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Interview: FCK-Trainer Marco Kurz über Abstiegskampf, Ladehemmung, Spielerqualität und Neuzugänge
Mit höchster Konzentration, verschlanktem, aber verstärktem Kader will Trainer Marco Kurz Fußball-Bundesligist 1. FC Kaiserslautern vom Relegationsplatz zum rettenden Ufer lotsen. Oliver Sperk und Horst Konzok führten das folgende Jahresabschluss-Interview mit dem 42 Jahre alten Coach. Er arbeitet seit 1. Juli 2009 beim FCK. Der Vertrag wurde bis 30. Juni 2013 verlängert.
Herr Kurz, der 1. FC Kaiserslautern startet vom Relegationsplatz aus in die Rückrunde. Was macht Sie optimistisch, dass der FCK am Ende zumindest einen Platz besser steht und in der Bundesliga bleibt?
Zuerst muss sich sagen, dass wir in allen Spielen - bis auf Nürnberg, bis auf das Spiel gegen Bayern München und Bremen mit Abstrichen - in allen Partien auf Augenhöhe waren. Wir haben ein gutes spielerisches Niveau geboten und damit in der Liga eigentlich einen Mittelplatz. Was wir nicht abstreiten können, ist die fehlende Effizienz. Wir hätten Minimum fünf bis sechs Tore mehr erzielen müssen. Noch einmal: Die Art und Weise wie wir gespielt haben, war gut, wir haben aber zu wenig Punkte geholt, zu wenig Spiele gewonnen. Für uns gilt es, nach der Pause vom ersten Tag im Training nachhaltig daran zu arbeiten, diese Schwächen abzustellen. Wir dürfen uns keine verlorene Trainingseinheit erlauben! Ab dem 2. Januar müssen wir jede Trainingseinheit sehr konzentriert nutzen. Wir haben nichts zu verschenken!
Der FCK hat von acht Heimspielen nur zwei gewonnen. Ist es dennoch ein Vorteil, in der Rückrunde neun Heimspiele und nur acht Auswärtsspiele zu haben?
Ich glaube schon, dass die Heimspiele ein Vorteil für uns sind. Die Heimspiele sind für uns wichtig.
Noch einmal nachgefragt: Herr Kurz, was stimmt Sie positiv, dass der FCK in der Bundesliga bleibt?
Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen - von der Struktur her, von der Kompaktheit. Wir haben die sechstwenigsten Gegentore in der Liga bekommen, wir haben eine enorme Kompaktheit. Wir haben, nach anfänglichen Schwierigkeiten, in allen Spielen ein klares Chancenplus. Junge Spieler wie Olcay Sahan oder Kosta Fortounis, die aus unteren Ligen oder dem Ausland kamen, haben sich schon ein stückweit weiter entwickelt. Gefehlt hat es an der Passqualität, der Ballmitnahme, der Entschlossenheit im Abschluss. Da müssen wir mehr Qualität erzielen.
Was werden Sie als Trainer im neuen Jahr ändern?
Wir werden nach der Vorbereitung und unserem Trainingslager in Spanien mit einer kleineren Gruppe arbeiten, nur mit Spielern, die eine Perspektive sehen und haben, Spieler, die diesen Weg mit uns aus Überzeugung mitgehen wollen.
Die israelischen Nationalspieler Itay Shechter und Gil Vermouth sind im Sommer unter großen Anstrengungen und mit einigen Erwartungen aus Tel Aviv geholt worden. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der beiden?
Beide sind noch in einem gewissen Eingewöhnungsprozess. Vor allem die physischen Anforderungen sind in der Bundesliga ungleich höher als in der israelischen Liga, und sie müssen hier viel mehr für den Defensivverbund tun. Beide hatten bei Hapoel Tel Aviv einen gewissen Status, den sie sich hier erst noch erarbeiten müssen.
Was fehlt Itay Shechter noch?
Er braucht noch ein bisschen Zeit, aber das ist normal. Das sieht man auch bei anderen Mannschaften, speziell bei Stürmern. Bayern München hat einen Mario Gomez aus Stuttgart, aus der Bundesliga, geholt. Und auch er hat Zeit gebraucht, um in München Fuß zu fassen. Wir müssen uns im Ausland umschauen, weil wir deutsche Top-Stürmer nicht finanzieren können. Da ist doch klar, dass der Anpassungsprozess für Menschen aus einem anderen Kulturkreis noch schwieriger ist. Itays Stärken sind das Explosive und seine fußballerischen Fähigkeiten. An den Laufwegen und an seiner Entschlossenheit muss er noch arbeiten.
Und Gil Vermouth?
Er war zuletzt nicht im Kader. Das spiegelt das Leistungsvermögen wider, was er mir im Training aufzeigt. Es ist schwer, weil auch Gil in Israel einen ganz anderen Status hatte. Da hat man nach einer Verletzung einmal trainiert und dann gleich gespielt. Aber wenn ich den Schritt ins Ausland mache, muss ich bereit sein, mit allen Konsequenzen daran zu arbeiten, dass ich es dort schaffe.
Der FCK hat in der Hinrunde viele gute Spiele mit einem 4-2-3-1-System gemacht. Aber auch mit zwei echten Spitzen - was vielen Fans gerade bei Heimspielen lieber ist - haben Sie es probiert. In welche Richtung tendieren Sie für die Rückrunde?
Wenn ich mit zwei Spitzen spiele, ist das doch nicht gleichbedeutend mit besserem, mit offensiverem Fußball. Wir haben genügend Spiele mit zwei Spitzen gemacht, aber dafür muss man auch die richtige Raumaufteilung haben. Das war nicht immer der Fall. Ein ganz klares 4-4-2 spielt doch kein Mensch mehr in der Liga. Fakt ist, dass wir zur Rückrunde eine Ausrichtung finden müssen, in der wir torgefährlicher werden. Wir müssen einfach mehr Tore erzielen. In welcher Ausrichtung auch immer. Daran werden wir vom 2. Januar an Tag für Tag arbeiten.
Was wünscht sich der Trainer an Verstärkungen für die Rückserie? Was ist realistisch? Nicolai Jörgensen von Bayer Leverkusen steht ja als Neuzugang fest, der junge polnische Stürmer Jakub Swierczok wohl auch.
Wir schauen uns den Markt sehr genau an. Wenn wir etwas machen, dann muss es uns von der Qualität her wirklich weiterbringen. Nicolai Jörgensen, der ja in der letzten Saison unter Jupp Heynckes eine gute Entwicklung in Leverkusen nahm, hat sich - trotz anderer Angebote - ganz klar zum FCK bekannt, was mir wichtig ist. Er hat für 18 Monate unterschrieben. Solche Spieler müssen das sein, Spieler, die uns von der Qualität verbessern. Der Junge will Fuß fassen in der Liga und mit Dänemark noch zur EM. Er ist groß, schnell, er kann links im Mittelfeld und im Sturm spielen. Er wird uns helfen!
Sehen Sie in Jan Simunek, der seit Oktober 2010 nicht mehr gespielt hat, eine Alternative für die Abwehr? Wer ihn in den letzten Trainingsspielen gesehen hat und nicht wusste, dass er verletzt war, hätte ihn aufgestellt ...
Jan trainiert sehr auffällig. Auffällig gut! Aber es war erst die zweite Trainingswoche, bei der der voll und schmerzfrei dabei sein konnte. Wir hoffen auf ihn. Wir vertrauen auf ihn - aber es ist nach der langen Pause noch kein Spieler, auf den wir setzen dürfen.
Herr Kurz, Sie haben sich nach dem 1:3 und dem tristen Pokalaus bei Hertha BSC Berlin sehr enttäuscht vom Auftreten Ihrer Mannschaft gezeigt. Welche Erkenntnisse lieferte dieses letzte Spiel 2011 für Sie?
Wir haben 20 Minuten richtig gut gespielt und unerklärlicherweise eine verunsicherte Hertha zurück ins Spiel gebracht. Wir haben nach unserem Ausgleich fatal schlecht verteidigt, grobe Fehler gemacht. Nach dem 1:2 haben die Mentalität und der erkennbare Wille gefehlt, das Spiel zu drehen. Das geht nicht, das kann ich nicht akzeptieren! Das Auftreten, der Wille eine Schippe draufzulegen, waren nicht da! Wir müssen die alte Entschlossenheit und Gier wieder zeigen. Wir müssen das in jedem Spiel abrufen. In jedem Spiel! Ein wichtiger Bestandteil im Abstiegskampf ist die Stabilität - die ist gut bei uns. Wir bekommen relativ wenig Gegentore, aber die, die wir bekommen, denen gehen meist gravierende individuelle Fehler voraus. Auch in Berlin hatten wir gute Chancen, da hätten wir mehr Tore schießen müssen. Da muss unsere Qualität besser werden, da müssen wir einfach besser werden!
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau