Diskussionsthema zum Artikel: Der Fußball-Diplomat
Der Fußball-Diplomat
Christoph Schneller (35) ist noch bis zum Saisonende hauptamtlicher Fanbeauftragter des Drittligisten 1. FC Kaiserslautern.
Nach dann fast zehn Jahren hat er genug vom Traumjob auf Zeit. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.
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Nummer 70 wartet. Die Vorfreude ist riesig bei Christoph Schneller. Am Samstag gibt es wieder eine runde Zahl zu feiern für den 35-Jährigen. Dafür hat sich der im Sommer 2019 freiwillig scheidende Fanbeauftragte des 1. FC Kaiserslautern einen ganz besonderen Ort ausgesucht: Im Mexiko-Urlaub mit seiner Freundin will sich Schneller im Aztekenstadion das Spiel zwischen Club América und Veracruz anschauen. Dann wird der passionierte Groundhopper Fußballspiele in 70 Ländern besucht haben. „Höhepunkte gab es viele, zum Beispiel 2004 das Länderspiel zwischen Iran und Deutschland in Teheran vor 110.000 Zuschauern, Stadtderbys in Buenos Aires oder Istanbul, Spiele in Myanmar, Kambodscha oder Kirgisistan“, erzählt Schneller.
Seinem besonderen Hobby geht der aus Wittlich stammende und in Kaiserslautern lebende FCK-Fan schon seit seiner Jugend nach. So lassen sich seine zwei großen Leidenschaften, der Fußball und das Reisen, perfekt verbinden. „Diese Kombination ist absolut ausfüllend“, sagt Schneller. Zeit für andere Hobbys hat er eh nicht. Zu zeitaufwendig ist der Job als hauptamtlicher Fanbeauftragter des FCK. „Schnittstelle zwischen Fans und Verein, Vermittler zwischen vielen verschiedenen Personen, Gruppen und Institutionen“, so beschreibt der Diplom-Geograph seine Aufgabe bei den Roten Teufeln. Fanklubs und einzelne Anhänger treten mit allerlei Fragen an ihn heran, er vertritt den Verein bei Sitzungen zu Fanangelegenheiten bei der Deutschen Fußball-Liga und beim Deutschen Fußball-Bund. Der Fanbeauftragte sitzt zudem bei den Besprechungen zur Spieltagsorganisation mit am Tisch, auch als Schnittstelle zu Polizei und Behörden.
„Ein Fanbeauftragter muss ein starker Kommunikator, ein überzeugender Charakter sein, braucht Einfühlungsvermögen und eine hohe Konsensorientierung. Kompromisse sind die Kunst. Das alles hat Christoph sehr gut gemacht“, sagt Michael Klatt, der kaufmännische Geschäftsführer der neuen FCK GmbH & Co. KGaA und bisherige Vorstandsvorsitzende des Vereins. Klatt beschreibt damit zugleich das Anforderungsprofil für Schnellers Nachfolger. Die Bewerbungsfrist läuft. Ab 1. Februar oder auch früher soll der oder die Neue, natürlich unbedingt FCK-Fan, eingearbeitet werden. Der Beruf ist sehr zeitintensiv: Schneller ist bei fast allen FCK-Spielen dabei, reist wieder mit ins Trainingslager, das die Profis von 11. bis 19. Januar in Marbella absolvieren. Für viele ein Traumjob. Aber eben auch extrem anstrengend und von Spielplänen bestimmt. „Das ist ein Job, den man nicht sein Leben lang machen kann“, sagt Klatt, „deshalb haben wir Verständnis für Christophs Entscheidung, nach dann fast zehn Jahren etwas anderes tun zu wollen.“
Für 90 Minuten Drittliga-Fußball zwischen Hansa Rostock und dem FCK war Schneller 41 Stunden auf Reisen. Mit dem Auto war er unter anderem mit seinem Vorgänger, dem früheren Fanbeauftragten und jetzigen Pressesprecher und Kommunikationschef Stefan Roßkopf, unterwegs. „Auf der Rückfahrt haben wir noch Florian Dick mitgenommen“, erzählt Schneller. Der Kapitän musste nach dem 1:4 zum Dopingtest, und der Rest des Teams hatte es eilig: schnell mit dem Bus zum Flieger nach Berlin.
Der Entschluss Schnellers, etwas anderes machen zu wollen, steht schon länger fest. „Aber als klar war, dass der FCK erstmals in die Dritte Liga absteigt, war es für mich selbstverständlich, dass ich weitermache. In der schweren Zeit wollte ich meinen Teil dazu beitragen, meinem Verein und Arbeitgeber zu helfen“, betont Schneller, der auch sonst zuweilen heikle Situationen meistern muss. Etwa bei der ewigen Pyrotechnik-Problematik. Diplomatie ist Trumpf. „Aber es geht auch darum, nicht unbedingt öffentlich, aber im Vier-Augen-Gespräch, klar zu sagen, wo die Grenzen sind “, betont der 35-Jährige.
Wo er künftig arbeitet? „Ich bin noch völlig offen“, sagt Schneller. Wahrscheinlich aber wird er beruflich nicht mehr so oft ins Stadion kommen. Privat indes wird er es nicht bei den 70 Ländern belassen. Schließlich gibt es noch viele schöne Ziele. Auf sie freut Schneller sich riesig. Auch wenn der Rasen dort zuletzt ramponiert war: Jetzt wartet erst mal das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt.
Quelle: Rheinpfalz am Sonntag