erneut muss ich dir fast vollkommen recht geben. Auch mir ist z.b. bewusst, dass es eben kein reines Ostphänomen ist. Nur habe ich im Gegensatz zu dir die Hoffnung auf Änderung mittlerweile aufgegeben, sicherlich teilweise auch bedingt durch meine persönlichen Lebenserfahrungen in den letzten paar Jahren.
Ich nehm nur mal das Beispiel Corona, wo sich bei Lanz immer gefragt wird, wie man die Impfverweigerer "besiegen/zwingen" kann. Da werden dann Statistiken präsentiert, wo genau aufgeschlüsselt wird, wieviel Geimpfte Ungeimpfte anstecken, wieviel Ungeimpfte Geimpfte usw usw. Zu den Gründen der Impfweigerung wird aber nicht weiter nachgefragt. Immer heisst es nur, wir müssen alle impfen, damit alles wieder so wird, wie es einmal war. Und verkennt in meinen Augen dabei total, dass es für einen nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung nicht erstrebenswert ist, dass alles wieder so wird, wie es vorher war, ja teils sogar wie eine Drohung klingt. Aber danach fragt keiner. Genauso wenig warum die Gesundheit nicht schon vor Weihnachten im Vordergrund steht und man keinen weiteren Lockdown beschliesst. Das Weihnachtsgeschäft muss ja noch brummen. Aber dieser Teil der Gesellschaft wird nie verstehen, dass ihre eigene persönliche Situation nicht auf jeden übertragbar ist. Und wenn man keinen anderen Blickwinkel einnehmen kann, bzw. sich nicht reindenken kann, wird man Menschen auch nie abholen, die von dieser Gesellschaft abgehängt wurden.
Ich bin geimpft und bereue es zutiefst. Nicht, dass ich irgendwelche Nachteile dadurch gespürt hätte. Mir ist z.b. einfach nur egal, ob irgendwelche Südafrikaurlauber an Omikron verrecken. Ich weiss, soviel Offenheit und Ehrlichkeit wird wieder Aufschreie der Empörung nach sich ziehn. Von mir aus. Dabei dürfte es den meisten ebenfalls total egal sein, solange nicht das persönliche Umfeld betroffen ist. Nur sagt man sowas eben nicht so deutlich. Und ich frage mich inzwischen, warum eigentlich nicht? Es ist ehrlicher wie jede Empörung wegen Hinz und Kunz. Und klar, es kann mich auch selbst treffen. Aber wenn man nix mehr zu verlieren hat, juckt einen das ehrlichgesagt auch nicht mehr wirklich. Aber gut, isn anderes Thema. Aber auch nix, worüber man eigentlich so offen reden darf, wie ich es jetzt gerade tue.
Nur in einem muss ich dir widersprechen. Eine 68er Bewegung wie damals brauchen wir nicht. Vielleicht was ähnliches, aber diese 68er haben bei mir auch viel Kredit verspielt. Wenn man zb. den Cohn-Bendit heute in seiner Selbstgefälligkeit so reden hört, muss man sowas einfach unsympathisch finden. Auch kommt über die 68er die sogenannte "Ich-Generation", wo eben die persönliche Verwirklichung höher angesiedelt wurde wie der Rest. Und die Auswirkungen dieses Denkens zeigen sich heute zumindest bei vielen dieser ehemaligen 68er, jetzt wo sie im gehobenen Alter sind. Die denken nämlich immernoch in solchen "Ich-Maßstäben". Heute aber nicht mehr aus Überzeugung für bessere Lebensformen oder so, sondern um den eigenen Wohlstand nicht zu gefährden. Es war irgnedwie eine Revolution gegen Leute, zu denen sie selbst mittlerweile geworden sind. Natürlich kann man das nicht Verallgemeinern. Gibt bestimmt auch noch ein paar, die sich einen gewissen Werte-Kanon bewahren konnten. Aber ich glaube, das ist eine Minderheit. Die Ideen und das Engagement in der damaligen Zeit war deswegen bestimmt trotzdem nicht falsch. Aber ich hab das Gefühl, diese Generation hat im höheren Alter ihre eigenen Ideale verraten umd das einzige zu gewährleisten, was dem Menschen schon immer wirklich wichtig war: Das eigene Wohlbefinden.
Edit: Nur der Vollständigkeit halber. Die stärkere Gewichtung im Osten hat in meinen Augen damit zu tun, dass man den Menschen damals blühende Landschaften versprochen hat, kurz bevor die Treuhand mit Hilfe der westdeutschen Industrie den Osten plattgefahren hat. Ist in meinen Augen auch der Grund, warum Pegida und Co. dort immer wieder auf fruchtbareren Boden fallen. Aber das nur am Rande.