ZitatAlles anzeigenInterview: Mit Trainer Marco Kurz über das erste halbe Jahr beim 1. FC Kaiserslautern, über Erfolge, Ziele und Perspektiven seiner jungen Mannschaft. Der FCK ist Herbstmeister und geht mit 39 Punkten in die Rückserie. Morgen schon ist nach kurzer Feiertagspause Trainingsstart für Kapitän Martin Amedick und seine Kollegen. Kurz will seine Spieler um sich haben, die gute Ausgangsposition nutzen.
Herr Kurz, Ihre Mannschaft hat eine grandiose Hinrunde gespielt. Wie schwerwiegend ist es, jetzt mit einer 1:4-Packung in die kurze Weihnachts- und Winterpause zu gehen?
Klar ist, dass jetzt erst einmal diese klare Niederlage im Vordergrund steht und auf uns wirkt. Grundlegend muss man aber beides sehr differenziert sehen. Man darf dieses eine Spiel jetzt nicht mit der gesamten Vorrunde in Bezug setzen. Wir haben eine sehr gute, eine hervorragende Vorrunde gespielt, auf die wir stolz sein können. Wir wissen aber auch, dass wir uns in allen Bereichen steigern können und müssen. Diese Mannschaft hat noch viel Luft nach oben. In Augsburg waren wir trotz des 1:4 nicht die schlechtere Mannschaft, wir waren die aktivere, hatten mehr und bessere Chancen. Aber wir waren auch die schlampigere Mannschaft. Wir hatten mehr Aktionen, aber die Flanken kamen schlecht. Die Möglichkeiten waren da, aber in den entscheidenden Augenblicken fehlte die Konzentration. Ich verliere nicht gern, ich bin auch kein guter Verlierer, aber vielleicht hat diese Niederlage auch ein Gutes, dass jeder erkennt, dass er hart weiterarbeiten muss und dass das Ganze kein Selbstläufer ist.
In unserer Saisonprognose haben wir 40 plus X als realistisches Ziel nach einer neuerlichen Zäsur gesehen: sechs Neuzugänge, ein personeller Umbruch, ein neues System, ein neuer Trainer. Haben Sie damit gerechnet, dass das so schnell geht und greift? 39 Punkte ...
Die Art und Weise, wie wir auftreten, ist wichtig. Wir haben eine Grundordnung entwickelt, die Spiele kontrolliert. Wir haben uns als Mannschaft gefunden. Dafür haben wir sehr hart gearbeitet. Die Inhalte der Vorbereitung waren wichtig für diese Entwicklung. Ein Großteil der Mannschaft hat die komplette Vorbereitung ja auch mitgemacht. Verletzte Spieler wie Erik Jendrisek sind relativ schnell dazu gestoßen. Sidney Sam und Georges Mandjeck, die später dazukamen, hatten den Vorteil, schon vorher hier gespielt zu haben. Sie kannten den Verein, sie kannten das Umfeld. Sie mussten nicht wirklich neu integriert werden. Rodnei kam dazu - ein Glücksgriff. Dass er so einschlägt, konnte niemand erwarten. Wir hatten bei Transfers aber auch Geduld. Sie haben es ja selbst miterlebt, was wir im Sturm probiert und wen wir da getestet haben ...
Ja, beim Test in Hatzenbühl gegen Wehen dachten wir, Sie hätten den Mannschaftsarzt in den Sturm gestellt. Sie sagten, es ist die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Wir hatten Geduld mit der zweiten Stürmerposition, haben dann Adam Nemec geholt. Die Mannschaft hat sich schnell gefunden und gut entwickelt. Jedes Erfolgserlebnis hat ihr Sicherheit und Vertrauen gegeben. Die Mannschaft ist gewachsen. Was den FCK ausmacht, was den FCK so stark macht, ist das Umfeld, eine ganze Region lebt mit diesem Verein. Jetzt in Augsburg waren 3000 unserer Fans dabei. Darauf ist die Mannschaft stolz, die auch durch ihr sympathisches Auftreten begeistert.
Ihre Mannschaft spielt auswärts wie daheim die gleiche Taktik. Sie lebt in der Offensive von den zwei schnellen Flügelspielern. Auffällig, dass von den drei zentral eingesetzten Mittelfeldspielern nur Bastian Schulz mit Elfmeter getroffen hat. Nur Georges Mandjeck hat zwei Torvorlagen auf dem Konto. Ein Problem? Eine Schwäche?
Da wir sehr offensiv über die Flügel ausgerichtet sind, sich auch die beiden Außenverteidiger oft nach vorne einschalten, sind die beiden zentralen Mittelfeldspieler defensiv oft gefordert. Gerade auch dann, wenn die Flügelspieler bei Ballverlust ihre Defensivaufgaben nicht immer optimal erfüllen. Die beiden im Zentrum sollen die Bälle verteilen, Lücken schließen, der Abwehr zusätzlich Unterstützung geben, für Ballgewinn sorgen und Pass-Sicherheit ausstrahlen. Georges hat auch die Qualität, Tore zu erzielen. Gerade in den letzten Spielen hat er auch diese Wege gesucht. Grundlegend bin ich mit unserem Spiel in dem Bereich zufrieden. Richtig aber ist: Da ist noch Luft nach oben.
Werden Sie in der Winterpause noch Spieler abgeben? Einige haben ja kaum oder gar nicht gespielt. Werden Sie außer dem Leverkusener Mittelfeldmann Pierre de Wit noch einen Neuen holen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts geplant. Es kann aber noch einiges passieren. Wir werden das ein oder andere Gespräch führen, um zu sehen, wie die Spieler die Situation und die Saison für sich bewerten. Wenn wir überzeugt von einer Sache sind und die ist wirtschaftlich machbar, dann werden wir es auch machen. Die beiden Spieler Anel Dzaka und Moussa Ouattara, denen wir im Sommer sagten, dass sie sich einen neuen Verein suchen können, wollen wir nach wie vor abgeben.
De Wit hatte einen Kreuzbandriss. Wie ist sein Zustand, können Sie mit ihm für die Rückserie überhaupt planen?
Er hat sich in er Aufbauphase Zeit gelassen, um fit zu werden. Er steht jetzt bei Bayer Leverkusen seit drei, vier Wochen voll im Mannschaftstraining. Er wurde hier bei uns auch ganz speziell untersucht. Ich erwarte, dass er am 28. Dezember topfit hier erscheint. Und dann geht es um die Positionen.
Bastian Schulz ist verletzt, Georges Mandjeck mit der fünften Gelben Karte clevererweise gesperrt, da er ja beim Afrika-Cup sein wird. Bleiben zunächst Jiri Bilek und Pierre de Wit - oder?
Georges hatte keine Anweisung, sich Gelb zu holen. Es ist, wie es ist.
Sie haben zuletzt immer wieder Talente wie Boris Becker, Steven Zellner oder Alan Stulin mit dem Zweitliga-Kader trainieren gelassen. Ihre Eindrücke?
Ich glaube grundlegend, dass die U 23 ein sehr guter Ausbildungsbereich für junge Spieler ist. Sie haben dort adäquates Training und können sich positionieren. Ich versuche ja auch, so oft wie möglich, unsere U 23 spielen zu sehen. Das ist durch die sich überschneidenden Spieltermine oft leider auch nicht möglich. Die Entwicklung ist gut. Gerade Steven Zellner und Boris Becker, die ja noch bei der U 19 eingesetzt werden können, sind Perspektivspieler, die da sehr gut aufgehoben sind. Der Weg ganz nach oben käme zu früh. Sie sind Spieler mit Potenzial, aber sie sind Baujahr 1990 ...
Mit welchen Erwartungen gehen Sie im neuen Jahr mit Ihrer Mannschaft in die Rückrunde?
Wichtig ist, dass wir alle sehr bodenständig sind und bleiben, mit einer Zufriedenheit für das Erreichte und einer gewissen Ehrfurcht. Es ist eine enorme Gefahr, wenn jemand glaubt sich zurücklehnen zu können und - sei es unbewusst - glaubt, nicht mehr diesen Aufwand betreiben zu müssen. Ich warne vor Selbstzufriedenheit. Wir müssen uns Bodenständigkeit und Fleiß, die Gier, jedes Spiel gewinnen zu wollen, erhalten. In Augsburg gab es schon den ein oder anderen Moment, in dem das einfache Spiel vernachlässigt wurde. Wir müssen der Mannschaft vor Augen führen, dass wir eine sehr gute Ausgangsposition haben, die wir erhalten und ausbauen wollen. Die Gegner werden uns mit anderen Augen sehen. Den Spitzenreiter will jeder schlagen. Wir müssen uns weiter steigern. Auch da gilt: am ersten Spieltag in Fürth hundertprozentig da zu sein.
Rückschläge können kommen, eine Negativserie, Gelb-Sperren, Verletzungen. Sind Sie gewappnet?
Wir beschäftigen uns weder mit Niederlagen, noch Verletzungen oder Sperren. Wir reagieren auf den Moment. Von unserer Denkweise sind wir unheimlich positiv ausgerichtet. Das hängt auch mit dem Bewusstsein um unsere Qualität zusammen. Niederlagen sind immer kleine Rückschläge. Wir haben aber nach dem 0:2 gegen Düsseldorf und dem Aus im DFB-Pokal in Bremen gesehen, dass wir souverän damit umzugehen wissen. Ich habe ein hervorragendes Funktionsteam, eine medizinische Abteilung, die haben auch diesen Hunger auf Erfolg. Wir haben eine Mannschaft, die in sich funktioniert. So war das jetzt, als für 28. Dezember Trainingsbeginn nach der kurzen Weihnachtspause angesetzt war. Da kam die Mannschaft und hat gebeten, Rodnei, Georges Mandjeck und Luis Robles, die weite Flugreisen in ihre Heimatländer haben, länger frei zu geben. Ich habe dem zugestimmt. Weil die Mannschaft, weil das Kollektiv das wollte und mitträgt. Da kommen jetzt keine Missstimmungen auf. Im Gegenteil, die drei Jungs wissen das zu schätzen. Rodnei hat am Ende die Stunden bis zu seinem Heimflug gezählt. Die paar Tage werden ihnen allen gut tun. Das bringt in den Fällen sicher mehr, als sie hier zu fesseln.
Was wünscht sich Marco Kurz für 2010?
Erstmal freue ich mich jetzt auf ein paar schöne Tage mit meinen Kindern. Es sind ein paar Tage, um mal ein bisschen abschalten zu können. Ich wünsche mir Gesundheit für meine Familie und mein ganzes Umfeld. Sonst sind wir um diese Zeit immer ein paar Tage zum Skifahren weggefahren. Das geht dieses Jahr nicht, die Zeit ist zu knapp. Sportlich wünsche ich mir fleißige Spieler, die sich weiter mit der Sache hier identifizieren und alles für den Erfolg tun. Bei allem Druck und Ehrgeiz dürfen wir aber nicht vergessen: Fußball ist nach wie vor nur ein Spiel. Ab 28. Dezember bereiten wir unsere Mannschaft auf Fürth vor, um sie auf den Punkt genau fit zu bekommen. Die Mannschaft sieht sich in der Pflicht. Die Spieler spüren, dass sie etwas Großartiges erreichen können. Sie sind sehr stolz auf ihre Fans und diese fantastische Unterstützung. Deshalb war es für alle Beteiligten ja auch so schade, dass es in Augsburg nicht gereicht hat. Wir dürfen uns jetzt bei all dem Lob auch nicht einlullen lassen. Wenn der Augsburger Trainer Jos Luhukay sagt, ihr seid ja so stark, ihr seid zu Recht oben, euch kann keiner mehr stoppen, dann darf man sich davon nicht blenden lassen. Deshalb fangen wir auch schon am Montag wieder an und nicht erst im neuen Jahr. Wir haben eine erstklassige Ausgangsposition, da will ich keinen Fehler machen, da will ich meine Spieler um mich haben. Nicht nur wegen des Trainings, der Vorbereitung. Auch, um mal in Ruhe Gespräche zu führen. Mich haben auch einige gefragt, Trainer, warum fangen wir so früh an, der und der beginnt erst am 4. Januar. Ich fragte nur: Wie viele Punkte haben die? Antwort: 18. Nächste Frage ...
MARCO KURZ
Geboren am 16. Mai 1969 in Stuttgart,
verheiratet, zwei Kinder.
Aktiv bei: SV Sillenbuch, VfL Sindelfingen, VfB Stuttgart, 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund, FC Schalke 04, 1860 München, SC Pfullendorf.
(300 Bundesligaspiele)
Trainer bei: SC Pfullendorf, 1860 München II, 1860 München.
Seit 1. Juli 2009 beim 1. FC Kaiserslautern.
„Marco Kurz ist ein kompetenter, ein ruhiger Mann, der mit klaren Vorstellungen überzeugt."
FCK-Aufsichtsratsvorsitzender Dieter Rombach.
„Das ist zu allererst der Erfolg von Marco Kurz, der der Mannschaft in kurzer Zeit seine Handschrift verliehen hat."
FCK-Vorstandsvorsitzender Stefan Kuntz.
„Marco Kurz begegnet allen mit Respekt. Auch den Jungs, die grade nicht spielen."
FCK-Kapitän Martin Amedick
Quelle:
Verlag: DIE RHEINPFALZ
Publikation: Ludwigshafener Rundschau