Diskussionsthema zum Artikel: Auch neben dem Platz ein Heimsieg: Das "Dreckskaff" schlägt zurück
Auch neben dem Platz ein Heimsieg: Das "Dreckskaff" schlägt zurück
Viel wurde im Vorfeld des Duells zwischen dem FCK und Mainz 05 geredet. War sich in Kaiserslautern eigentlich jeder der Außenseiterrolle bewusst, nahm vor allem die Fanszene in Mainz den Mund sehr voll.
„Wir werden gemeinsam einlaufen in dieses Dreckskaff, dort ein wahnsinniges Fest feiern und einen unterdurchschnittlichen Drittligisten mit 4:0 in seine kack Hölle schießen.“ Mit diesen sehr geistreichen und gehaltvollen Worten beginnt ein Aufruf der Ultraszene in Mainz, der die Fans mobilisieren sollte, „100 Prozent Einsatz gegen KL“ zu zeigen.
Nun ja, das was sich in Kaiserslautern die Hölle nennt, Mainz durfte es gestern tatsächlich wieder einmal kennen lernen. Über 7 Jahre nach dem letzten Aufeinandertreffen hatte der selbst ernannte Karnevalsverein da auch offenbar großen Bedarf. Über 40.000 Zuschauer hatten sich eingefunden, um dem mittlerweile 'bittere-Realität-gewordenen' Drittliga-Alltag für 90 Minuten zu entfliehen. Und so war auch bei den Fans der Roten Teufel die Lust groß auf einen Fußballabend, der an bessere Fußballtage erinnern sollte. An Zeiten, in denen ein Fritz-Walter-Stadion nahezu wöchentlich mit über 40.000 Fans gefüllt war.
Und so hatte es fast den Anschein, der ein oder andere Fangesang ertönte an diesem Tag ein Stück weit lauter, etwas befreiter oder einfach emotionaler. Die Elf von Sascha Hildmann, sie schaffte es ein Spiel lang die Zeit zurück zu drehen. Zurück in eine Zeit, in der der Betze noch der Betze war und Mainz 05 allenfalls ein Synonym für gepflegten Amateurfußball.
Doch beinahe wäre dieses Erstrundenspiel im DFB-Pokal so gelaufen wie es zumindest jeder neutrale Beobachter auch erwartet hätte. Der FCK zeigte zu Beginn sehr viel Respekt vor dem Nachbarn aus der Landeshauptstadt, der sein Spiel zu einfach aufziehen konnte. Und so mussten die Heimfans froh sein, dass es nach 30 Minuten noch 0:0 stand. Respekt oder gar Angst war auf der Tribüne dagegen von Beginn an nicht vorzufinden. Die „West“ war stimmgewaltig wie eh und je. Die circa 6.000 Mainzer wiederum hatten sich im Stile von Sanitätern in Weiß gekleidet, sie konnten sich stimmungstechnisch allerdings kaum in Szene setzen. Deutlich mehr Rampenlicht wiederum erhielt die Mainzer Blockfahne mit der Aufschrift "Q-Block Power", welche die Ultras großflächig vor dem Gästeblock aufgespannt haben. Sie sollte noch zum Bumerang für die Rheinhessen werden, schlimmer noch, zum Sinnbild eines mehr als missglückten „Tourauftakts“. Doch dazu später mehr.
Die Rückkehr des Selbstwertgefühls oder auch: Betze wie er leibt und lebt
Als die erste Halbzeit zu Ende ging war das Gefühl fast mit Händen zu greifen. In der Westkurve machte sich langsam aber sicher die Gewissheit breit, dass es hier und heute zumindest kein Schützenfest wie im letzten Jahr gegen Hoffenheim geben wird. Die Mannschaft, sie fightete, sie kämpfte um jeden Ball, warf sich in jeden Schuss und zeigte seinen Fans, dass sie die Bedeutung dieses Spiels sehr wohl verstanden hatte. Und so wurden die Gesänge intensiver, jede Ecke, jeder gewonnene Zweikampf wurde gefeiert, als sei gerade ein Tor geschossen worden. Fast machte es den Eindruck, dass all die Enttäuschungen der letzten Monate und all die tristen Spiele umgewandelt werden könnten in positive Energie, die sich jetzt über den Roten Teufeln entlud. Alles gepaart mit der Hoffnung, sich in einem Spiel gegen einen Rivalen wieder etwas Selbstwertgefühl zurückzuholen. Dass Fans des FCK mittlerweile nämlich mehr Mitleid und gute Wünsche mit auf den Weg bekommen als Frotzeleien oder Häme, das tut dem Pfälzer fast genauso weh wie die Tatsache, dass der FCK nur noch in der 3. Liga spielt.
Die Mainzer dagegen, für sie scheint der Betzenberg immer noch eine fast traumatische Wirkung auszulösen. Warum sonst sollte man gegen einen „unterdurchschnittlichen Drittligisten aus einem Dreckskaff“ ein solches Aufsehen machen? Je länger das Spiel dauerte und der FCK mithalten konnte, desto verhaltener wurde die Stimmung und die Lautstärke im Gästeblock. Hier und da wurde Pyrotechnik gezündelt, ansonsten schien der „Schock“ noch tief zu sitzen, dass im Vorfeld des Spiels den Fans die Mitnahme einer Trompete untersagt worden war. Karneval ist eben erst wieder nächstes Jahr, sorry! Und als in der 63. Minute auch noch der Fußballgott mit den Lautrern, statt mit den Mainzern zu halten schien, und ein Elfmeter zur Abwechslung mal für ein Lautrer Tor sorgte, schien das Fest für die Karnevalisten aus Mainz in weite Ferne zu rücken.
Die Begeisterung in der Westkurve kannte da schon keine Grenzen mehr. Mittlerweile war allerdings ein Gefühl der Angst dazu gekommen. Angst, weil man jetzt etwas zu verlieren hatte. Angst kurz vor Ende den Coup doch noch aus den Händen zu geben. Doch auch wenn Mainz anrannte, in der 90. Minute sorgte Florian Pick dann für endgültige Ekstase. 2:0, Heimsieg! Die Nummer 1 im Land sind doch noch WIR! Dieses Gefühl, es war unbeschreiblich. Manch einer in der Kurve, er schien das Feiern über solch einen Sieg fast schon verlernt zu haben. Zu lange sind solche Erlebnisse her. Umso schöner und befreiender war es dann aber am Samstag.
Mainzer "Europa-Tournee" scheitert schon im "Dreckskaff": Die Nummer 1 im Land sind wir!
Und die Mainzer? Die schienen etwas die Fassung zu verlieren. Sie warfen Pyro in Richtung des Spielfelds, zeigten sich so als mehr als schlechte Verlierer. Doch damit noch nicht genug, fing in ihrem Frust auch noch ihr eigenes „Q-Block Power“-Banner Feuer, die Feuerwehr rückte an und musste den Mainzern zur Seite springen. Die Power, sie reichte an diesem Tag nicht aus. Zumindest nicht für das „Dreckskaff“. Sie war wortwörtlich erloschen.
Und glaubt
man den Mainzer Ultras, dann kommt es so schnell nicht zu einer Möglichkeit sich zu revanchieren. Im Aufruf der Ultras, der zum „Einsatz gegen KL“ aufrief,
hieß es nämlich weiter: „Eine Revanche wird es erst in einigen Jahren geben
– wenn der FCK zum Heimspiel in Pirmasens Mainz 05 II empfängt, während wir
durch Europa touren…“.
Man kann davon ausgehen, dass diese Prophezeiung ähnlich enden wird wie das geplante „wahnsinnige Fest im Dreckskaff“. Denn wie jeder weiß: Die Ausflüge von Mainz 05 nach Europa, sie sind so kurz wie ihr Trophäenschrank leer ist. Aber keine Sorge: Es wird sicher noch einmal Gelegenheit geben, die Hölle Betzenberg zu erleben. Denn das „Dreckskaff“ bekommt so schnell niemand klein. Man nennt es nämlich auch die 'Unzerstörbar'.
Eine Antwort hatte die Lautrer Fanszene (die Westkurve zeigte in der ersten Halbzeit ein 3-teiliges Banner) dann aber doch noch parat: "Den Geltungsdrang zur Mission erkoren, jeden Bezug zur Realität verloren! Jahrelang über Verstorbene lachen, heute für jeden Toten ein Spruchband machen! Eure Mentalität nur Trug und Schein, ein ebenbürtiger Gegner werdet ihr niemals sein!" In diesem Sinne: Die Nummer 1 im Land sind wir!
Quelle: Treffpunkt Betze
Autor: Redaktion