ZitatAlles anzeigenDeutsche Fußball-Liga stimmt morgen über neues Sicherheitskonzept ab – HSV-Boss Jarchow will Entscheidung vertagen
Von Frank Hellmann
Frankfurt. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) geht von einer mehrheitlichen Verabschiedung seines Sicherheitskonzeptes aus – auch, weil der politische Druck keine andere Wahl lässt.
Eigentlich ist ja anzunehmen, dass alle Argumente ausgetauscht. Peter Peters, der sich vielleicht nie vorgestellt hat, dass der Vorsitz der Kommission „Stadionerlebnis“ einmal solche Bedeutung erlangt, wird morgen trotzdem noch einmal eine längere Grundsatzrede halten. Zu wichtig ist das, was am Mittwoch in einem Kongresshotel des Frankfurter Büroviertels Niederrad beschlossen werden soll.Als Vizepräsident des Ligaverbandes will Peters nicht nur die Profivereine zur Einigkeit ermahnen, sondern von der Zustimmung für das umstrittene Sicherheitspapier überzeugen. „So einen Feedback-Prozess hat es in 50 Jahren Bundesliga noch nicht gegeben“, heißt es bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die aus Sicht der Fans dennoch den Schwarzen Peter hat, wie die teils drastischen Schuldzuweisungen und Diffamierungen bei den Demonstrationen am Wochenende offenbarten.
Dennoch ist nicht nur der neue DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig fest davon überzeugt, dass die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten zustande kommen, wenngleich speziell der Antrag 14, der eine Begrenzung der Kartenkontingente der Gastvereine ohne nähere Begründung vorsieht, mächtig Zündstoff bürgt. Bevor der DFL-Justiziar Jürgen Paepke durch die 16 einzelnen Anträge führt, wird Liga-Präsident Reinhard Rauball noch eine eindringliche Rede halten – um die Abweichler aus dem Profifußball, namentlich den FC St. Pauli und Union Berlin, in Teilfragen aber auch Werder Bremen, der VfL Wolfsburg, VfB Stuttgart oder Hamburger SV, auf Kurs zu bringen.
HSV-Klubchef Carl-Edgar Jarchow hat angekündigt, darauf zu drängen, eine Entscheidung zu vertagen: „Wir werden dafür stimmen, dass wir nicht abstimmen. Diesen Zeitdruck haben wir nicht.“ Das müsste der FDP-Politiker Jarchow eigentlich besser wissen. Speziell Innenminister Hans-Joachim Friedrich (CSU) verlangt unmissverständlich endlich nach einem Ergebnis. „Das Problem ist, dass einige Vereine das Thema nicht ernst nehmen“, sagt Friedrich, der die Vereine bei der Vollversammlung dazu aufforderte, das mehrfach modifizierte und bereits entschärfte Pamphlet abzusegnen. Axel Hellmann, Vorstandsmitglied bei Eintracht Frankfurt und Kommissionsmitglied der ersten Stunde, sitzt wie so mancher Vereinsvertreter zwischen allen Stühlen, hat es aber dank Einbindung von Ultra-Gruppierungen geschafft, dass er mittlerweile „für eine geschlossene Abstimmung“ werben kann, ohne in der Bankenstadt den Rückhalt der besonders mächtigen Fanbasis zu verlieren.
Sollte kein Beschluss gefasst werden, fürchtet Rauball weniger die Zerreißprobe innerhalb des deutschen Profifußballs als um die Autonomie der Verbände in der Sicherheitsfrage. Führende Politiker haben der DFL-Spitze alternativ andere hanebüchene Szenarien aufgezeigt. Zwar sind die meisten Vereine auch Hausherr im Stadion, doch hätte die Politik die Handhabe, beispielsweise eine Abschaffung der Stehplätze zu verfügen. Und noch vieles mehr. Für Rauball in seiner Funktion als Präsident von Borussia Dortmund eine Horrorvorstellung.
Der Jurist ist nicht überrumpelt, aber zumindest überrascht, in welchem Spannungsfeld sich die DFL geraten ist, als sie sich – zum Teil freiwillig – zur bestimmenden Stimme in der Gewaltdebatte erhob. Sicherheitsfragen werden satzungs- und naturgemäß eigentlich nicht im Frankfurter Westend, sondern im Stadtwald beim DFB geklärt. Der besseren Verständigung dieser zwei mächtigen Fußball-Institutionen sollen die vielen Irritationen um die neuen Sicherheitsleitlinien nicht dienlich gewesen sein, aber immerhin hat Rauball den jüngsten Termin mit den Innenministern der Länder in Hannover gemeinsam mit DFB-Chef Wolfgang Niersbach wahrgenommen.
Der DFB ließ nun verlauten, dass er auch für eine Zustimmung des Konzepts eintritt, weil Niersbach „nicht wüsste, was eine Verschiebung bringen sollte.“ Stehplätze wolle er erhalten, aber ein Stadion sei eben auch kein rechtsfreier Raum, deshalb müssten „klare und stabile Leitplanken“ her. Ansonsten haben sich DFB-Vertreter in der Diskussion erstaunlich verschwiegen gezeigt. Aber mittlerweile sollte dazu ja auch fast alles gesagt sein.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau