„Braunschweig ist Rio des Nordens”
ZitatAlles anzeigenTorsten Lieberknecht, Trainer von Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig, über Pfälzer Einflüsse in der Stadt
HASSLOCH - Morgen, 13.30 Uhr, kommt Eintracht Braunschweig, nach sechs Spieltagen als Tabellenführer der Zweiten Fußball-Bundesliga zum Spitzenspiel beim 1. FC Kaiserslautern. Ein Wiedersehen gibt es dabei mit dem aus Haßloch stammenden Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht.
Herr Lieberknecht, Sie haben sieben Pfälzer in Ihrem Team, unter anderem Steffen Bohl, der auch schon beim VfL Neustadt gespielt hat. Gibt es nicht genügend gute Fußballer in Niedersachsen?
Das war alles ein echter Zufall. Aber man bekommt Spieler mit anderen Mentalitäten aus dem Südwesten - sie sind sehr teamorientiert.
Können Sie noch Pfälzisch?
Wir babbeln schon emol Pälzisch. Und je aufgeregter man ist, desto eher spricht man Pfälzisch. Es kommt auch mal vor, dass ich Pfälzer Spieler ermahnen muss, Hochdeutsch zu reden. Denn Sachen wie ,Grumbeere raushole' verstehen die anderen ja nicht.
Wie lebt es sich denn in Braunschweig?
Braunschweig an sich ist eine sehr offene und liebenswürdige Stadt, eine klasse Stadt. Jeder, der hier war, ist hellauf begeistert.
In der Pfalz gibt es an jedem Wochenende Weinfeste. Vermissen Sie das?
Braunschweig ist das Rio de Janeiro des Nordens. Die Leute hier feiern gerne. Man braucht etwas länger, um mal mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Aber dann hat man sich kennengelernt und hat viele feste Freundschaften. Es gibt hier eine Pfälzer Kolonie - Veltenhof, ein Stadtteil von Braunschweig. Die leben alle schon sehr lange hier, sprechen gutes Deutsch. Aber die sind alle noch in der Lage, sofort Pfälzisch zu reden. Veltenhof ist kein Rückzugsort für mich ... Es gibt hier in Braunschweig sehr guten Spargel - da merkst du die Verbindung zur Pfalz. Und es gibt jedes Jahr einen Pfälzer und rheinhessischen Weinmarkt.
Bestehen denn noch Kontakte in die Pfalz - abgesehen von Ihrer Familie?
Sehr begrenzt. Es gibt immer mal wieder eine Anfrage zu einer Tombola oder einer Weihnachtsfeier. Aber ich bin oftmals im Internet unterwegs, um nach Ergebnissen zu schauen. Auch nach Handball-Ergebnissen. Es war früher immer ein Höhepunkt, samstags nach der Sportschau zu den Haßlocher-Handballern in die Pfalzhalle zu gehen.
Was ist Ihnen als Trainer heute wichtig, wenn Sie junge, talentierte Fußballspieler vor sich haben?
Wir legen in hier Wert auf die charakterliche Eigenschaft - manchmal ist das vorrangig vor dem Talent.
Und wie gehen Sie mit jungen Profispielern um, die zusätzlich zum Fußball noch eine Schul- oder Berufsausbildung absolvieren?
Es hat bei uns Priorität, dass die Jungs ihrer Ausbildung vorrangig nachkommen. Aktuell habe ich drei, vier Jungs, die nebenbei noch ein Studium begonnen haben. Die kriegen von mir auch mal frei, wenn sie lernen müssen. Bei uns in der Jugend müssen manchmal Spieler dem Training fernbleiben, wenn die schulischen Leistungen nicht stimmen.
Als Sie damals das FCK-Angebot bekommen hatten, war unter anderem auch Leverkusen an Ihnen interessiert. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie es geworden wäre, wenn Sie zu Bayer gegangen wären
Nein, niemals. Leverkusen war kein Thema, es war immer nur der FCK. Ich bin damals mit meinem Bruder Frank und Jens Nowotny - der war damals auch begehrt - nach Leverkusen gefahren. Wir haben mit Manager Reiner Calmund nett gegessen und sind dann wieder heimgefahren. Jens Nowotny ist zum Karlsruher SC gegangen, ich zum FCK. Wir waren beide sehr heimatverbunden.
Als Trainer steht man oft in der Kritik. Als Trainer muss man viel Stress an der Seitenlinie aushalten. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe mich gegen Kritiken von außen komplett abgeschottet. Nach einem Spiel fahre ich nach Hause, esse mit der Familie und dann schlafe ich ein. Zu Hause sacke ich richtig zusammen. Da merke ich, dass man an solch einem Tag viel Energie liegen gelassen hat. Und während eines Spiels bin ich natürlich emotional dabei. Mein Trainerstab passt aber gut auf und stellt mir immer genügend zu trinken hin.
Und was machen Sie, wenn Leute Sie auf der Straße kritisch ansprechen?
Ich besuche auch Konzerte, ich gehe mit meiner Frau essen. Wenn mich einer kritisch anspricht, muss er damit rechnen, dass er auch eine Antwort bekommt.
Sie sind sehr erfolgreich in Braunschweig. Dennoch: Was wäre Ihr Traumjob als Trainer?
Ich würde gerne mal in der Ersten Liga oder auch in England Trainer sein. Aber momentan fällt solch ein Gedanke schon schwer, weil ich hier sehr glücklich bin.
Interview: Sabine Schmidt
ZUR PERSON
Torsten Lieberknecht
Geboren am 1. August 1973 in Bad Dürkheim. Er begann 1978 beim FV 1921 Haßloch und wechselte wenig später zum FC 08 und von dort zum VfL Neustadt. 1990 schloss er sich dem 1. FC Kaiserslautern an und wurde mit dem FCK Deutscher A-Jugend-Meister. Lieberknecht bestritt 42 Junioren-Länderspiele. Als FCK-Profi absolvierte er zwölf Bundesligaspiele (ein Tor) und ein Europapokalspiel. In der Zweiten Liga spielte er 132 Mal für den SV Waldhof Mannheim und Mainz 05. Seit 2003 ist er bei Eintracht Braunschweig als Spieler (41 Zweitligaspiele), danach als Jugendkoordinator und ab dem 13. Mai 2008 als Trainer. Er erreichte die Qualifikation für die Dritte Liga und stieg mit der Mannschaft 2011 in die Zweite Liga auf.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau