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Der FCK berauscht mit seiner Aufholjagd zum 3:2 gegen 1860 München seine Fans und sich selbst
VON OLIVER SPERK
Ein bebender „Betze“ nach einem packenden Spiel für die Geschichtsbücher: Das spektakuläre 3:2 (0:2) des 1. FC Kaiserslautern gegen 1860 München zum Start der Roten Teufel in die Zweitligarunde war tolle Werbung für den FCK und für den Fußball.
Was ein junger Mann aus der Nordpfalz machte, hätten wohl die wenigsten selbst der eingefleischtesten „Betze“-Anhänger getan. Im Internet setzte er nach den Toren Rubin Okoties (26., 33.) zur 2:0-Halbzeitführung der Münchner in der Pause auf einen 3:2-Sieg der nach dem Platzverweis für Tobias Sippel dezimierten Lauterer. Verrückt wie das Spiel.
„Heute hat der Fußball fast alle Facetten gezeigt, die er zeigen kann“, sagte FCK-Trainer Kosta Runjaic, der wie die 41.092 „Betze“-Besucher und die Fans vorm Fernseher ein kalt-heißes Wechselbad der Gefühle erlebte.
Sein 1860-Kollege Ricardo Moniz, dessen Team in Überzahl von zehn Lauterern im zweiten Abschnitt niedergespielt und -gekämpft wurde, pflichtete ihm bei: „Das Publikum wird dieses Spiel nicht vergessen. Aber ich vergesse es auch nicht.“
Nach einem sehr flotten, offensiven Beginn beider Teams in einem beeindruckend stimmungsvollen Fritz-Walter-Stadion kochten die Emotionen in jener 20. Minute hoch, die auch gestern noch für viele und heftige Diskussionen unter Fußballfreunden sorgte. FCK-Torwart Sippel raste zehn Meter vor seinem Strafraum dem angreifenden Bobby Wood entgegen und warf sich in Torhütermanier energisch Richtung Ball und Gegenspieler. Schiedsrichter Bastian Dankert meinte, wie viele im Stadion, ein Handspiel gesehen zu haben, zückte Rot. Erst mehrere TV-Zeitlupen zeigten, dass es nur „Brust“, nicht „Hand“ war. Ein Fehler Dankerts, dem ein Fehler Sippels vorausging: Mit all seiner Leidenschaft und mit seinem ganzen stets bewundernswerten Einsatz für seinen FCK nahm er bei dieser Aktion so früh im Spiel so weit vor seinem Tor alles in Kauf: ein mögliches Handspiel und auch ein Umholzen des Gegenspielers. Sippels maximales Risiko hätte sein danach zunächst in der Schockstarre befindliches Team beinahe ins Verderben geführt.
Alles kam anders. Es folgte ein Werbefilm für die wunderbare Emotionalität dieses Sports, speziell am „Betze“. Auch FCK-Trainer Runjaic war begeistert vom „überragenden Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans“. Besser hätten es sich Vereinschef Stefan Kuntz und Kollegen in einem Strategie-Leitfaden für den so oft propagierten „neuen, mutigen, leidenschaftlichen FCK“ nicht ausdenken können. Jean Zimmer, der beim 2:0 der „Löwen“ jedoch ganz schlecht aussah, verkörpert mit seiner kecken Art die neue Marschroute. Und ausgerechnet dieser 20-Jährige machte es wie ein ganz alter Hase, als ihn Guillermo Vallori im Strafraum kurz hielt: Er fiel und holte so den Elfmeter heraus. Sdrjan Lakic verwandelte (68.) und ließ nach Traumpass Kevin Stögers und Flanke Chris Löwes ein tolles Kopfballtor zum 2:2 (71.) folgen. Der „Betze“ schien zu explodieren. „Es war einfach perfekt“, schwärmte Doppeltorschütze Lakic, „die Flanke kam traumhaft.“ Ein schöner Traum wurde auch für Lakics Stürmerkollegen Philipp Hofmann wahr. Sekunden nach seiner Einwechslung wuchtete der Neuzugang die Maßecke des ganz stark aufspielenden Stöger mit dem Kopf zum 3:2 ins Netz (80.). Der „Betze“ brannte. Es gab kein Halten mehr für Spieler und Fans. Zusammen feierten sie die gemeinsame Aufholjagd der zehn Spieler, die durch Westkurve & Co. wieder zur Elf wurden.
Unser junger Mann aus der Nordpfalz freute sich noch mehr als die übrigen völlig euphorisierten FCK-Fans. Für zweimal drei Euro Wetteinsatz bekam er 303 Euro zurück. Auch er wird sich noch sehr lange an diesen Montagabend erinnern.
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Kommentar
Teuflisch gute Unterhaltung
Beim 3:2-Sieg gegen 1860 München begeistert Fußball-Zweitligist 1. FC Kaiserslautern mit einer starken Leistung und mit seiner tollen Moral.
Dieses Spiel kann, wenn es keine Eintagsfliege bleibt, die Saison in eine für den 1. FC Kaiserslautern erfreuliche Richtung lenken: 41.092 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion, 1,02 Millionen Zuschauer im Schnitt im Free-TV auf Sport1, in der Spitze nach Angaben des Senders gar 1,53 Millionen, dazu die Sky-Seher – vor erstligareifer Kulisse bot der FCK teuflisch gute Unterhaltung gegen einen spielstarken Gegner. Aber der TSV 1860 München versäumte nach der 2:0-Pausenführung, weiter energisch nach vorne zu spielen.
Der FCK drehte das Spiel, weil die zehn auf dem Platz, samt der kompletten Bankbesatzung, Leidenschaft vorlebten. „Für mich war Marc Torrejón der Mann des Spiels – er ging voran“, schwärmte Aufsichtsratschef Dieter Rombach. Ihm gleich tat’s Sportdirektor Markus Schupp: „Marc war unser Gladiator!“ Stimmt! So energisch, so kompromisslos, so sehr Antreiber und Führungsfigur war Lauterns Spanier selten. Er sollte bleiben!
Aber es gab auch andere Glanzpunkte! Kevin Stöger als Ideengeber und als Standardexperte. Und als Zweikämpfer. Oder Jean Zimmer, der mutige Sprinter, der vor dem 0:2 ausgetrickst wurde, aber sich ebenso wie der bei den Gegentoren nicht gut aussehende Chris Löwe zu einem Schwungrad der Aufholjagd entwickelte.
Die krönte Srdjan Lakic mit zwei Toren. Erst übernahm er, wohlwissend, welch gute Quote Gabor Kiraly bei Elfmetern hat, die Verantwortung, traf vom Punkt aus. Dann setzte er einen traumhaften Kopfball nach einer wunderbaren Löwe-Flanke zum 2:2 ins Netz. Lakic ging, Philipp Hofmann kam und traf 20 Sekunden später mit dem ersten Ballkontakt. Das Siegtor krönte einen denkwürdigen Fußballabend. Die erste Etappe ist gewonnen, viel Sympathie dazu. Aber mehr auch noch nicht.
In der zweiten Etappe geht’s am Sonntag nach Sandhausen. Da gilt es zu beweisen, dass der Montag keine Eintagsfliege war.
Die Rheinpfalz - Pfälzische Volkszeitung