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Kommentar: Mit Drittligafußball zum ersten Saisonsieg
Glück kann man sich erkämpfen, sagt man. Gegen 1860 München zeigen die Lauterer jede Menge Kampf und haben zudem auch das nötige Glück.
Am Samstag gastierten die in der Liga noch ungeschlagenen Münchner beim bislang torlosen und zuletzt desaströs aufspielenden 1. FC Kaiserslautern. Am Ende schlagen die verletzungsgeplagten Lauterer die Löwen schon etwas überraschend mit 3:0. Das war nicht unbedingt abzusehen. Dank der engagierten kämpferischen Leistung ist der Sieg verdient, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lauterer Mannschaft noch längst nicht in der Spur ist.
Spieltagsbilder: 1. FC Kaiserslautern - TSV 1860 München (3:0)
Erst kein Pech und dann kommt auch noch Glück dazu
Es ist ein Doppelschlag, der letztlich das Match entscheidet: In der 27. Spielminute beendet René Klingenburg nach Vorlage von Jean Zimmer mit einem sehenswerten Volleyschuss die fast 400 Saisonminuten andauernde Lauterer Torlosigkeit. Anschließend lässt sich die Erleichterung bei jedem einzelnen Spieler förmlich spüren. Klingenburg gewinnt nun selbstbewusst seine Zweikämpfe, Zimmer spielt deutlich befreiter auf und überhaupt wirkt das komplette Team von einem Moment auf den nächsten plötzlich ballsicherer. Nur sechs Minuten später eine Szene, die symptomatisch für dieses Spiel ist: Klingenburg erobert mit hartem Körpereinsatz den Ball, Hercher leitet diesen mit tollem Pass zu Zimmer weiter, der für Muhammed Kiprit auflegt. Der 22-jährige Stürmer erzielt bei seinem Startelfdebüt das erste Stürmertor der Saison.
Was genau an dieser Szene so charakteristisch ist? Klingenburgs Zweikampf sieht stark nach Foul aus und Kiprits Schuss scheint nicht völlig unhaltbar. Der FCK hat an diesem Samstag einfach das Glück des Tüchtigen. Es gehen Schüsse ins Tor, die in vorigen Spielen vom gegnerischen Keeper noch entschärft worden wären. Zudem pfeift der Schiedsrichter in den „richtigen“ Momenten nicht. Vor allem aber: Mit Einsatz und Willen verdient sich das Team von Marco Antwerpen letztlich die drei Punkte.
Glück haben die Roten Teufel spätestens nach 10 Minuten, als Sascha Mölders freistehend im Strafraum abschließt und dabei von Dominik Schad umgegrätscht wird. Auch wenn die Berührung erst unmittelbar nach Mölders Torschuss stattfindet, hätte es durchaus Elfmeter geben können. Bereits nach vier Minuten haben die Gäste eine ähnlich herausgespielte Torchance, die der sichere Matheo Raab pariert. Man will sich nicht ausmalen, wie die bis dahin stark verunsicherten Lauterer mit einem Rückstand umgegangen wären.
Das erste Freistoßtor seit ...?
Wer hat eigentlich das letzte Lauterer Freistoßtor erzielt? Miroslav Kadlec? Theodor Bergmann? In der 87. Minute aktualisiert Mike Wunderlich die traurige Statistik mit dem 3:0 per direktem Freistoß. Die Erleichterung ist dem ehemaligen Kölner bei seinem Torjubel deutlich anzumerken. Bis dahin kann der 35-jährige in keiner seiner drei Paradedisplinen (Standards, Vorlagen und Tore aus dem Spiel heraus) punkten. Gerade beim Spiel in Berlin ist die zunehmende Anspannung ob der ungewohnten Torflaute bei ihm kaum noch zu übersehen. Sollte Wunderlich seine Normalform erreichen, dürften nun endlich regelmäßig Tore durch Standards fallen. Allerdings ist er auch am Samstag noch ein gutes Stück davon entfernt.
Fünf Änderungen in der Startelf – darunter zwei Debütanten
Mit Kiprit, Klingenburg, Ciftci, Schad und Redondo gibt es gegen 1860 gleich fünf Änderungen in der Startformation. Klingenburg als Sechser und Redondo auf der linken Seite bzw. später als Konterstürmer nehmen dabei gewohnte Rollen ein. Eher überrasched findet sich Dominik Schad auf der Linksverteidigerposition wieder, während Hendrick Zuck auf der Bank Platz nimmt. Hikmet Ciftci, dessen Wechsel in die Türkei sich offenbar zerschlagen hat, übernimmt die Götze-Rolle. Muhammed Kiprit stürmt erstmals von Beginn an.
Um die Defensive zu stabilisieren spielt das Team von Marco Antwerpen mit einer Fünferkette mit „Hiko“ Ciftci als zentralen Mann, der sich bei Angriffen auch mit nach vorne einschaltet. Trotzdem gelingt es dem Gast aus München immer wieder gefährlich zentral in die Spitze zu passen. Die Abstimmung auf Lauterer Seite passt hier einfach noch nicht. Zumindest bei hohen Bällen kontrollieren die Männer in Rot dieses Mal ihren Strafraum, was aber auch daran liegt, dass Mölders und seine Kollegen nicht das kopfballstärkste Team sind - und eben mehr durch die Mitte kommen.
Insgesamt gibt der kampfstarke Ciftci ein absolut überzeugendes Comeback. Da Götzes Rückkehr noch nicht absehbar ist, wäre ein Abgang des Deutsch-Türken zum Ende der Transferperiode nun nicht mehr nachvollziehbar. Mit Dominik Schad ist auf der linken Lauterer Abwehrseite nun deutlich mehr Tempo und Aktion als in den Vorwochen. Sein schneller Gegenspieler Merveille Biankadi kommt dadurch fast überhaupt nicht zur Wirkung. Muhammed Kiprit zeigt, was ihn von den Stürmerkollegen Hanslik und Huth unterscheidet: Er ist auch in Bedrängnis in der Lage, Bälle zu behaupten und zu verteilen. Nicht zuletzt durch seinen Treffer dürfte er aktuell im Sturm die Top-Besetzung sein.
Der FCK spielt Drittligafußball
„Manchmal sind es die kleinen Schritte, die du machst“, äußert FCK-Trainer Marco Antwerpen in der Pressekonferenz nach dem Spiel. Wohlwissend, dass die Mannschaft noch längst nicht da ist, wo der Coach sie sehen möchte. Das Spiel am Samstag ist jedenfalls noch kein klassischer Antwerpen-Fußball: Während sich in den bisherigen Partien Felix Götze als Sechser nur zum Spielaufbau in die Abwehrreihe fallen lässt, steht Ciftci gegen die Löwen nahezu die komplette Spielzeit sehr tief. Somit entsteht eine Fünferkette. Die Präferänz liegt also darauf, zunächst die Defensive zu stabilisieren, was zumindest teilweise auch gelingt. Mitte der zweiten Halbzeit dominieren die Sechziger dann das Spiel und die Roten Teufel ziehen sich sehr weit zurück. Zwar haben die Gäste in diesem Abschnitt nur wenige Torgelegenheiten, jedoch gelingt den Lauterern die Befreiung nur noch mit langen Bällen auf Kiprit oder Redondo. Kombinationen aus der Abwehr heraus finden nicht mehr statt.
Schon der Formulierung von Trainer Antwerpen, „wir haben Drittligafußball gespielt, auch mal lange Bälle in den richtigen Momenten“, ist zu entnehmen, dass dies zwar nicht seine Wunschvorstellung von Fußball ist, wohl aber in der aktuellen Situation die nötige Sicherheit bringt. „Wenn Du die Zweikämpfe annimmst, wirst du auch belohnt irgendwann“, fasst Mittelfeldspieler Mike Wunderlich das Spiel treffend zusammen. Beim ersten Heimsieg nimmt das anfangs noch sichtbar verunsichterte Lauterer Team jeden Zweikampf an und wird schließlich auch belohnt.
Neuer Stürmer? Der FCK braucht einen Abwehrchef!
„Wir brauchen Stürmer“ ist nach dem 0:4 in Berlin angesichts der Torflaute eine der meistgestellten Forderungen vieler FCK-Fans. Doch ist der Sturm wirklich die größte Baustelle? Muhammed Kiprit zeigt am Samstag, dass er nicht nur treffen, sondern vorne auch Bälle behaupten kann. Dies kann von seinen Kollegen im Angriff, dem kopfballstarken Elias Huth und dem technisch und läuferisch stärkeren Daniel Hanslik bislang noch nicht behauptet werden. Für die bisherige Torflaute sind allerdings nicht allein die Stürmer, sondern die komplette Mannschaft verantwortlich. Ein weiterer Stürmer wird wohl nur dann verpflichtet, wenn es auch offensive Abgänge gibt. Kandidat hierfür könnte Elias Huth sein, der von Trainer Antwerpen momentan nur noch wenig Spielzeit erhält. Zudem ist Huths ehemaliger Verein, der FSV Zwickau, momentan noch sieglos und hätte auf der Position durchaus Bedarf.
Was dem FCK definitiv fehlt ist ein Innenverteidiger, der die Defensive koordiniert und auch die nötige Geschwindigkeit mitbringt. Von den gelernten Innenverteidigern bietet sich aktuell niemand als Organisator in der Defensive an. Als eine Art Zwischenlösung setzt Trainer Antwerpen hier zeitweilig auf einen „spielerischen Ansatz“ mit Felix Götze, Marlon Ritter oder Hikmet Ciftci als zentralen Spieler. Alle drei Akteure tun dem Aufbauspiel der Roten Teufel auffallend gut, entsprechen aber nicht dem Typus „Abwehrchef“. Zudem könnten sie ihre Fähigkeiten im Mittelfeld besser einbringen.
Englische Woche mit Auswärtsspiel in Halle
Mit der Ausbeute von bislang sieben Punkten inklusive des 1:0 Auswärtserfolges bei Tabellenführer Viktoria Berlin ist man beim nächsten FCK-Gegner, dem Halleschen FC, sicherlich hochzufrieden. Bereits am Dienstag empfängt der HFC die Pfälzer Gäste. Erstes Saisontor, erstes Stürmertor, erstes Freistoßtor. Jedem einzelnen FCK-Treffer am Samstag möchte man den Zusatz „endlich“ verleihen. Ein ordentlicher Auftritt an der Saale könnte dazu beitragen, dass der Knoten bei den Roten Teufeln nun auch endlich platzt.
„Das Selbstbesusstsein ist wieder da. Du gehst mit einer breiteren Brust ins nächste Spiel“, gibt sich René Klingenburg nach dem Abpfiff am Samstag bereits zuversichtlich. Allerdings ist „Klinge“ erst seit dem Sommer am Betzenberg. Als Fan, der die letzten 10 Jahre hier miterlebt hat, sieht man die Lage deutlich misstrauischer. Die Whatsapp-Nachricht eines FCK-Fans am Samstagabend bringt es auf den Punkt: „Noch 3x schlafen bis zur nächsten Enttäuschung“. Wir sind sehr gespannt.
Quelle: Treffpunkt Betze