelaufene Saison und den Abstieg - die wirtschaftliche Basis des FCK ist gesichert. Das Motto ist und kann nur Wiederaufstieg sein.”
Fritz Grünewalt, Vorstand für Finanzen und Unternehmensentwicklung, sagte: „In den vergangenen Wochen sind zu Fakten Gerüchte und Spekulationen gekommen - das hat dem FCK nicht gutgetan!” Zum Vorwurf besonderer Nähe der Vereinsführung zu bestimmten Spielerberatern sagte Grünewalt: „Die Ausgaben für Spielerberater haben wir in den vergangenen vier Jahren im Vergleich zu den vier Jahren vorher um 1,9 Millionen Euro reduziert.”
„Bei uns ist immer alles auf Kante genäht”, sagte Rombach zu den finanziellen Zwängen in den vergangenen Jahren. Finanzvorstand Grünewalt sagte, der FCK habe sich mit vergleichsweise schlankem Personaletat zwei Jahre in der Bundesliga gehalten: Mit je rund 21 Millionen Euro hätten die gesamten Personalkosten Verwaltung, Vorstand und Lizenzspieler 35 Prozent unter den 32,244 Millionen Euro aus der Bundesliga-Saison 2002/2003 gelegen. Kuntz ist seit April 2008 Vorstandsvorsitzender.
Die Einnahmen (48,759 Millionen Euro 2011/2012) aus den vier Kuntz-Jahren lagen laut Grünewalt mit 148,657 Millionen Euro knapp 50 Prozent über den 103,006 Millionen Euro in den vier Jahren, bevor Kuntz FCK-Chef wurde. Für Steuerzahlungen und Stadionkosten habe der Klub dabei „zehn Millionen Euro mehr stemmen” müssen als die Verantwortlichen in den vier Jahren zuvor.
Den Einwand von Ex-Aufsichtsratschef Dieter Buchholz, das Gros der Steuerschulden sei bilanziert, aber noch nicht bezahlt, prüfte Grünewalt und sagte später: Per 30. Juni 2012 würden 4,3 Millionen der 6,5 Millionen Euro bezahlt sein. Grünewalt: „Der FCK hat die Lizenz auch für die Zweite Liga ohne Auflagen erhalten” - das habe es noch nie gegeben. „Das sind die Fakten”, sagte Grünewalt vor gut 2200 Mitgliedern im Fritz-Walter-Stadion.
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Kommentar
Letzte Patrone - Schuss ins Knie
VON Horst Konzok & Oliver Sperk
Die Führung des FCK nutzte die Jahreshauptversammlung zum Befreiungsschlag. Die Trainerfrage aber stellt sich.
Kritiker der Führung des 1. FC Kaiserslautern hatten den gestrigen Tag zum Abend der Abrechnung ausgerufen. Die Vereinsverantwortlichen wollten die Aussprache - um die Talfahrt zu erklären. Das gelang überzeugend.
Aufsichtsratschef Dieter Rombach, dessen Arbeit dem Verein guttut, trat kämpferischer auf als viele Spieler in der Rückrunde. Er trat allen möglichen üblen Gerüchten entschlossen und überzeugend entgegen. Sein Urteil: Die Presse ist an allem schuld. Diese pauschale Medienschelte aber ist eine Unverschämtheit. Rombach hätte - wie Stefan Kuntz es tat - Ross und Reiter nennen sollen und müssen. So wurden die Medien pauschal als Brunnenvergifter beschimpft. Schlechter Stil!
„Das Motto muss heißen: Erste Liga, wir kommen”, rief Rombach. Das klingt gut. Aber ist das realistisch? Das Ziel kann erst dann realistisch sein, wenn der Kader wirklich verstärkt wird. Das Ziel ist erst dann realistisch, wenn die Trainerfrage überzeugend beantwortet ist. Krassimir Balakov ist mit dem Ziel als FCK-Coach angetreten, den Klassenerhalt zu schaffen. Seine Bilanz ist desaströs. Das Auftreten der Mannschaft war in sieben von acht Spielen blamabel, mut- und herzlos. Mit dem Trainerwechsel wollte Kuntz die letzte Patrone nutzen. Es wurde ein Schuss ins eigene Knie. Dass Balakov gestern einen freien Abend nahm, nicht vor Ort war, sagt vieles. Am 18. Juni sollte ein Trainer übernehmen, der zu diesem Verein und seiner Philosophie passt.
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Vertrauensbeweis
Die FCK-Mitgliederversammlung hat zusammengeschweißt und die Stammtische wieder beruhigt.
Die FCK-Mitgliederversammlung wurde zu einem Vertrauensbeweis für die Führung des 1. FCK. Ein paar Unstimmigkeiten zu Beginn über die Tagesordnung, dann lief die Versammlung relativ glatt für die FCK-Führung ab. Es war eine gut vorbereitete, einstudierte Präsentation. Aufsichtsratschef Dieter Rombach räumte mit Gerüchten und Quellen der Gerüchte auf. Finanz-Vorstand Fritz Grünewalt stellte eine geordnete finanzielle Situation des Vereins dar. Und ein angefasster Stefan Kuntz punktete - wieder einmal - mit einer starken Rede, die Herz und Verstand gleichermaßen der knapp 2300 Mitglieder ansprach.
Als er um 20.16 Uhr den bewegenden Satz in der Rückschau auf die Abstiegssaison sprach: „Am schlimmsten hat mich der Auftritt der Mannschaft betroffen”, hatte er die Herzen der Mitglieder fast schon erobert. Als er um 20.46 Uhr am Ende einer temperamentvollen, bisweilen schon theatralisch gewordenen Rede mit der Frage: „Wie vertrauenswürdig bin ich für Sie?” die Vertrauensfrage stellte, lagen ihm die Mitglieder schon wieder fast zu Füßen. Die Mitgliederversammlung hat die notwendige Aufarbeitung nach dem Abstieg geleistet, wichtige Klarstellungen gebracht, die Mitglieder zusammengeschweißt und die Stammtische wieder beruhigt.
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Zur Sache: Die Vorwürfe
Die FCK-Führung hat in der außerordentlichen Mitgliederversammlung die Gerüchte aufgearbeitet, die in jüngster Zeit rund um den Betzenberg kursierten.
Der FCK-Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz betonte, weder er noch einer seiner Familienangehörigen sei oder sei an einer Spielervermittlungsagentur beteiligt gewesen. Er stellte fest, weder er noch ein Familienmitglied hätten jemals Geld aus einem Spielertransfer bekommen. Er kündigte an, ab sofort strafrechtlich gegen jeden vorzugehen, der dies behaupte.
Der FCK-Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Rombach erklärte, der Aufsichtsrat habe nie eine Abmahnung des FCK-Vorstandsvorsitzenden beschlossen. „Da ist kein Funke daran wahr”, sagte er.
Der Aufsichtsrat habe bei jeder Spielerverpflichtung auch den Spielervermittler im Blick gehabt, habe darauf geachtet, dass keine zu großen Abhängigkeiten entstünden. Bei 37 Spielern seien 25 verschiedene Spielerberater tätig gewesen.
Kuntz habe kein höheres Grundgehalt als der am besten verdienende Spieler oder Trainer auf dem Betzenberg, erklärte Rombach weiter. Der Vertrag mit Kuntz sei zu 50 Prozent erfolgsorientiert formuliert. Kuntz erfahre mit dem Abstieg des FCK von allen mit 40 Prozent den größten Einbruch in seinem persönlichen Gehalt.
Rombach wehrte sich gegen den Vorwurf, der Aufsichtsrat würde Entscheidungen nur abnicken. „Glauben Sie”, so fragte er, „dass jemand das Risiko eingeht, irgendwann persönlich haftbar zu werden?” Rombach sagte, die Arbeit des Aufsichtsrats sei durch bösartige Gerüchte erschwert worden. Quellen der Gerüchte seien Personen, die aus Verbitterung darüber, keinen Platz im FCK zu finden, handelten. Den Verursachern der Gerüchte liege nicht der Verein, sondern der eigene Geldbeutel am Herzen.
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SCHLUSSPUNKT
„Zurückversetzt gefühlt”
„Ich habe mich zurückversetzt gefühlt in die Mitgliederversammlung 1996, die nach dem ersten Abstieg des FCK in die Zweite Fußball-Bundesliga meine Präsidentschaft beendete. Es war heute genauso wie damals. Die Gerüchteküche war damals genauso primitiv und verlogen. Ich habe heute eine große Parallele dazu gesehen. Eindrucksvoll hat die FCK-Führung die Gerüchte auf den Punkt gebracht und die Gerüchtemacher ins Licht gesetzt. Die Hygiene im FCK ist wiederhergestellt. Ich glaube, die Mitglieder haben gesehen, dass der Verein nur Erfolg haben kann, wenn er in einer geschlossenen Phalanx auftritt.”
Der frühere FCK-Präsident Norbert Thines nach der Mitgliederversammlung.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau
Pfälzische Volkszeitung