Diskussionsthema zum Artikel: Friedhelm Funkel: „Bin nach wie vor absolut fußballverrückt“ (1/2)
Friedhelm Funkel: „Bin nach wie vor absolut fußballverrückt“ (1/2)
Friedhelm Funkel im Gespräch mit Treffpunkt Betze über die Tragweite seiner Rückkehr als Trainer, seine Zeit als Spieler beim FCK, Enis Hajri und sein Fazit nach den ersten Wochen.
Friedhelm Funkel ist nach Dirk Schuster und Dimitrios Grammozis der dritte Trainer, der in dieser Saison beim 1. FC Kaiserslautern an der Seitenlinie steht. Mehr Erfahrung geht in der schwierigen Situation der Roten Teufel kaum. Der FCK ist der zwölfte Verein, den der Altmeister in seiner langen Trainerkarriere betreut. Und das Feuer, das in dem 70-Jährigen lodert, ist in jedem Moment zu spüren. In der Länderspielpause nahm sich Friedhelm Funkel Zeit für ein ausführliches Gespräch mit der Redaktion von Treffpunkt Betze. Im heutigen ersten Teil spricht der Trainer über seine Beweggründe, den FCK zu übernehmen, seine Zeit als Spieler in Kaiserslautern, das Trainerteam und die Belastungen einer 50- bis 60-Stunden-Woche.
„Das Alter ist nur eine Zahl“
Treffpunkt Betze: Hallo Herr Funkel, wie viel Coolness und Gelassenheit braucht es, um mit 70 Jahren den Posten des Cheftrainers bei einem abstiegsgefährdeten Verein zu übernehmen?
Friedhelm Funkel: Ach, mit Coolness hat das weniger zu tun, die braucht man nicht unbedingt. Das Alter ist auch nur eine Zahl und sollte nicht überbewertet werden. Entscheidend ist einfach, dass man sich körperlich in der Lage fühlt, so eine Aufgabe zu übernehmen. Ich fühle mich dazu in der Lage, ich bin nach wie vor absolut fußballverrückt und Fußball ist ein Teil meines Lebens und wird es immer bleiben. Deshalb ist es für mich eine wahnsinnig reizvolle Aufgabe, mit meinem Trainerteam und der Mannschaft den FCK in der Liga zu halten, weshalb ich mich letztlich entschieden habe, wieder an die Seitenlinie zurückzukehren.
Treffpunkt Betze: Im vergangenen Jahr haben Sie Ihren Wunsch, noch einmal Trainer zu werden, mit dem wohltuenden Duft des grünen Rasens und der Dynamik des Fußballs bebildert. Warum musste es ausgerechnet der FCK werden?
Friedhelm Funkel: Der 1. FC Kaiserslautern ist einfach ein besonderer Verein mit besonderen Fans. Das habe ich schon als Spieler gespürt und das sieht man bei jedem Heimspiel. Es ist beeindruckend, wie viele Zuschauer hier regelmäßig ins Stadion strömen und wie sie ihre Mannschaft anfeuern, sie immer unterstützen und ihr damit helfen wollen. Und nachdem ich eine Zeit lang nicht als Trainer tätig war, habe ich gespürt, wie es langsam wieder kribbelt und wie ich wieder Lust bekomme, eine Mannschaft zu übernehmen. Als dann die Anfrage vom FCK kam, musste ich nicht lange überlegen.
„Vor Spielen verspüre ich immer Nervosität und Anspannung“
Treffpunkt Betze: Sie sind der Fußball-Rente entflohen, um sich in eine 50-60 Stunden-Woche zu stürzen. Haben Sie sich darauf körperlich und mental vorbereiten können?
Friedhelm Funkel: Nein, ich konnte mich ja nicht wirklich vorbereiten. Das Engagement hier in Kaiserslautern kam ja mehr oder weniger über Nacht. Die ersten Tage waren schon sehr anstrengend. Aber ich wusste vorher, was auf mich zukommt. Das Wichtigste ist, dass man gesund ist und die körperlichen Voraussetzungen für diesen Job mitbringt. Ich habe etwa eine Woche gebraucht, um das Umfeld und die Spieler kennenzulernen. Zum Glück habe ich ein Trainerteam, das mir sehr, sehr viel Arbeit abnimmt, was auch ein Grund war, warum ich die Aufgabe hier übernommen habe. Wir haben uns im Trainerteam schnell gefunden und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Matthias (Anm. der Redaktion: Matthias Lust, Co-Trainer) und mir wurde hier ein guter Start ermöglicht.
Vor den Spielen verspüre ich allerdings immer eine gewisse Nervosität und Anspannung, aber das gehört irgendwie dazu. Die Bedeutung der Spiele, gerade hier im Abstiegskampf, ist enorm, aber auch damit kann ich sehr gut umgehen. Nach den Spielen brauche ich vielleicht etwas länger zur Regeneration als noch vor zwanzig Jahren. Aber das gelingt mir auch heute noch relativ schnell. Ich merke, wenn ich laufe oder auf dem Ergometer sitze, dass ich relativ schnell wieder auf meinen normalen Ruhepuls komme, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass ich mit der Aufgabe und den Herausforderungen gut umgehen kann.
Treffpunkt Betze: Wie fällt Ihr Fazit nach den ersten Wochen aus? War es die richtige Entscheidung, zu dem Verein zurückzukehren, mit dem Sie in den 80er Jahren als Spieler eine erfolgreiche Zeit hatten?
Friedhelm Funkel: Ich bin jetzt seit fünf Wochen hier und es war die absolut richtige Entscheidung, hierher zurückzukommen. Ich merke, dass zwischen der Mannschaft und mir mit dem Trainerstab etwas zusammenwächst. Gerade in den letzten zwei Wochen hat die Mannschaft sehr, sehr gut trainiert und das zuletzt auch auf dem Platz gezeigt. Auch jetzt in der Länderspielpause, wo kein Spiel ansteht und die Mannschaft wusste, was auf sie zukommt und dass es anstrengend wird, haben alle voll mitgezogen und super trainiert. Die Spieler haben am Wochenende drei Tage frei, um die zusätzlichen Belastungen zu verarbeiten und ab Dienstag geht es dann in die Vorbereitung auf das Spiel gegen Fortuna Düsseldorf.
„Wir hatten damals eine ganz tolle Mannschaft“
Treffpunkt Betze: Als ehemaliger Spieler bringen Sie den berühmten Stallgeruch mit. Betrachtet man jedoch Ihre Spielerkarriere, stellt man schnell fest, dass Sie alles andere als ein “Wandervogel” waren. Bis auf Ihr Gastspiel beim FCK sind Sie immer Bayer 05 Uerdingen (Anm. der Redaktion: seit 1995 KFC Uerdingen 05) treu geblieben. Was hat der FCK, dass Sie schon damals dem Ruf aus der Pfalz gefolgt sind?
Friedhelm Funkel: Meine ersten sieben Jahre als Spieler habe ich bei Bayer Uerdingen verbracht. Ich bin als junger Spieler dorthin gekommen und habe dort viel gelernt, wie man sich als Profi verhalten muss. Ab dem sechsten Jahr war ich dann so weit, dass ich selbst Verantwortung übernehmen konnte, was zu der Überlegung geführt hat, dass ich mich vielleicht auch mal verändern möchte. Ich wollte zu einem Verein wechseln, der in der Bundesliga in Tabellenregionen steht, die dauerhaft besser sind, als es damals mit Uerdingen möglich war, wo wir fast immer nur gegen den Abstieg kämpfen mussten. Dann kam die Anfrage vom FCK, der damals ein Verein war, der in der oberen Hälfte der Bundesliga gespielt hat, und so bin ich hierher gewechselt.
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Ich durfte damals in einer sehr, sehr guten Mannschaft spielen. Wir haben viele Spiele gewonnen, waren im Pokalfinale, im Halbfinale des Europapokals, hatten das legendäre Spiel gegen Real Madrid und waren in der Bundesliga immer im oberen Drittel. Von daher war das für mich die absolut richtige Entscheidung. Ich wäre auch gerne noch zwei Jahre länger hiergeblieben, weil mein Vertrag noch so lange lief, aber der damalige Trainer Dietrich Weise meinte, dass ich mit 29 Jahren in einem Alter wäre, wo es schwierig werden könnte, hier in der Mannschaft Stammspieler zu bleiben. Dietrich Weise war bekannt dafür, dass er sehr auf junge Spieler setzte, und das musste ich akzeptieren. Ich bin dann wieder nach Uerdingen gewechselt. Bayer war gerade wieder in die Bundesliga aufgestiegen und ich war sofort wieder Stammspieler. Entgegen der Vorhersage von Dietrich Weise habe ich noch sieben Jahre in der Bundesliga gespielt und das waren die besten Jahre für mich und Bayer Uerdingen (lacht). Wir wurden DFB-Pokalsieger, spielten im Halbfinale des Europapokals gegen Atlético Madrid und wurden Dritter in der Bundesliga.
Treffpunkt Betze: Wie Sie selbst schon ausgeführt haben, war ihre aktive Zeit beim FCK eine sehr erfolgreiche. Der Verein erlebte nicht nur einen Höhenflug in der Bundesliga, sondern sorgte auch international für Furore. Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben? Spiele, Kollegen, Stadien?
Friedhelm Funkel: Wir hatten damals eine ganz tolle Mannschaft. Hellström, Briegel, Dusek, Wolf, Benny Wendt, Lutz Eigendorf, Werner Melzer, Hannes Bongartz, Seppl Pirrung, später auch Torbjörn Nilsson und Thomas Allofs, da waren so viele tolle Menschen dabei. Leider habe ich auch einige aufgezählt, die heute nicht mehr unter uns sind, was ich unheimlich traurig finde. Wir waren damals eine supergeile Truppe, die viel zusammen gemacht hat. Der Betzenberg war damals fast nicht einnehmbar, wir haben zu Hause kaum ein Spiel verloren. Die hatten alle Angst vor dem Betze. Früher war das hier noch viel emotionaler. Das Stadion war viel enger, zwischen Linienrichter und Zuschauer waren gerade mal zwei Meter Platz, das hat sich dann auch auf die gegnerischen Mannschaften ausgewirkt. Vor allem am Freitagabend hat hier regelmäßig die Hütte gebrannt und ich glaube, da haben wir fast kein Spiel verloren - ohne es genau zu wissen (lacht). Es war einfach eine sehr schöne Zeit mit vielen schönen Erinnerungen.
„Sicher gibt es für beide Varianten Argumente"
Treffpunkt Betze: Spannen wir die Brücke zur sportlichen Gegenwart. Acht Spiele haben Sie noch vor der Brust, vier davon auf dem Betze. Verfolgen Sie bei Heimspielen die gleiche Strategie wie bei Auswärtsspielen? Oder haben Heimspiele im Abstiegskampf nochmal eine besondere Bedeutung?
Friedhelm Funkel: Es ist natürlich immer schön, hier auf dem Betze vor unserem Publikum zu spielen. Aber die Herangehensweise oder die Strategie in diesen Spielen ändert sich nicht.
Treffpunkt Betze: Enis Hajri ist im Abstiegskampf wegen seiner Kaderplanung stark in die Kritik geraten. Der technische Direktor soll bis zum Saisonende nicht mehr auf der Bank Platz nehmen. War das Ihre Entscheidung? Und welche Beweggründe stecken dahinter?
Friedhelm Funkel: Enis und ich haben darüber gesprochen. Ich bin der Meinung, dass er von der Tribüne aus einen viel besseren Überblick über das Spiel hat. Wenn man vom Spiel etwas sehen will, ist die Trainerbank einer der schlechtesten Plätze im Stadion. Im Grunde schaut man von dort aus auf Bauchnabelhöhe zu und kann manche Dinge gar nicht sehen. Deshalb habe ich ihm vorgeschlagen, dass er es mal von der Tribüne aus probiert und für sich entscheidet, welcher Blickwinkel für ihn besser ist. Sicher gibt es für beide Varianten Argumente.
Treffpunkt Betze: Haben Sie es eigentlich als Vorteil wahrgenommen, auf ein bereits vorhandenes Trainerteam zugreifen zu können? Denn in einer solch sportlich brisanten Situation wäre es doch auch legitim zu sagen: Ich bringe nicht nur den Co-Trainer, sondern auch das komplette Personal mit.
Friedhelm Funkel: Das ist ein großer Vorteil. Das Trainerteam, das da ist, kennt das Umfeld, kennt die Mannschaft und unabhängig davon, dass ich mir natürlich ein eigenes Bild machen muss und will, hilft es unheimlich, wenn man vorher schon ein paar Informationen hat. Matthias und ich schauen dann noch einmal aus einem anderen Blickwinkel auf die Dinge, weil wir keine Vorkenntnisse oder Vorbehalte mitbringen und frei an die Dinge herangehen können. Das hat sich mittlerweile so entwickelt, dass sich diese beiden Blickwinkel hervorragend ergänzen und unsere Zusammenarbeit unglaublich toll ist.
Am Dienstag um 18:00 Uhr erscheint der zweite Teil unseres ausführlichen Interviews mit Friedhelm Funkel. Darin spricht der Trainer über die Mannschaftshierarchie beim FCK, das erhöhte Trainingspensum in der Länderspielpause, die Verletzung von Ragnar Ache und seine Forderung nach einem neuen Umgang mit Fans.