Diskussionsthema zum Artikel: 90 Minuten Hardcore, echte Gefühle!
90 Minuten Hardcore, echte Gefühle!
Der FCK gewinnt das Saar-Pfalz-Derby verdient mit 2:0. Nicht nur die Fans, sondern auch Mannschaft und Trainer feiern dies ausgiebig. Ein Kommentar.
So hat man Marco Antwerpen in seiner Zeit beim FCK auch noch nicht erlebt. Nach dem Abpfiff läuft der Lautrer Cheftrainer in Richtung Gästeblock um dort jeden einzelnen seiner Spieler zu umarmen. Dies tut er auf eine derart dynamische Weise, die man ihm beinahe als 'versuchte Körperverletzung' auslegen könnte. Zwischendurch reißt er immer wieder beide Arme Richtung Gästekurve in die Luft, als wolle er einen Gegner zum Kampf herausfordern. Dabei ist der Kampf gerade gewonnen.
Derby? Können wir!
Die zentnerschwere Last, die in diesen Momenten vom Trainer abfällt, ist wahrlich nicht zu übersehen. Denn wenn das Derby auch die Gemütslage des Coaches sicherlich noch zusätzlich intensiviert: Ein nicht unerheblicher Ergebnisdruck war bei Mannschaft und Trainer bereits ohnehin vorhanden. Bei einer Niederlage wäre der 1. FC Kaiserslautern auf Schlagdistanz zum ersten Abstiegsplatz in die zweite Tabellenhälfte gerutscht. Der positive Schwung aus der Siegesserie wäre damit endgültig dahin. Zusätzlich hätte eine Derbypleite bei der Lautrer Anhängerschaft einen extremen Stimmungsumschwung auslösen können. Glücklicherweise kam es nicht dazu. Denn: Derby können wir! Seit Marco Antwerpens Amtsübernahme haben die Roten Teufel kein Derby mehr verloren. Sowohl gegen den SV Waldhof als auch den 1. FC Saarbrücken holte der FCK saisonübergreifend jeweils vier Punkte aus den beiden letzten Partien. Und das obwohl die Roten Teufel - zumindest tabellarisch - stets als Außenseiter in die Partien gingen.
Verdienter Sieg
"Absolut verdient". So lässt sich der Derbysieg in zwei Worten sinnvoll zusammenfassen. Von Beginn an waren die Roten Teufel fast immer einen Schritt schneller als der Gegner und blieben in den sogenannten 50/50-Zweikämpfen zumeist Sieger. Der saarländische Gastgeber schaffte es kaum einmal bis auf 20 Meter an das FCK-Tor heranzukommen. FCS-Torchancen bis zur 77. Spielminute: Keine. Erst beim Spielstand von 2:0 erarbeiteten sich die Hausherren erste Tormöglichkeiten. Zunächst vereitelte Matheo Raab grandios die Doppelchance von Günther-Schmidt und Grimaldi. Dass die Saarländer anschließend gleich noch eine handvoll ordentlicher Torchancen hatten, bleibt einer der wenigen Kritikpunkte an diesem Samstagnachmittag. Ansonsten sind lediglich noch die Kontersituationen anzumerken, die der FCK bei einer 2:0 Führung einfach besser ausspielen muss. Aber das soll den wohlverdienten Derbysieg auf keinen Fall schmälern.
Beim Interview nach dem Spiel ist Trainer Antwerpen wieder deutlich entspannter als noch unmittelbar nach dem Schlusspfiff. Er lässt durchblicken, dass die Mannschaft den Derbysieg ähnlich ausgelassen feiern wird wie die Fans der Roten Teufel: "Wir freuen uns jetzt auf eine schöne Busfahrt. Mal sehen, wie wir aus dem Bus wieder rauskommen werden". Aufnahmen des FCK-Roadtrips liegen zwar nicht vor, dafür aber ein Bild aus der Gästekabine nach dem Spiel, auf dem die Mannschaft den Derbysieg ausgelassen feiert.
„Der Südwesten ist für immer Rot-Weiss-Rot“
Traditionell gelten Rheinland-Pfalz und das Saarland als „FCK-Land“, sprich: Die Mehrheit der Einwohner hält es mit den Roten Teufeln. Zumindest im Land des Schwenkgrills - also dort, wo ein Adventskranz auch aus einem Ringel Lyoner mit vier Maggiflaschen bestehen kann - gewinnt der heimische FCS zuletzt immer mehr Anhänger. In der Saison 2019/20 verlässt der Saarländische Club die Regionalliga und etabliert sich auf Anhieb in der dritten Liga. Im DFB-Pokal erreicht der Verein sogar das Halbfinale. Mittlerweile ist auch das neue Ludwigsparkstadion fertig gestellt und kann sich wirklich sehen lassen. Die Fieberkurve des FCS zeigt also deutlich nach oben, während sie beim Pfälzer Nachbarn bekanntlich seit nunmehr einem Jahrzehnt in die entgegengesetze Richtung läuft. Erfolg zieht bekanntlich neue Fans an.
Dem Saarbrücker Anhang ist es daher ein Anliegen, per Spruchband alle saarländischen FCK-Fans mit der gleichen Liebkosung zu titulieren, die normalerweise dem Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim zuteil wird. Allerdings lässt der Lautrer Konter nicht lange auf sich warten: Unmittelbar nach dem 2:0 der Roten Teufel wird im Gästebereich ein Banner mit dem Text "Der Südwesten ist für immer Rot-Weiss-Rot“ entrollt. Zumindest an diesem Wochenende behält 'Rot-Weiß-Rot' klar die Oberhand.
Die „Zweitbesetzung“ der Leistungsträger
Wer hätte das zu Saisonbeginn gedacht: Die Leistungsträger der Roten Teufel sind aktuell weder Mike Wunderlich noch Jean Zimmer oder Felix Götze. Während Wunderlich zumeist stark, aber mitunter auch recht unfällig spielt, ist es noch längst nicht die Saison des Jean Zimmer. Der Bad Dürkheimer läuft immer noch seiner spielerischen Form der vergangenen Saison hinterher. Einsatz und Wille sind wie gewohnt vorbildlich, daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Rückkehrer aus Düsseldorf wieder bei 100% ankommen wird. Felix Götze wurde zuletzt durch Kopfverletzungen immer wieder zurückgeworfen. Im Derby feierte der 23-jährige für rund 20 Spielminuten mit einem Rugbyhelm sein Comeback. Nach der Länderspielpause wird er mit einem speziell angefertigten Kopfschutz spielen und hoffentlich fortan unverletzt bleiben.
Wer sind also aktuell die Leistungsträger, die den FCK in den letzten sieben Partien fünf Mal als Sieger vom Platz führten? Aktuell besteht die „neue Achse“ aus Torhüter Matheo Raab, Innenverteidiger Boris Tomiak, Sechser Marlon Ritter und Stürmer Martin Hanslik. Jeder einzelne von ihnen spielt auch beim Derbysieg im Saarland eine herausragende Rolle. Ritter erobert und verteilt auf der Sechserposition auch am Samstag wieder die Bälle, wobei er mit genialen Pässen immer wieder für Überraschungsmomente sorgt. Matheo Raab, im Oktober bereits zum zweiten Mal von den Lesern von Treffpunkt Betze zum Spieler des Monats gewählt, entschärft die Saarbrücker Doppelchance überragend und sichert damit endgültig den Auswärtssieg. Und das obwohl er bis dahin quasi völlig beschäftigungslos ist.
Boris Tomiak spielt nicht nur eine grandiose Innenverteidigerrolle, sondern glänzt neuerdings sogar als zuverlässiger Torschütze. In den letzten vier Partien gelingen "Tormiak" drei wichtige Treffer, unter anderem der so wichtige Führungstreffer gegen Saarbrücken. Daniel Hanslik ist in der Offensive überall unterwegs, sichert Bälle, kreiert Vorlagen oder sucht selbst den Abschluss. Der Neueinkauf aus Kiel ist zudem der FCK-Spieler, der die meisten Freistöße rund um den gegnerischen Sechzehner herausholt. Als kurz vor Abpfiff der feiernde FCK-Anhang lautstark „Lautern allez“ intoniert, sieht man wie der gerade ausgewechselte Hanslik im Takt des Liedes kopfnickend auf der Bank sitzt. Auch wenn dies nichts mit seiner Leistung zu tun hat, macht es ihn keinesfalls unsympathischer. Zu den Leistungsträgern der letzten Wochen zählt auch René Klingenburg, der sich unmittelbar vor Anpfiff des Derbies verletzt und durch Kiprit ersetzt wird.
Dä Prinz vun de Palz
Zugegeben: Kenny-Prince Redondo hat den Schreiber dieser Zeilen schon häufiger zur Verzweiflung gebracht. Viel zu oft macht der geborene Münchner den Vorteil seiner Schnelligkeit durch vollkommen unverständliche Laufwege und falsche Entscheidungen zunichte. Manchmal scheint es, als sei das GPS des 27-jährigen defekt oder er benötige während des Spiels Funkkontakt zum Spielfeldrand, um vom Trainerteam permanent in die richtige Richtung gesteuert zu werden.
Beim Derby im Ludwigspark sehen die Zuschauer einen Redondo, den sie in dieser Form noch nie im FCK-Trikot erlebt haben. In Kurzform:
66. Minute: Einwechslung Redondo. 67. Minute: Tor durch Redondo auf Vorlage von Redondo. Klingt komisch - ist aber so. FCS-Kapitän Manuel Zeitz will auf der linken Seite kurz vor Mittellinie - scheinbar unbedrängt - den Ball nach vorne schlagen, als „KPR“ gedankenschnell von der Seite heranrauscht und ihm die Kugel vom Fuß die Außenlinie entlang spitzelt. Die nah am Spielfeldrand stehende Bande, auf die er frontal zusteuert, kann ihn ebenso wenig aufhalten wie der in seinem Laufweg stehende Linienrichter. Seinen Gegenspieler hat ohnehin er längst abgehängt. Redondo sieht den mitgelaufenen Jean Zimmer und versucht ihn per Querpass zu bedienen. Dieser wird jedoch durch die Grätsche des Saarbrückers Dominik Ernst abgewehrt. Aber nicht weit genug. Wieder erfasst „Prince“ die Situation als erster und ballert das Leder mit dem linken Fuß ins Tor. Das Derby ist damit entschieden.
Auch in der Folgezeit spielt "KPR" seine zahlreichen Stärken aus: Schnelligkeit, Technik und Zug zum Tor. Ebenso erwähnenswert ist allerdings, das seine Schwächen an diesem Tag erstmals nicht zum Vorschein kommen. Seine Laufwege stimmen und seine Entscheidungen mit und ohne Ball am Fuß ebenfalls. Würde er jedes Mal so spielen, es wäre unmöglich, ihn aus der Stammelf zu verdrängen. Entweder hat er einfach nur einen Sahnetag erwischt oder das Trainerteam ist dabei, ihn in die Spur zu bringen. Die nächsten Wochen werden es zeigen. Am Samstag empfand der Prinz einfach nur „ein schönes Gefühl", vom dem er "später seinen Kindern erzählen“ wird.
Mit 17 Punkten aus acht Partien haben sich die Pfälzer allmählich in der oberen Tabellenhälfte festgebissen. Doch Vorsicht ist geboten. Die Ausgeglichenheit der dritten Liga bietet von Spieltag zu Spieltag neue Überraschungen. Nach der Länderspielpause empfängt der FCK den SV Wehen-Wiesbaden auf dem heimischen Betzenberg. Mit dem Derbysieg im Rücken wäre es nur all zu schön, die Marke von 20.150 Zuschauern vom Spiel gegen Würzburg noch einmal zu überbieten. Verdient hätten es die Roten Teufel allemal.
Quelle: Treffpunkt Betze