ZitatAlles anzeigen2008 war ein denkwürdiges Jahr für den 1. FC Kaiserslautern und alle, die mit diesem Verein leben und leiden. Zum Jahreswechsel haben sich die Gastschreiber Marky und Helmut einige Gedanken über die vergangenen Monate gemacht und zu Papier gebracht. Von Höhen und Tiefen, von den Gefühlen eines FCK-Fans und von dem, was die Roten Teufel zu dem macht, was sie sind - und was uns mit einem guten Gefühl ins Fußballjahr 2009 gehen lässt.
Die Wiedergeburt der Roten Teufel
von Marky
Samstagvormittag, 31. Mai 2008, ein deutscher Flughafen: Ich ziehe meinen schwarzen Hartschalen-Reisekoffer durch ein Terminal. Es ist zwei Wochen nach DEM SPIEL. Auf meinen Koffer habe ich vor Jahren einen FCK-Aufkleber geklebt - nicht zuletzt, weil es zu viele schwarze Hartschalenkoffer auf den Förderbändern gibt. Vor mir stoppt ein entgegenkommender Mann - er schaut mich an, genauer gesagt zielt sein Blick auf meinen Koffer. Ich stoppe auch. Was will er? Hab' ich mir versehentlich seinen Koffer geschnappt? Nein! Er visiert das FCK-Logo an. Dann schaut er mir in die Augen. Die Jahre haben auf seinem Gesicht tiefe Falten hinterlassen, das Haar ist schütte und grau, aber seine Augen leuchten in diesem Augenblick wie die eines Kindes. Er nickt und schaut wieder auf den Aufkleber. Natürlich ... Er war dabei, ich sehe es in seinen Augen, die nicht aufhören zu strahlen. Er hat es miterlebt, ob im Stadion, auf dem Stiftsplatz, am Fernseher, am Radio, am Grab von Fritz Walter. Ich nicke auch. Es fallen keine Worte. Ich ziehe meinen Koffer mit dem FCK-Aufkleber weiter und eine Überdosis Glückshormone schießt durch meinen Körper.
Samstagabend, 5. Januar 2008, Mannheim SAP-Arena: Aus dem grellen Licht in die tiefe Dunkelheit. Der FCK, der einstige König des Südwestens, wird wie ein tumber Riese an der Leine durch die Halle geführt. Von den Erzfeinden aus Mannheim und Karlsruhe bespuckt, verspottet und - am Schlimmsten - bemitleidet. Der Riese wehrt sich nicht, lässt alles mit stoischer Miene über sich ergehen. Der Lautrer Fanblock leert sich rekordverdächtig, in den Fernsehstuben werden die Aus-Tasten gedrückt - an der Bande gibt Schjönberg-Toppmöller-Sportdirektor-Nachfolger Fritz Fuchs Interviews und beschwört die Lauterer Tugenden. Auf „Der Betze brennt“ schreibt einer: "Haben die Spieler denn nicht einen Funken Ehre im Leib?!"
Freitag, 1. Februar 2008, Borussia-Park: Was die Vorbereitung in der Winterpause wert war, zeigt uns Gladbachs Rösler nach nicht mal 60 Sekunden. 0:1, die Mannschaft ist nicht im Bilde. Das zarte Pflänzchen Hoffnung - sofort von den Borussen-Fohlen niedergetrampelt. In der 2. Halbzeit nimmt alles seinen gewohnten Gang: Lautern sieht zwei Mal Rot, Neuzugang Iacob kann sich kaum auf den Beinen halten. Im Lautern-Block beginnt eine Handvoll Fans, ein Lied zu singen: "LAUTRER GEBEN NIEMALS AUF - SIE KÄMPFEN!" Wenig später stimmen Hunderte ein. Als Runström auf Vorarbeit des wie ein Berserker kämpfenden Ouattara in letzter Sekunde den Ausgleich köpft, gibt es blaue Flecken im Block. Wir jubeln nicht aus Glück, sondern aus Wut und Verzweiflung. Ich fliege ein paar Meter durch die Luft - an einer Frau vorbei, die sich schützend die Hände vors Gesicht hält. Der angezählte Riese FCK hat sich nochmal aufgebäumt und laut in den eisigen Nachthimmel über dem Borussia-Park gebrüllt. Aber der nächste Niederschlag wartet bereits.
Freitag, 8. Februar 2008: FCK gegen 1860, 84. Minute: Die Westkurve wendet sich fast geschlossen vom Spielfeld ab, Tausende raufen sich die Haare, heben sich die Hände vors Gesicht, schließen die Augen, schütteln den Kopf, stöhnen als hätten sie Schmerzen. Der Schiedsrichter hat vor Sekundenbruchteilen Elfmeter gepfiffen - für den FCK. Als Schönheim den Ball auf den Punkt legt, kommt kein Anfeuern, kein Klatschen, nichts. Die Angst ist nie greifbarer als in diesem Moment. Schönheim verschießt - keiner hat erwartet, dass er trifft. Mit dem Schlusspfiff breitet sich eine grausame Stille über dem Betze aus. Als hätte einer in einer Techno-Disko den Stromstecker gezogen. In meinem Kopf ist einfach nur Leere - ich sitze lange auf einer Stufe in der West, bin nicht in der Lage nach Hause zu fahren. Ein paar Stunden später hat der FCK einen neuen Trainer - doch die Meldung dringt nicht zu mir durch, sie vermag keinerlei Emotionen auszulösen.
Donnerstag, 27. Februar 2008, 11freunde.de: Das Magazin für Fußball-Kultur, 11 Freunde, startet auf seiner Website eine großes Special. Thema: "Der Niedergang des FCK". Es erscheinen Interviews mit Thines ("Es tut mir so weh"), Jäggi, Friedrich und Wieschemann ("Atze, du wurdest zerstört"), Briegel ("Einige hatten kein Rückgrat"), Brehme ("Jäggi war der Untergang") und Kuntz. In der „11 Freunde“-Zeitschrift erscheint die Titelgeschichte "Eiszeit in der roten Hölle". Andere Zeitschriften und überregionale Zeitungen schließen sich an - kurz vor seinem vermeintlichen Tod dankt die Presse dem FCK für sein Lebenswerk. Jeder FCK-Fan muss sich spätestens jetzt mit der Frage befassen, was passiert, wenn der worst case eintritt. Beim Erwachsenwerden muss man sich von vielen Träumen verabschieden, vieles wird relativiert, vieles verliert seinen einstigen Zauber. Gilt das auch für den Betze? Der Mythos, von dem freilich nicht mehr viel übrig ist, für immer verloren? Mit was diesen wichtigen Teil des Lebens kompensieren?
Montag, 31. März 2008, Bremer Brücke: Der FCK unterliegt in Osnabrück 0:2. Der Spielbericht von „Der Betze Brennt“ trägt den Titel: "Schämt euch!" Am Tag zuvor ist Fritz Fuchs zurückgetreten - mit Pauken und Trompeten. Vor Anpfiff des überlebenswichtigen Spiel hält er seinen Kopf in jede Kamera, kündigt eine große Abrechnung nach Saisonende an. Noch acht Spieltage. Die „Rheinpfalz“ und auch „Der Betze brennt“ spekulieren über Stefan Kuntz als neuen Vorstandsvorsitzenden - der einstige Mittelstürmer des FCK hält sich bedeckt. Im Fanlager knistert es bedrohlich.
Freitag, 4. April 2008: FCK - Hoffenheim, Westkurve - kurz nach Spielende. Wir haben jahrelang still gehalten, die nicht enden wollenden Tiefschläge tapfer eingesteckt, den Frust heruntergeschluckt, in uns hineingefressen. Als FCK-Fan saugt man mit der Muttermilch ein, dass man die eigenen Spieler nicht beschimpfen oder den Kopf des Trainers fordern darf. "So woll'n wir doch geschlossen hinter unserer Mannschaft stehen", heißt es. An diesem Abend brechen aber alle Dämme: Der Druck der sich angestaut hat, wird mit einem fürchterlichen Knall freigesetzt. Er prallt auf die Mannschaft, die Milan Sasic vor die Westkurve zitiert hat: Sasic macht Handzeichen zu den Spielern, deutet immer wieder in die Kurve, ermahnt die Spieler ihre Blicke nicht zu senken." Auf den Rängen fallen die schlimmsten Schimpfwörter, manche schreien einfach nur wie am Spieß, drohen mit den Fäusten. Wutverzerrte Gesichter. Der Lärmpegel nimmt nicht ab - minutenlang entlädt sich der Frust, der sich fast ein Jahrzehnt lang angesammelt hat. Manche weinen, halten ihren Schal in die Luft. Später werden in den Hallen der Nordtribüne, wie schon zuvor im Stadion, lautstark die Köpfe der Vereinsführung gefordert. Auf der Nachhausefahrt denke ich, was hat dieser kleine Mann, Milan Sasic, für ein Größe, so eine Aktion durchzuziehen. Ich fühle mich innerlich gereinigt. Am Wochenende sickert durch, dass Stefan Kuntz neuer Vorstandsvorsitzender wird. Das Idol kehrt zurück. Ab diesem Zeitpunkt ist meine Angst weg. Gegen Augsburg gelingt der erste Heimsieg nach fast sechs Monaten.
Freitag, 25. April 2008: FCK gegen Aachen, über 30.000 Zuschauer. Als Ziemer nach 60 Minuten in bester Kuntz-Manier das 2:1 erzielt, verwandelt sich das ganze Stadion in ein Tollhaus. Der Mythos Betze doch nicht verloren?! Die Mannschaft rennt um ihr Leben, getragen von einer Woge der Begeisterung. Die Südtribüne erwacht aus ihrer Lethargie, zum Schluss steht sogar die Nordtribüne - Standing Ovations über Minuten hinweg. Die Aachener werden bei jedem Ballkontakt gnadenlos ausgepfiffen, der von Gerry Ehrmann geforderte „Hass“ ist wieder da. Nach dem Spiel geht die Feier weiter: Die Leute tanzen vor Glück, umarmen sich unentwegt. Sie können wieder lachen, endlich wieder lachen. Gestandene Männer lehnen mit entrückten Gesichtern an den roten Wänden und schauen wie Vierjährige, die gerade ihren ersten Fußball bekommen haben. Augenzeugen sagen: "So habe ich das letzte Mal im Meisterjahr ´98 gejubelt", "Es war wie Anfang der 90er". Zuhause gegen St. Pauli wiederholt sich der Zauber. Kuntz, Sasic, Spieler, Fans - ein Herzblutkreislauf. „Der Betze brennt“ titelt: "SasicKuntzicin hilft - Patient hat wieder Puls."
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Das war 2008 - Der Rote Teufel lebt
von Helmut
Hinter uns liegt nun ein Jahr,
das sehr bewegt und spannend war.
Für Rote Teufel stand sehr viel,
wenn nicht gar „alles“ auf dem Spiel.
Erst verzweifelt und voll Trauer,
dann mit Trotz und voller Power.
Der Hölle sind wir knapp entkommen…
jetzt wird ein Spitzenplatz erklommen…
Der Alptraum war für uns vorbei
am 18. im Monat Mai.
Wir kämpften und aus eigner Kraft
haben wir es noch geschafft.
In schlechten Zeiten war zu sehen,
dass wir auch dann zum Teufel stehen.
Wir Fans, wir hätten nie im Leben
den Roten Teufel aufgegeben.
Stefan und Milan, hört mal her…
Ich sag´ Euch einfach „DANKE SEHR…“
Ihr brachtet dann zum guten Glück
mit HERZBLUT den Erfolg zurück.
Der Weg zurück ist lang und schwer,
doch es gibt kein Halten mehr.
Der Rote Teufel hat es drauf,
nichts und niemand hält ihn auf…
Ich wünsche Euch fürs neue Jahr
nur das Beste, das ist klar.
Ich wünsche Euch zu jeder Zeit
Gesundheit, Glück, Zufriedenheit…!!!
In einem Jahr würd´ ich gern lesen,
2009 ist toll gewesen…
Eins ist und bleibt so, wie es war:
WIR sind der 1. FCK…!!!
Gewidmet Stefan Kuntz und Milan Sasic
Datum : 01.01.2009
Quelle : der-betze-brennt.de
Kompletter Artikel : http://www.der-betze-brennt.de/aktuell/kolumnen.php?id=1066