ZitatAlles anzeigenKaum ein anderer Ort braucht den Fußball so wie Kaiserslautern. Nun steht der FCK vor dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Wie gehen Menschen und Stadt mit dem drohenden Desaster um?
So muss sie aussehen, die Topografie der Einsamkeit. 43 Minuten lang nichts als Wald. Die Bahnfahrt nach Kaiserslautern führt vorbei an Kiefern, Eichen und Buchen, an der Totenkopfstraße, dem Galgental und dem Berg Frankenstein. 1771 Quadratkilometer Pfälzer Wald, ein größeres zusammenhängendes Waldgebiet gibt es in Deutschland nicht. Und an seinem Ende, noch ehe der Zug im Bahnhof einfährt: der Betzenberg. Wie eine Festung thront das Stadion, in dem der 1. FC Kaiserslautern seine Spiele austrägt, über der Stadt.
100 000 Menschen leben hier. Die Hälfte davon würde ins Stadion passen.
Kaiserslautern, das ist Fußball. Fritz Walter, der Weltmeister von 1954, Andy Brehme, der Elfmeterschütze im WM-Finale 1990, Mario Basler, der Exzentriker. Das waren die Anfänge von Miroslav Klose, dem besten Stürmer Deutschlands. Das war auch der erste Meistertitel eines Aufsteigers vor zehn Jahren. Jetzt steht der Fußball für juristische Streitereien, ein zu teures Stadion, die Angst vor dem Exitus: Der Verein kämpft in der zweiten Liga gegen den Abstieg und die Insolvenz. FCK, diese drei Buchstaben waren lange der ganze Stolz, hier hinter den Pfälzer Bergen, wo Einwohner lange überlegen, bevor sie sagen, was ihre Stadt auszeichnet: "Wald, eine halbe Stunde bis nach Frankreich und Fußball - noch."
Wer wissen will, wie es dieser Stadt geht, die gegen die Bedeutungslosigkeit ankämpft, muss einen Tag mit Norbert Thines unterwegs sein. Ein Ur-Pfälzer, ein "Atscher", wie Alteingesessene in Kaiserslautern heißen. Beim FCK war er Geschäftsführer, Vizepräsident und von 1988 bis 1996 Präsident. Er hat Fritz Walter noch spielen gesehen, da gab es auf dem Betzenberg nicht mal Tribünen. Als der FCK 1991 Meister wurde, strichen Fans das Haus von Thines rot-weiß an. Er war Mitglied im Stadtrat für die CDU, engagierte sich in der Kirche und gründete einen Verein, der alten Menschen hilft. Die Goldene Stadtplakette und das Bundesverdienstkreuz bekam er verliehen. Die tiefen Furchen im Gesicht des 67-Jährigen erzählen davon, dass er einige Höhen und Tiefen mitgemacht hat.
Datum : 23.3.2008
Autor : Christian Tretbar
Quelle : Tagesspiegel.de
Artikel : http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Die-Stadt;art7755,2499549