Diskussionsthema zum Artikel: Einzelkritik: Neue Spieler, alte Probleme
Einzelkritik: Neue Spieler, alte Probleme
Paradox: Boris Notzon hat gute Einzelspieler zum Betzenberg gelotst, die jedoch scheinbar nicht als Team funktionieren. Eine Fehlplanung in der Zusammenstellung?
Umbruchphasen sind in Kaiserslautern in den vergangenen Jahren zur Normalität geworden. In aller Regelmäßigkeit verändert sich auch der Kader der Roten Teufel von Saison zu Saison. Punktuelle Veränderungen und Verstärkungen hat es seit langem nicht mehr gegeben. In diesem Sommer war das nicht anders. Zwölf Spieler verließen den Verein, neun kamen neu hinzu. Beendete Leihgeschäfte und „Transfers“ innerhalb des Vereins sind da nicht mit eingerechnet. Ein Viertel der Saison ist nun schon gespielt - Zeit für ein Zwischenzeugnis.
Der Königstransfer: Marvin Pourié
Als Königstransfer galt seit seiner Verpflichtung Marvin Pourié (8 Spiele, 708 Minuten, 4 Tore, 0 Vorlagen, Note: 2,81). Auf Leihbasis wechselte der 29-jährige vom KSC zu den Roten Teufeln. Mit 22 Treffern wurde er dort in der Saison 2018-19 Torschützenkönig und stieg mit den Badenern in Liga 2 auf. Dasselbe gelang ihm in der vergangenen Saison mit Eintracht Braunschweig. Weil es mit dem KSC eine Liga höher nicht so recht funktionieren sollte, wurde er zur letztjährigen Rückrunde an die Niedersachsen ausgeliehen. Zwei Aufstiege hintereinander, ein dritter soll folgen. Leider ist der FCK davon zurzeit meilenweit entfernt.
Mit vier Treffern aus acht Spielen hat Pourié seine Torgefahr bereits untermauert. Zudem haben seine acht Einsätze gezeigt, dass er ein fleißiger Stürmer ist, der Bälle halten kann und für jeden Gegenspieler unangenehm zu bespielen ist. Aber auch abgesehen von seinen fußballerischen Fähigkeiten scheint Pourié für die Mannschaft immer wichtiger zu werden. Auf und neben dem Platz fungiert er als Lautsprecher, reißt seine Mitspieler mit, spricht auch in Interviews Klartext. Kurzum: einen Stürmertyp wie Marvin Pourié hat der Betzenberg schon lange nicht mehr gesehen. Der 1. FC Kaiserslautern kann sich glücklich schätzen, dass Boris Notzon daran etwas geändert hat.
Viel Qualität, wenig Konstanz: Marlon Ritter
Für ähnlich viel Euphorie hat vor der Saison die Verpflichtung von Marlon Ritter (10 Spiele, 773 Minuten, 1 Tor, 2 Vorlagen, Note: 3,22) gesorgt. Auch wenn er wahrlich nicht zum Stammpersonal gehörte, kickte der Mittelfeldmann mit dem SC Paderborn in der vergangenen Saison noch in der Bundesliga. Dreimal stand er dabei in der Startelf, achtmal wurde er eingewechselt. Im Trikot der Roten Teufel kam er bislang in allen zehn Spielen zum Einsatz. Neunmal stand er dabei in der Startelf. Gegen Mannheim gelang ihm sein erster und bislang einziger Treffer. Zwei weitere legte er vor. Die Stärken des geborenen Esseners liegen vor allem in seiner Schusstechnik. Kein Wunder also, dass er für den Großteil der Standards verantwortlich ist. Die offensiven Standards - in den vergangenen Jahren eine regelrechte Krankheit des FCK. Zwar sind die Roten Teufel nach zehn Spielen immer noch alles andere als eine Standardmacht, die ruhenden Bälle landen aber mittlerweile nicht mehr ausschließlich beim gegnerischen Verteidiger am kurzen Pfosten.
In Ansätzen konnte der ehemalige Paderborner zeigen, zu was er im Stande ist. Intelligentes Passspiel, Tempo im letzten Drittel, gefährliche Abschlüsse aus der zweiten Reihe. Dass da aber noch viel Luft nach oben ist, hat nicht nur das Heimspiel gegen Magdeburg gezeigt. Zu viele Schüsse aus der Distanz verfehlten das Ziel zu deutlich. Generell fehlt ihm, wie vielen anderen Akteuren auch, die Konstanz. Zu abhängig ist er noch von der Leistung seiner Mitspieler. In schwierigen Spielphasen ist es ihm bislang kaum gelungen, herauszustechen. Das Problem: diese schwierigen Spielphasen sind bislang in ausnahmslos jedem Spiel aufgetreten und dauerten manchmal sogar ganze 90 Minuten. Marlon Ritter hat in den ersten zehn Spielen angedeutet, welche Qualitäten er besitzt. In den nächsten Spielen gilt es, diese auch konstant abzurufen.
Zweikampfstark und kampfbetont: Tim Rieder
Wie Marvin Pourié und Marlon Ritter kam auch Tim Rieder (10 Spiele, 888 Minuten, 0 Tore, 0 Vorlagen, Note: 3,40) mit ordentlich Vorschusslorbeeren zu den Roten Teufeln. Beim Ligarivalen 1860 München gehörte er in der abgelaufenen Spielzeit zu den Leistungsträgern. Auch beim FCK ist er nach zehn Spielen kaum aus der ersten Elf wegzudenken. In allen Ligaspielen gehörte der geborene Dachauer bislang zum Stammpersonal, spielte nur zweimal nicht über die gesamte Spielzeit.
Seine Qualitäten liegen, wie kann es als klassischer Sechser anders sein, im Zweikampf. Rieder ist der Typ 'aggressiver Leader'. Betonung auf "aggressiv". Bei Zeiten geht das ein bisschen zu weit. Zu ungestüm wirkt er im ein oder anderen Zweikampf, sodass er auch immer mal wieder gut für einen unnötigen Freistoß ist. Neben seinen „zerstörerischen“ Qualitäten kann der 27-jährige jedoch auch im Aufbau punkten. Nicht selten lässt er sich zwischen die Innenverteidiger fallen, um das Spiel von hinten aufzubauen.
Tim Rieder - ein aggressiver, zweikampf- und spielstarker Sechser. Diese Anlagen sind geradezu prädestiniert, um eine echte Führungspersönlichkeit zu werden. Jemand, der die Mannschaft vor allem in schwierigen Phasen pusht, aufweckt und mitreißt. Das ist aus der Ferne zwar nicht ganz leicht zu beurteilen, es besteht allerdings der Eindruck, als könnte er sich in dieser Hinsicht noch steigern. Möglichkeiten, das Team wachzurütteln hat es in den ersten zehn Spielen schließlich zu Genüge gegeben.
Erfahrung pur: Adam Hlousek
Dass die Verantwortlichen bei den Transfers in diesem Sommer stark auf Erfahrung gesetzt haben, beweist die Personalie Adam Hlousek (10 Spiele, 900 Minuten, 0 Tore, 2 Vorlagen, Note: 3,55). Neun Jahre ist es her, dass der Tschesche erstmals zum FCK wechselte. In diesem Sommer machte der 31-jährige diesen Schritt zum zweiten Mal. Über mangelnde Spielpraxis kann sich der Rückkehrer nicht beschweren. Hlousek verpasste bislang keine einzige Minute.
Zwei Tore konnte er bislang vorbereiten - seine Hereingaben können immer wieder für Gefahr sorgen, tun das aber mitnichten automatisch. Im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit in der Pfalz hat er mit Sicherheit an Tempo und Spritzigkeit verloren, was ihn jedoch nicht davon abhält, seine Linie hoch und runter zu laufen. Einsatz und Wille sind ihm definitiv nicht abzusprechen.
Sein Manko aber ist die Technik. Vermeidbare Abspielfehler und unzulängliche Ballannahmen und -verarbeitungen haben schon manchen FCK-Angriff zunichte gemacht oder einen des Gegners ermöglicht. Bei Spielern seines Alters ist man geneigt, schnell von einem Vorteil durch Erfahrung zu sprechen. Zu einer zufriedenstellenden Punkteausbeute hat diese bislang aber noch nicht geführt. Überspitzt könnte man sich also die Frage stellen: Was bringt uns Erfahrung, wenn die Punkte nicht eingefahren werden?
Noch Luft nach oben: Kenny Prince Redondo
Bei seinem Amtsantritt, wenige Tage vor Transferschluss, wünschte sich Jeff Saibene noch die ein oder andere Verstärkung. Sein Wunsch wurde erhört und Kenny Prince Redondo (6 Spiele, 428 Minuten, 0 Tore, 2 Vorlagen, Note: 3,30) verpflichtet. In sechs Einsätzen konnte er bislang zwei Treffer, beide beim einzigen Sieg in Zwickau, vorbereiten. Gekommen von der Spielvereinigung Greuther Fürth, brauchte der Linksaußen etwas, um sich im Spiel der Roten Teufel zurecht zu finden. In seinen ersten Auftritten in München und zu Hause gegen den FC Ingolstadt blieb er weitestgehend blass. Im darauffolgenden Spiel in Meppen bekam er sogar nur zehn Minuten Einsatzzeit. Seitdem zählte er jedoch dreimal in Folge zur Startelf. Auch Kenny Prince Redondo konnte seine Einsätze bislang nur in Ansätzen rechtfertigten. Seine Schnelligkeit und Technik sind bereichernd fürs Team und nach dem Abgang von Florian Pick auch dringend notwendig. Aber auch ihm fehlt, wie dem gesamten Team, die Konstanz. Im Gegensatz zu Florian Pick hat er sich in seinen ersten Einsätzen noch nicht als Unterschiedsspieler entpuppt. Gerade in Sachen Torgefährlichkeit würde man sich bei ihm eine Steigerung wünschen. Die Qualität für einen guten Drittligaspieler bringt er zweifelsohne mit, jetzt gilt es, diese auch dauerhaft abzurufen.
Noch ohne Torerfolg: Daniel Hanslik
Neben Kenny Prince Redondo wurde auch Daniel Hanslik (7 Spiele, 418 Minuten, 0 Tore, 1 Vorlagen, Note: 3,25) kurz vor Transferschluss verpflichtet. Fünfmal stand er seitdem in der Startelf, wurde zudem zweimal eingewechselt. Ein Tor ist ihm dabei noch nicht gelungen. Möglichkeiten dazu gab es einige. Vor allem vor dem gegnerischen Gehäuse fehlt im bislang das nötige Glück. Dass er Tore schießen kann, hat er vor zwei Jahren eine Liga tiefer bei den Amateuren des VfL Wolfsburg unter Beweis gestellt. In Liga zwei bei Holstein Kiel und auch in der dritten Liga beim FCK ist ihm das bislang nicht gelungen. Spielte er in Wolfsburg noch in der Sturmspitze, kommt er beim FCK meist über den rechten Flügel. Dass man auf dieser Position naturgemäß weniger Abschlüsse hat, steht außer Frage.
Aufmerksame Leser wissen, was jetzt kommt: Denn auch Daniel Hanslik konnte zu Teilen schon seine Qualitäten auf den Platz bringen. Quirlig im Angriffsspiel, aggressiv gegen den Ball und stets den Blick für den Mitspieler. Fähigkeiten, die seine Verpflichtung rechtfertigen. Aber auch bei ihm gilt das, was für fast alle Neuzugänge gilt: Den Unterschied machte er bislang nicht, passt sich zu sehr der Leistung des Teams an.
Drei Neuzugänge ohne Wertung
Kaum auf dem Platz stand bislang Neuzugang Marius Kleinsorge. Zu Beginn der Saison laborierte er an einer Rippenprellung, nach seiner Einwechslung gegen Hansa Rostock flog er mit Rot vom Platz und fehlte damit bei den letzten beiden Begegnungen. Vom Spielertyp erinnert er stark an Florian Pick: Klein, dribbelstark und technisch versiert. Die bisherigen 90 Einsatzminuten für die Roten Teufel lassen eine seriöse Bewertung aber nicht zu.
Dasselbe gilt für Alexander Winkler und Nicolas Sessa. Fehlte Winkler im ersten Spiel gegen Dresden noch gesperrt, verpasste er die restlichen Spiele aufgrund eines Rippenbruchs. Nicolas Sessa konnte wegen einer Knieverletzung bislang nicht eingreifen. Am vergangenen Wochenende stand er erstmals im Kader und feierte sein Comeback. Der Einsatz gegen Magdeburg endete nach nur acht Minuten - verletzungsbedingt. Irgendwie passend für den bisherigen Saisonverlauf.
Gute Einzelspieler reichen nicht aus
Neun Spieler hat der FCK im Sommer verpflichtet. Sechs davon gehören aktuell zur Stammelf. Im Grunde konnten fast alle Neuzugänge in Teilen auch schon ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Von Fehleinkäufen kann man beileibe nicht sprechen. Auf dem Papier liest sich die Transferpolitik des FCK in diesem Sommer sehr ordentlich. Ein Torjäger, der in den vergangenen Jahren seine Treffsicherheit in dieser Liga mehrfach untermauert hat. Ein Offensivspieler mit Bundesligaerfahrung und vielversprechender (Schuss-) Technik. Ein Abräumer im Mittelfeld, der im letzten Jahr zu den notenbesten Spielern der Liga zählte. Temporeiche Außenspieler und ein Linksverteidiger mit Champions-League-Erfahrung.
Aber was bringen all diese Errungenschaften aus der Vergangenheit, all die Erfahrung und scheinbar vorhandene Qualität, wenn es im Zusammenspiel nicht funktioniert? Nach zehn Spieltagen lügt die Tabelle nicht, das hat auch Carlo Sickinger erst neulich festgestellt. Und auch Marlon Ritters Worte nach dem Magdeburg-Spiel lassen aufhorchen: „Anscheinend sind wir schlechter, als wir denken". So bitter es ist, aber man muss dem Jungen Recht geben.
Boris Notzon hat in diesem Sommer Spieler mit nachgewiesener Qualität an den Betze geholt. Aber wie schon in den vorangegangen Drittliga-Saisons muss man nach zehn Spieltagen zu dem Ergebnis kommen, dass ihm die Zusammenstellung eines guten Teams nicht gelungen ist.
Quelle: Treffpunkt Betze