ZitatAlles anzeigenUm den FCK ranken sich Gerüchte um verkorkste Transfergeschäfte - Eine Recherche von Andreas Erb
„In guten wie in schlechten Zeiten“, schwören sich Liebende, die sich das Ja-Wort geben. Ein bisschen klingt das nach Herzblut. „Man sagt ja, dass man die Frau verlassen kann, die Kinder auch, aber nie diese erste große außerfamiliäre Liebe, die zu seinem Fußballverein.“ Das klingt nach Herzblut! So schreibt die Journalistenlegende Marcel Reif unter dem vielsagenden Titel „Bleibt bitte provinziell!“ 2010 zum Aufstieg des 1. FC Kaiserslautern in die Erste Bundesliga (erschienen unter anderem im Tagesspiegel). Der 1. FC Kaiserslautern - für Reif eine Leidenschaft. Doch der FCK macht es ihm derzeit schwer für eine neuerliche Liebeserklärung.
Wie für jeden Lauterer, der einmal als Kind sein erstes Fußballticket in der Hand hielt und erwartungsvoll auf den Betzenberg pilgerte. Kaiserslautern ist fußballverrückt. 100.000 Einwohner hat die Stadt, und rund 40.000 Fußballfans füllen an Wochenenden das Fritz-Walter-Stadion, wenn die Roten Teufel auflaufen. In der Ersten Bundesliga. Noch. Denn der Club steigt ab. Sang- und klanglos, mit Negativ-Rekord. Vier Spieltage vor Saisonende bleibt den Verantwortlichen nur noch die Hoffnung, dass kein Sieg mehr zustande kommt auf den letzten Metern - so spart man wenigstens die Siegprämien. Als Rücklage für die neue Saison in der Zweiten Bundesliga.
Sarkasmus wie dieser ist an der Tagesordnung, streift man derzeit durch die Stadt. Die Menschen machen ihrer Unzufriedenheit Luft: Der 1. FC Kaiserslautern ist zwar Tabellenletzter, aber erstes Gesprächsthema. Die Lauterer, wovon schätzungsweise mindestens 90 Prozent Sympathisanten des Traditionsclubs sind, sorgen sich um ihren Verein und damit auch ein bisschen um ihre eigene Identität. Wie konnte die Saison derart schief gehen? Was ist falsch gelaufen? Wo liegen die Gründe für die sportliche Misere? Mutmaßungen und Analysen werden angestellt, hier und da, mal mehr, mal weniger fundiert.
Auf Drängen diverser Fan- und Mitgliedergruppen hat die Vereinsspitze um FCK-Vorstand Stefan Kuntz und Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Rombach am 9. Mai zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geladen. Dabei soll aufgeräumt werden mit all den Gerüchten. Die Versammlung soll dazu dienen, „in so einem emotionalen Umfeld, in dem anonym teilweise haarsträubende Gerüchte in Umlauf gebracht werden, aufzuklären und sich den Fragen der Mitglieder zu stellen“, sagt Kuntz in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 16. April. Laut Frankfurter Rundschau vom 20. April möchte er sich „gegen falsche Anschuldigungen zur Wehr setzen“. Doch worum handelt es sich bei den Gerüchten? Grund für eine Recherche. Eine Recherche mit Herzblut...
Die Spur führt zurück nach Bochum
Ausgangspunkt. Ein Lokal in Lautern. Der Chef steht selbst an der Theke. Er ist fußballverrückt, kickt aber längst nicht mehr aktiv. Nur ab und zu tritt er noch gegen das Runde. Mit Leidenschaft verfolgt er die Entwicklungen rund um den 1. FC Kaiserslautern. Er gilt als Insider der Lauterer Fußballszene, kennt sich aus. Und weiß: In diesen Tagen redet man nur hinter vorgehaltener Hand. Von verkorksten Transfers, von unsinnigen Spielerverpflichtungen und von nicht immer ganz transparenten Entscheidungen. Der Gastronom ist symptomatisch für die Stimmung in der Fritz-Walter-Stadt. Ob da was dran ist? Jeder weiß etwas, hat etwas gehört, aber keiner etwas Genaues.
War da nicht mal was? Ein Blick in die Vergangenheit. 2008. Als alles begann. Als der 1. FC Kaiserslautern am Abgrund stand. Vor dem Sturz in die Dritte Liga. Damals gelang dem FCK-Aufsichtsrat ein Coup: Man lotste Kuntz, den ehemaligen Lauterer Meisterstürmer, Europameister und Publikumsliebling als Vorstandsboss auf den Betzenberg. Kuntz wurde in der Pfalz zum Retter und erlangte damit den Status eines Unantastbaren. Zuvor war er in Bochum in ähnlicher Manager-Funktion engagiert. Bemerkenswert: Die Umstände seines dortigen Abgangs bleiben jedoch nebulös und werden noch heute überlagert vom rasanten Wechsel nach Lautern.
Lediglich die Fachzeitschrift „SportBild“ widmet sich in einem Beitrag vom 9. April 2008 intensiver der Aufklärungsarbeit. „SportBild kennt die Details aus dem achtköpfigen VfL-Aufsichtsrat: Das Verhältnis soll am Ende durch Kuntz‘ Machtansprüche und seine Nähe zum Spielerberater Lars-Wilhelm Baumgarten, der die Agentur ,Stars and Friends‘ betreibt, zerrüttet gewesen sein“, schreibt das Blatt. Obwohl Kuntz durch seine Einkaufspolitik maßgeblichen Anteil am damaligen Erfolg des VfL Bochum hatte und sein Vertrag noch im Februar um weitere zweieinhalb Jahre hätte verlängert werden sollen, kam es zur Trennung von Verein und Manager.
Was war geschehen? Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet am 27. März 2008, der VfL-Aufsichtsrat habe die Vorstände Stefan Kuntz und Ansgar Schwenken bereits im November 2007 dazu aufgefordert, jede Entscheidung, die ein gewisses Finanzbudget überschreitet - laut „Sportbild“ handelt es sich um 250.000 Euro - vom Aufsichtsgremium absegnen zu lassen. Nach Informationen der WAZ habe der Vorstand daraufhin ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, ob diese Regelung überhaupt satzungskonform sei. Dem Gutachten sei ein Gegengutachten des Aufsichtsrats gefolgt.
Darüber hinaus hätte Kuntz, laut „SportBild“, dem Aufsichtsrat ab einer bestimmten Ablösesumme detailliert aufschlüsseln sollen, wie viel Geld bei einem Transfer an den Spieler, an dessen alten Verein und an dessen Berater geht. Eine nicht unübliche Praxis, um sicherzustellen, dass niemand an einer Vermittlung heimlich mitverdient.
Exemplarisch weist „SportBild“ auf Transferverhandlungen mit dem Spieler Stanislav Sestak, in die sich Kuntz und Frank Lelle, damals tätig für die Spielerberateragentur „Stars and Friends“, eingeschaltet hätten. Lelle leitet heute das „Nachwuchsleistungszentrum“ des 1. FC Kaiserslautern. Der Ex-Profi begleitete seinen ehemaligen Mannschaftskollegen Kuntz im Laufe dessen Trainerkarriere überdies in Karlsruhe, Mannheim und Ahlen. Ihre Wurzeln hat die Agentur „Stars and Friends“ übrigens in einer Beraterfirma von Baumgarten und Thomas Strunz (ursprünglich „Strunz and Friends“). Strunz wurde 1996 mit Kuntz in der Nationalelf Europameister.
Das Resümee der WAZ zum Abgang von Kuntz aus Bochum: „Nach Ansicht vieler Fans hat Altegoer (Anm.d.Red.: Walter Altegoer, ehemaliger VfL-Aufsichtsratschef) vordergründig einen Machtkampf gewonnen, den die meisten für völlig überflüssig halten. Für sie hat unter dem Strich vor allem einer verloren: der VfL Bochum.“
Vom Ruhrgebiet in die Pfalz
Zurück in die Gegenwart, zurück nach Lautern. Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund von Transferpolitik und Kompetenzgerangel? Parallelen zwischen Bochum und Kaiserslautern? Eher nicht. Schließlich hat sich der Lauterer Aufsichtsrat zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung in der Vergangenheit nicht gerade als kritisches Regulativ gegenüber Kuntz positioniert.
Im Gegenteil: Etwa trat Hartmut Emrich, ursprünglich vom Sponsor Lotto Rheinland-Pfalz in das Gremium gesandt, im Mai 2011 zurück. Laut Online-Ausgabe der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ bezeichnete Emrich damals den Aufsichtsrat des FCK mehr und mehr als Organ, das die Vorstandsbeschlüsse nur noch „abnickt“.
Ähnlich kurios: Das Magazin „Pfalz-Fußball“ weist im Sommer 2011 darauf hin, dass es dem FCK-Aufsichtsrat nicht gelungen sei, eine bereits beschlossene Abmahnung ordnungsgemäß an Kuntz zuzustellen. Fazit: Im Gegensatz zu Bochum also kein Kompetenzgerangel auf dem Betzenberg. Die Machtbefugnisse zwischen FCK-Aufsichtsrat und Vorstand sind offensichtlich klar verteilt.
Und der Spielerberater, dem die „SportBild“ eine Nähe zu Kuntz zuschreibt? Nach wie vor ist Baumgarten im Umfeld Kuntz präsent. FCK-Kapitän Christian Tiffert, laut transfermarkt.de mit einem Marktwert von 3,5 Millionen Euro nach Torhüter Kevin Trapp (vier Millionen Euro) der zweitteuerste Spieler bei den Roten Teufeln, wird betreut durch „Baumgarten Sports and More“; genau wie Ex-Kapitän Martin Amedick, der in der Winterpause nach Frankfurt wechselte. Beim Ex-Lauterer Adam Nemec ist auf transfermarkt.de die ehemalige Baumgarten-Agentur „Stars and Friends“ weiterhin als Berater verzeichnet. Bleibt die Gretchenfrage, wie sich das Verhältnis zwischen Baumgarten und dem FCK gestaltet. Eine „ungesunde Nähe“, wie die „SportBild“ 2008 fragte?
Eine „ungesunde Nähe“ zu einem Spielerberater?
Vielleicht auch eine Frage für die Mitgliederversammlung am 9. Mai. „Ich erkläre und zeige auf, was wir seit meinem Amtsantritt gemacht haben - inklusive der Aufarbeitung dieser Saison. Dann liegen die Fakten auf dem Tisch und keine Vermutungen mehr. Und dann kann jeder sein Fazit ziehen“, gibt Kuntz im bereits zitierten FAZ-Interview vom 16. April einen Ausblick auf die Versammlung.
Bis dahin wird die Gerüchteküche allerdings brodeln. Möchte man in diesen Tagen etwas vom Berg erfahren, ist Geduld gefragt. Eine grundsätzliche Interviewanfrage zur aktuellen Situation des Vereins an FCK-Aufsichtsratschef Rombach ist seit mehreren Wochen unbeantwortet. Ebenfalls liegt auf Grundlage des „Wochenblatt“-Beitrags „Keine Denktabus!“ vom 4. April der FCK-Pressestelle ein bislang offenes Gesprächsangebot an Kuntz vor.
So bleiben lediglich Spekulationen. Und auch Marcel Reif wird sich mit einer neuerlichen Liebeserklärung an den Verein wohl noch gedulden. Bis zum 9. Mai. Mindestens...
Quelle: Wochenblatt KL