Freitod - letzter Ausweg oder feiger Rueckzug?

  • Diese ganze Fernsehberichterstattung ist doch nur dazu da, die Tränen und das Drama der Familie zu filmen und den voyeuristischen Bedürfnissen der Fernsehgesellschaft zum Fraß vorzuwerfen. Heult die Witwe auch angemessen ? .....

    das ist mir ne spur zu pauschal formuliert. du übersiehst dabei die durchaus heilende wirkung, die eine öffentliche trauerfeier für die angehörigen anderer suizidopfer haben kann. die haben neben der trauer um den eigenen verlust leider allzuoft auch mit unterschwelligen schuldzuweisungen der umgebung zu kämpfen: irgendwas muss doch da nicht gestimmt haben! wie kann man das nur nicht merken? wer weiss, wer den in den tod getrieben hat?... die bekannten dummen sprüche hinter vorgehaltener hand eben.


    jetzt hat es einen getroffen, der scheinbar auf der sonnenseite des lebens stand, dem es augenscheinlich an nichts gefehlt hat - ausser am willen, weiterzuleben. vielleicht kapieren jetzt ein paar mehr, dass das manchmal einfach so ist und keiner was daran ändern kann. punkt.


    man darf nicht vergessen, dass suizid in den meisten religionen nach wie vor eine todsünde ist. vor nicht allzulanger zeit war es für einen mörder leichter, ein katholisches begräbnis mit allem tamtam zu erhalten als für einen selbstmörder. ich habs noch in den neunzigern erlebt, dass ein katholischer pfarrer bei nem trauergottesdienst solange in dieser wunde rumbohrte, bis die angehörigen weinend die kirche verliessen. bisher hab ich solche töne noch nicht gehört, im gegenteil. ich erwarte daher keine reisserische, unwürdige tv-berichterstattung, eher ne art staatsbegräbnis. das wäre mW das erste mal, dass ein suizidopfer mit allen ehren verabschiedet wird.


    vielleicht schneidet die debatte dann auch endlich mal die ganz wichtige frage an, warum menschen in ähnlich ausweglosen situationen - zB kranke, alte - ihrem leben nur unter menschenunwürdigen umständen ein ende bereiten können, indem sie sich wie ein hund überfahren lassen. nur weil sie nicht mehr weiterleben wollen oder können, der staat ihnen aber einen sanften tod verwehrt.

  • Ui, Schwenk von Suizid zu Sterbehilfe......interessanter Aspekt.

  • Ui, Schwenk von Suizid zu Sterbehilfe......interessanter Aspekt.


    [quote='SaZa','index.php?page=Thread&postID=439431#post439431']
    Egoismus


    Jetzt gehen wir mal etwas philosophisch an die Sache ran. Ein klassischer Selbstmord ist psychologisch gesehen auf den ersten Blick ein egoistischer Akt. Das kann man schwer bestreiten. Bei einem Selbstmord zählt erst einmal das Ich und mein Befinden und es ist weniger Raum für die Anderen. Auf den ersten Blick! Aber auch das kann man nicht pauschalisieren, da es zum Beispiel die Sterbehilfe gibt. Das ist auch eine Art Freitod. Ein Freitod jedoch, der nicht auf purem Egoismus basiert. Denn oft möchten diese Menschen ihr Leid, aber auch das Leid für ihre Geliebten mindern und im Rahmen halten, soweit das überhaupt möglich ist. In letzterem Fall handelt der Selbstmörder manchmal sogar altruistischer (mitfühlend) als man erst einmal glauben möchte. Oder was ist mit Menschen, die keine Angehörigen hinterlassen? Nur sich verpflichtet sind - sind das auch feige Egoisten?

    sàwàddee kráb

  • Stimmt, war schon einmal da....


    Aber wie hätte das bei Enke aussehn sollen ? Wohl undenkbar, wie ich finde.


    Bei alten Menschen, die aufgrund starker Schmerzen eine Erlösung wünschen, kann ich das verstehen. Ob ich dabei aktiv helfen könnte, wage ich zu bezweifeln.

  • Das Beispiel mit der Euthanasie war ja auch nicht auf Robert Enke gemünzt, sondern sollte die Vielfältigkeit und Unterschiede in dem Thema verdeutlichen.



    Gruß!


    ps: ich könnte das auch nicht by the way...

    sàwàddee kráb

  • Klar, SaZa. Das Thema ist sehr, sehr vielseitig. Und nicht jeden Aspekt wird man hier beleuchten können.


    Aber allein schon der Begriff Euthanasie: Seit der NS Zeit ein Begriff, der mehr als negativ behaftet ist.

  • Der Begriff ist in der Philosophie allgegenwärtig und bedeutet "schönes/leichtes Sterben". Aber ich vergaß, wir sind in Deutschland. Da muss man aufpassen, sonst bekommt man noch Schulterklopfer aus der falschen Ecke.


    Gruß und schönes WE :bier:

    sàwàddee kráb

  • Moin,



    Mal eine andere Frage: wie steht ihr eigentlich zu der Aussage: Selbstmord ist unmoralisch?


    Die Philosophie streitet sich seit Gedenken über diese Frage....ich bin mir hier auch total unschlüssig. Mit moralisch/unmoralisch ist gemeint, dass man eine Tat als allgemeines Gesetz für alle Menschen denken muss (Immanuel Kant)


    Also in diesem Fall: Jeder, dem das Leben mehr Leid als Freude bereitet, darf sich das Leben nehmen. Jetzt die Frage: Wollen wir, dass dies als allgemeines Gesetz für die Menschheit gilt?

    sàwàddee kráb

  • Schwer zu beantworten. Moral ist doch etwas , was die Gesellschaft definiert, oder ? Oder ein religiöses Buch, nach deren Aussagen und Regeln die leben, die daran glauben.


    Für Anhänger der Buchreligionen ist die Angelegenheit mehr als klar, und ich denke, da muß auch nicht drauf eingegangen werden. Wobei die Zeiten, in denen sogenannte Selbstmörder kein christliches Begräbnis erhalten, Gott sei Dank der Vergangenheit angehört.



    Bei Freitoden, die aufgrund starker Schmerzen motiviert sind, bin ich mir nicht sicher. Wer möchte einem Menschen das Sterben verwehren, dem der Krebs das Gesicht zuwuchert oder sein Leben nur noch durch den Vorhang der Morphingaben und Opiaten "wahrnimmt", bis selbst die nicht mehr wirken und ein Tod davor sicher als Gnade angesehen werden kann.


    Auch im Rettungsdienst werde ich mit dieser Ethik immer wieder konfrontiert. Ein Mensch, der nicht mehr leben will zu reanimieren: Handele ich hier wirklich in seinem Willen ? In seinem Auftrag ? Ich denke nicht. Oder wenn die Reanimation primär erfolgreich war, aber sekundär eine Verschlimmerung seiner persönlichen Lebensumstände zur Folge hat: Handele ich hier in seinem Willen und in seinem Interesse ?



    Ich hab es erlebt, das ein Sohn seinen Vater zum X-ten Mal ins KH hat fahren lassen, obwohl der anwesende Notarzt in dringend gebeten hat, seinem Vater einen würdigen Abgang zu ermöglichen. Der Mann war Arzt, und konnte weder sprechen noch sich verständlich machen. Nur ein gegurgelter Ton, und Augen zum Himmel (in meinen Augen flehend) waren Ausdruck seines Mißfallens, wie ich glaube. Der Mann starb im KH, allein, sein Sohn fuhr in den Wochendurlaub. Anstelle seinem Vater die Hand zu halten.


    Manchmal muß man seine eigenen Gefühle sehr im Zaum halten.

  • Leute, ich bin schockiert!!! Robert Enkes Vater hat in ein Interwiew gegeben, was wiederum einige Fragen aufwirft! Welche Verantwortung haben Eltern in jungen Jahren eines Kindes?


    Aber das schlimmste ist, das Robert beim Tod seiner Tochter Lara schlafend neben Ihr lag und durch die Schwestern geweckt werden musste, damit diese die Wiederbelebungsversuche durchführen konnten.


    http://www.rtl.de/rtlaktuell/r…l.php?article=33924&pos=1


    Egal, welchem Menschen so etwas passiert, das wünscht man keinem. Dies lässt jedoch wieder einen Blick mehr auf den Menschen Robert Enke zu!


    Zofi 1973 :schild: