Diskussionsthema zum Artikel: Transferpolitik: Sinnvolle Transfers und viel Potenzial
Transferpolitik: Sinnvolle Transfers und viel Potenzial
Mit Thiele, Pick und Kühlwetter gibt der FCK möglicherweise bis zu drei Stammspielern ab. Macht das wirklich Sinn? „Absolut!“. Eine Analyse des neuen FCK-Kaders.
Noch vor rund einer Woche zitterte sich der FCK gegen unterklassige Gegner zum Verbandspokalsieg. Nun lässt der Verein mit Timmy Thiele und - voraussichtlich - Florian Pick und Christian Kühlwetter gleich drei Offensivspieler ziehen, die es letzte Saison auf insgesamt 37 Saisontore und 24 Vorlagen gebracht haben. Macht das wirklich Sinn? „Absolut!“ meint unser Redakteur Wolfram Wuttke.
„Leistungsträger halten und mit einer eingespielten Truppe aufsteigen“
Eine solche Zielsetzung entspricht einem gängigem Erfolgsrezept der meisten und auch tatsächlichen Aufsteiger aus der zweiten und dritten Liga. Es dürfte zugleich auch der Wunsch eines jeden FCK-Fans sein. Seit dem Abstieg aus der ersten Bundesliga gelang es dem FCK allerdings nur ein einziges Mal den kompletten Kader beisammen zu halten: Im vergangen Sommer. Das Ergebnis war eine enttäuschende Saison, die mit dem 10. Tabellenplatz endete. In diesem Sommer verlassen mit Lennart Grill und höchstwahrscheinlich auch Florian Pick zwei Leistungsträger den Betzenberg. Die Qualität der Mannschaft sollte jedoch trotzdem nicht leiden.
In den letzten beiden Jahren wurde von Spielerseiten oft die Harmonie im Kader gelobt. Rückblickend betrachtet hätten der eine oder andere meinungsstarke Charakter und ein wenig mehr Disharmonie dem Team sicherlich besser getan. Die Kaderzusammenstellung der letzten beiden Saisons war, vorsichtig formuliert, „nicht ganz ausgewogen“. Genauer gesagt hatte das Team wenig Tempo, wenig spielerische Klasse, wenig Spielintelligenz und keinerlei Leadertypen. Mangels Kopfballspezialisten war die Mannschaft offensiv wie defensiv gleichermaßen schwach bei Standardsituationen. Die beiden Hauptelemente, mit denen die Roten Teufel hauptsächlich in der Lage waren, ein Tor zu erzielen, hießen „Konter“ und „Florian Pick“. Für den Gegner waren eine tiefstehende Grundformation und doppelte Manndeckung für Pick meist schon die halbe Miete. Hier ist Sportdirektor Boris Notzon weiterhin in der Bringschuld. Und er scheint - gemeinsam mit Trainer Boris Schommers und Geschäftsführer Soeren-Oliver Voigt - in diesem Sommer tatsächlich auch zu liefern.
Die aktuellen Neuverpflichtungen lassen mit einem offensichtlich veränderten Anforderungskatalog aufhorchen: Es wurden gleich mehrere und selbstbewusste Kämpfertypen unter Vertrag genommen, die die Liga kennen, das Zeug zu Führungsspielern sowie die Qualität besitzen, ein Spiel zu entscheiden. Nicht zuletzt die eklantanten Kopfballschwächen sollten durch Winkler, Rieder, Huth und Hlousek nun der Vergangenheit angehören.
Kaum Dominanz gegen Waldalgesheim und Morlautern
Nur mit Ach und Krach hat sich der FCK für den DFB-Pokal qualifiziert. Die beiden hauchdünnen Siege gegen die unterklassigen Vereine Morlautern und Waldalgesheim zeigten vor allem eins: Die Mannschaft ist weiterhin nicht in der Lage tiefstehende Gegner spielerisch zu besiegen.
Nun hätten andererseits zwei Kantersiege das Team zu diesem Zeitpunkt der Saisonvorbereitung sicherlich auch nicht weiter gebracht, sondern vielleicht sogar über seine Schwächen und Defizite hinweg getäuscht. Daher wird es - wie auch schon in der letzten Saison - in der ersten DFB-Pokal Hauptrunde niemanden mehr interessieren, ob sich der FCK das Match gegen Regensburg auch wirklich verdient hat. Zudem haben noch mehrere Neuzugänge im Verbandspokal gefehlt.
Echte und gefühlte Neuzugänge
Boris Schommers möchte dominant und variabel spielen lassen. Beides war mit dem Michael-Frontzeck-Gedächtnis-Kader nicht ansatzweise möglich. Beim aktuellen Kaderumbau definiert Trainer Schommers das Spielerprofil, Sportdirektor Notzon präsentiert mögliche Kandidaten und Geschäftsführer Voigt verhandelt abschließend die Vertrags- und Wechselmodalitäten. Bisher sieht dies wirklich vielversprechend aus. Nicht nur qualiativ hat sich der Kader verstärkt. Das Gros der Spieler ist gleich auf mehreren Positionen einsetzbar.
Mit dem neuen Abwehrchef Alexander Winkler und dem Rückkehrer Adam Hlousek, der sowohl Innenverteidiger als auch sämtliche Positionen auf der linken Seite spielen kann, ist der Defensivbereich stabiler und gleichzeitig auch deutlich variabler geworden. Mit Tim Rieder kam endlich ein potentieller Leader für das defensive Mittelfeld, der auch in der Innenverteidigung eingesetzt werden kann. Außer einem Abgang vom Jo Matuwila ist in der Defensive personell wohl keine Veränderung mehr zu erwarten.
Auch im Mittelfeld steht der Kader mittlerweile, zumindest hinsichtlich der Zugänge. Hier wird vom ehemaligen Meppener Marius Kleinsorge sowohl Tempo als auch Bissigkeit auf der rechten Mittelfeldseite erwartet. Im Verbandspokal bereits schmerzlich vermisst wurde der verletzte Neuzugang Nicolas Sessa. Der dribbelstarke Zehner kann der so genannte „Unterschiedsspieler“ sein, der durch Einzelaktionen ein Match entscheidet. Simon Skarlatidis, der letzte Saison kaum zum Zug kam, ist nach der Rückkehr von seiner Verletzung ebenso ein „gefühlter Neuzugang“. Hinzu kommen die beiden spielstarken Youngster Anas Bakhat (zentral offensiv oder defensiv) und Mohamed Morabet (rechtes Mittelfeld bzw. Sturm), die in der vergangen Spielzeit erst nach dem Restart den Sprung in die Startelf schafften. Alle vier sind schnelle und wendige Spieler, die sich im Eins-gegen-Eins durchsetzen können. Die Kanzlerin würde sagen: „Das ist für uns Neuland“.
Der mit Zwickau in Verbindung gebrachte undebenfalls offensive Kreativspieler, Manfred Starke, enttäuschte im Pokal abermals. Es ist wohl den Verletzungen von Sessa und Skarlatidis geschuldet, dass er noch keine Freigabe erhalten hat. Spätestens mit der Verpflichtung von Tim Rieder ist auch der Verbleib von Carlo Sickinger fraglich. Eine Vertragsverlängerung am Betzenberg hat der gebürtige Karlsruher bereits abgelehnt. Hendrick Zuck wird in seinem letzten Vertragsjahr am Betzenberg sicherlich kaum Chancen auf einen Stammplatz haben. Der 1. FC Saarbrücken soll Interesse gezeigt haben, ihn in seine saarländische Heimat zu lotsen. Als sicher hingegen gilt der Abgang von Antonio Jonjic.
Alles muss raus! Der Sturm wird runderneuert
So wie es scheint, gönnt sich der Verein derzeit den Luxus, sich von drei Stammspielern zu trennen, die in der vergangen Saison insgesamt 37 Tore und 24 Vorlagen im Ligabetrieb beisteuerten. Verscherbelt der FCK hier den möglichen Aufstieg? Verkürzter Spannungsbogen: Nein, tut er nicht - im Gegenteil!
Während die eher eindimensional spielenden Konterstürmer Kühlwetter und Thiele den Verein verlassen (werden), kehrt mit dem zuletzt nach Zwickau verliehenen Elias Huth ein kopfballstarker Strafraumstürmer an den Betzenberg zurück. Erstmals seit dem Abgang Sebastian Anderssons im Sommer 2018 steht nun wieder ein Abnehmer für hohe Flanken zur Verfügung. Nachdem auch der ständig verletzte Andri Rúnar Bjarnason den Verein bereits verlassen hat, bleibt lediglich ein Stürmer aus der vergangenen Saison übrig: Es handelt sich hierbei ausgerechnet um das Phantom Lucas Röser, über dessen Stärken auf dem Spielfeld weiterhin wenig bekannt ist. Völlig unzweifelhaft, dass hier noch nachgebessert wird.
Um den kolportierten Transfer des „Brechertypen“ Terrence Boyd vom Halleschen FC zum Betzenberg ist es zuletzt sehr still geworden. Daneben sind, unter anderem mit dem aus Worms stammenden Herthaner Alexander Esswein, wirklich namhafte Spieler im Gespräch. Die Verhandlungen mit Marvin Pourié stehen angeblich bereits kurz vor dem Abschluß. Der Goalgetter wurde in der vorletzten Saison Torschützenkönig in der 3. Liga und stieg mit dem Karlsruher SC in die 2. Liga auf. Nach dem Aufstieg lief es für den ehemaligen Schalker am Wildpark nicht mehr rund. Er wurde in der vergangenen Winterpause nach Braunschweig verliehen, um dort wiederum mit der Eintracht aus der 3. Liga aufzusteigen. Pourié kann sowohl in der Sturmspitze als auch auf der rechten Angriffsseite oder als hängende Spitze agieren. Er gilt allerdings nicht nur für seine Gegenspieler als zuweilen „schwierig“. Andererseits hat Boris Schommers in seinen krund 12 Monaten beim FCK bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass er, wenn es sein muss, hart durchgreift. Namen spielten dabei keine Rolle. Dies mussten unter anderem schon Gerry Ehrmann, Timmy Thiele und Christoph Hemlein erfahren.
Woher kommt das Geld inmitten der Insolvenz?
„Die können sich jetzt den Rieder leisten, holen vielleicht noch Pourie und, und, und...“ Mit diesem Zitat reagierte 1860-Trainer Michael Köllner auf den Abgang seines (laut Kickernoten) besten Feldspielers zu einem Ligakonkurrenten äußerst verschnupft. Abgesehen von der sicherlich auch emotionalen Reaktion des Löwencoaches ist die Frage durchaus verständlich: Wie kann der 1.FC Kaiserslautern inmitten der Planinsolvenz solche Hochkaräter an Land ziehen?
Da wären zum einen die Einnahmen: Für Lennart Grill zahlte Leverkusen rund zwei Millionen an den FCK. Timmy Thiele wechselte für rund 275.000 Euro (Quelle: transfermarkt.de) zu Viktoria Köln. Zudem stehen für die sehr wahrscheinlichen Abgänge von Florian Pick (1.5 Mio) und Christian Kühlwetter (500.000 Euro) weitere ansehnliche Transfereinnahmen im Raum. Eine eventuelle Ablösesumme für Carlo Sickinger sollte ebenfalls in diesem Bereich liegen. Auf der Seite der Transferausgaben steht laut offiziellen Quellen einzig die Ablösesumme für Tim Rieder (100.000 Euro). Der mögliche Transfer von Marvin Pourié vom Karlsruher SC würde den FCK ebenfalls wenig finanziell belastet. Laut Kicker kassiert der KSC nicht nur keine Leihgebühr, sondern muss sich auch noch am Jahresgehalt beteiligen.
Die regionalen Investorengruppe, bestehend aus Giuseppe Nardi, Dr. Peter Theiss, Dieter Buchholz, Axel Kemmler und Klaus Dienes avisierte zuletzt den Erwerb von 25 Prozent der FCK-Anteile für 8,3 Millionen Euro, welche somit die laufende Finanzierung der kommenden Saison sicherstellen sollten. Was jetzt noch fehlt ist die Einigung mit den Gläubigern hinsichtlich des Schuldenschnitts. Da sämtliche Stakeholder (Gläubiger, Angestellte, Stadt Kaiserslautern und weitere) ein (Eigen-)Interesse am Überleben der 1. FC Kaiserslautern haben sollten, dürfte es wohl nur noch um die Höhe des Schuldenschnitts gehen. Und die sollte ebenfalls überschaubar sein.
Quasi „Windfall-Profits“ sind für den Verein die beiden jüngst bekannt gewordenen Einnahmen: Aus dem Nachwuchsfördertopf des DFB erhielt der FCK 242.000 Euro. Und für den Transfer von Robin Koch vom SC Freiburg zu Leeds United nahm der Verein einen Solidaritätsbeitrag in Höhe von 132.000 Euro (je 0,5% für jedes Jahr, welches Koch beim FCK spielte) ein. Diese Einnahmen waren so nicht planbar und werden von Vereinsseite daher noch gar nicht berücksichtigt worden sein.
Geheimnisvolle Trainingsspiele gegen Homburg
Statt des geplanten 90-minütigen Testspiels gegen den FC Homburg fanden am Freitag nun coronabedingt „zwei 45-minütige Trainingsspiele“ gegen eben jenen Gegner statt. Zuschauer waren dabei nicht zugelassen. Das Hygienekonzept ging soweit, dass der FCK im Nachgang noch nicht einmal die Mannschaftsaufstellungen kommunizierte. So sind einzig die Ergebnisse (1:1; 2:0 für den FCK ) sowie die Torschützen Pick, Röser und Anil Aydin bekannt. Anil wer? Letztgenannter hat bisher lediglich 12 Einsätze für das Oberligateam absolviert. Sein Name fiel auch noch nie in Zusammenhang mit dem Profikader. Mal sehen, ob sich das bald ändert.
Alles in allem sieht die Kaderplanung des FCK sehr vielversprechend aus. Was noch fehlt sind ist die Unterschriften von Marvin Pourié und ein weiterem offensiven Neuzugang. Dann wäre der Kader - unter Berücksichtigung der zu erwartenden Abgänge - schlanker und trotzdem schlagkräftiger.
Quelle: Treffpunkt Betze
Titelbild: MS-Sportfoto