Warum wohl reagieren so viele hier dermaßen angepisst, wenn jemand klar seine Meinung zu der Unsinnigkeit eines Vorbeters ausdrückt? Klar - weil sie sich als Fans vor allem darüber definieren, die Mitsinger, die Stimmungshochhalter zu sein.
Die 'alten' Fans tun genau das nicht - oder besser: Nicht mehr. Wenn man mal 20 Jahre im Stadion abgerissen hat und sich so nach und nach auch andere Dinge im Leben auftun, die (man kann es kaum glauben) sogar wichtiger als der FCK sind, geht man auch ins Stadion, um ein wenig die 'gute alte Zeit' zu erleben. Hackebreit mit Kumpels in der West stehen, Siege feiern und die Klassiker im Kurvenchor mitgrölen. Im Stadion bleibt man jung, jedenfalls fühlt man sich so. Das Einzige was stört ist die Tatsache (neben einem oft lausig spielenden Heimteam), dass eben nahezu nichts mehr so ist, wie man es sich so aus der Erinnerung heraus vorstellt. Nicht mehr die gleichen Kumpel (die müssen am Wochenende auch mal bei Frau und Kind bleiben), nicht mehr die gleichen Gegner (Meisterschaftskämpfe sind nun wirklich schon lange vorbei) und vor allem nicht mehr die gleiche Stimmung und die gleichen Lieder.
Mag also sein, dass es sich bei dem Problem nur um ein Problem der alten Säcke handelt, die den Schuss noch nicht gehört haben. Andere Zeiten, andere Sitten eben. Vielleicht ist die Stimmung gar nicht mal so schlecht, nur wir erleben es aus dem geänderten Umfeld so anders. Vielleicht ist es gar nicht mehr anders zu machen und die Genossen Ultras sind wirklich die letzte Rettung - wer singt denn sonst noch? Vielleicht ist es modern, sich in guter alter NHL-Tradition alles vorsingen zu lassen - natürlich nur, damit alle das Gleiche in gleicher Lautstärke singen und alle eine Einheit bilden.
Mag alles sein - nur: Ich glaube nicht dran.
Ich selbst habe die Stadionzeit nun leider ein paar Tage hinter mir und sehe eben alles auf ARENA und manche Auswärtsspiele, wenn sie halbwegs in meiner Nähe stattfinden. In die Westkurve schaffe ich es vielleicht noch zwei mal im Jahr. Ob ich das bedaure? Eigentlich nicht mehr - und das ist bedauerlich. Ich habe mich auch deshalb als TV-Fan eingerichtet, weil es gerade für jemand, der es nur noch ab und an mal nach Lautern schafft, unglaublich deprimierend ist. Keiner meiner Kumpels (die noch in der Pfalz wohnen) geht noch ins Stadion (außer dann mir mir) - weil's nicht mehr mit früher zu vergleichen ist.
Würde es also helfen, wenn man den Zaunkönig vom Zaun holt?
Mir nicht mehr, aber insgesamt ganz sicher: Ja.
Der Fehler in der Denke ist eigentlich leicht zu sehen. Ich beschreibe das mal aus der Sicht des Fußball-TV-Junkies. Wenn ich FCK-Spiele sehe, muss ich den Kommentator abschalten, um letzte Reste der Stimmung auf die Boxen zu legen, in der Hoffnung auf leichte Stadionhaftigkeit. Das klappt allerdings immer schlechter und hat nicht mal etwas mit dem FCK sondern mit der Entwicklung der Zaunkönige in allen Stadien zu tun. Allüberall wird ja auf Kommando gesungen. Ich höre nahezu das ganze Spiel ein paar Männekens Lieder trällern, die auch nicht stimmungsvoller sind als diese Drei-Tenöre-Lala meiner Mami. Das komplette Spiel über wird also gesungen - das muss doch dann wohl das sein, was man 'fetten Support' nennt. Inwiefern damit die Mannschaft unterstützt wird - das ist mir allerdings weniger klar. Man muss sich also die Frage stellen, ob gaaaanz langes mittellautes Singen ebenso sinnvoll ist wie ab und an mal eine bebende Kurve.
Auch wenn's den ganzen Kiddies auf den haarlosen Sack geht - da komme ich doch mal wieder mit früher. Als die Kurve noch für sich selbst verantwortlich war, gab es ab und mal Phasen im Spiel, in denen sich gerade beide Fangruppierungen anschwiegen und der Ball im Mittelfeld vor sich hin gepasst wurde - plötzlich war es so kurzfristig leise, dass man glauben mochte, man müsse mal wieder für einen verstorbenen Ehrenpräsidenten schweigen und mitten in diese Stille hinein hob irgendwer aus dem Achter beide Arme und rief ein markerschütterndes KAAAAIIIIISSSERS.... und beim LAUTERN war schon die ganze Kurve dabei. Das war oft der Auftakt für einen solchen Ruck im Publikum (ja - nicht nur die Mannschaft braucht das ab und an), dass es dann plötzlich auch wieder abging.
Ich will damit sagen: Manchmal ist es gar nicht so schlimm auch mal zu schweigen - so ist das eben, wenn eine Masse Mensch zusammenkommt. Man sollte diese aber nicht ihrer Eigendynamik berauben, denn tut man das nicht, wird sie es aus tiefstem Herzen danken und deshalb mitbrüllen, weil gerade die Stimmung danach ist und nicht, weil der Mann mit dem Mikro mal wieder ein Idee hatte.
Es wird ja nichts helfen und ich kann es ja auch verstehen, wenn man gerne glauben will, dass man als Superfan alleine verantwortlich für die Stimmung im Stadion ist. Also singt auch weiterhin Eure eigenen Lieder und verzichtet auf die Klassiker der alten Säcke - Die Stimmung macht ihr aber für Euch und nicht für den Verein.